Dr. Tod – Nicholas Kulish/Souad Mekhennet

642Der Titel klingt etwas übertrieben, doch so wurde Aribert Heim, einer der letzten verfolgten NS-Kriegsverbrecher genannt. Im KZ Mauthausen hat dieser Arzt auf brutalste Art und Weise Menschen umgebracht und ist nach Ende des Krieges einfach verschwunden. Dies war nicht nur den Wirren im zerstörten Deutschland, sondern auch der Durchsetzung der neuinstallierten Verwaltung mit Altnazis und dem Schutz von Geheimdiensten geschuldet. “Wir sind hier der Ansicht, dass sein Wert als Informant unendlich viel größer ist als jeder denkbare Nutzen, den er im Gefängnis haben könnte”, ließ etwa der CIC (der ehemalige militärische Abwehrdienst der USA) über Klaus Barbie intern verlautbaren. Heim war zwar nicht so nützlich wie Barbie, aber auch (lange) kein so bedeutender Name, dass viel Aufhebens um sein Verschwinden gemacht wurde. Doch im Laufe der Jahre wurde durch Tod der Gesuchten und bereits abgeschlossene Strafverfahren der Kreis um Heim enger, doch gedeckt durch seine Familie und geschickte Taktik seines Anwalts hatte sich dieser inzwischen nach Ägypten abgesetzt, finanziert durch Grundbesitz in Deutschland, der ihn lange Zeit finanzierte. Heim wurde, anders als Barbie, nie geschnappt. Nie musste er sich daher vor einem Gericht für seine Taten verantworten und trotzdem kommen die Autoren fast zu einem versöhnlichen Resümee:

Die strafrechtliche Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern ist nicht einfach etwas, das bald der Vergangenheit angehören wird. Sie schuf einen Präzedenzfall für die Ahndung von Völkermord überall auf der Welt.

So ist Dr. Tod zwar eine Geschichte des Versagens deutscher und internationaler Strafverfolgung, eine Ansammlung von Missgeschicken, Vertuschungen und Fehlurteilen, aber auch eine Mahnung und die Entwicklungsgeschichte eines Rechtsstaats.

In diesem Zusammenhang sei auch an Furchtbare Juristen erinnert, das erfreulicherweise neu aufgelegt wurde.

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Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.

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