Wer hat eigentlich die Ansprüche an Absolventen von Schreibschulen (vulgo vor allem für den Studiengang Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim und eine Ausbildung am Literaturinstitut in Leipzig) postuliert, dass solche immer die Literatur neu erfinden müssen? Und soviel darf bereits zu Anfang verraten werden, Karl Wolfgang Flender hat die Literatur nicht neu erfunden, aber man merkt seinem Debüt an, dass er in Hildesheim nicht nur zu einem soliden Handwerker ausgebildet wurde, sondern sich mit Greenwash Inc. das Attribut Schriftsteller verdient hat.
Thomas Hessel arbeitet in der Agentur Mars & Jung. Hier kümmert man sich aufopferungsvoll um das Wohl der Mandanten und vorgeblich der ganzen Welt. Durch geschicktes Lancieren von Artikeln, das Bestechen von Influencern und das Inszenieren von Stories wird das Image des Klienten aufpoliert. Hessel und Kollegen bewegen sich in einer Welt, die der Jurist aus Großkanzleien und -banken kennt, der Leser aus The Circle. Die ständige Erreichbarkeit wird mit einem großzügigen Gehalt belohnt, das für Champagner und Tranquilizer ausgegeben wird, die Freundin kann dafür aus ihrem brotlosen Job über Beziehungen in gleiche Sphären des Wohlstandes und der Umtriebigkeit gehoben werden. Doch der interne Machtkampf belastet nicht nur den Praktikanten, der mit Geduldsaufgaben geprüft wird, sondern führt zwangsläufig dazu, dass auch eine Position an der Spitze keine Sicherheit bietet.
“Musste kurzfristig arbeiten. Melde mich, sobald zurück. Grüß Papa. Gib Julian einen Kuss”, schreibe ich.
Flender zeichnet nicht nur die Absonderlichkeiten und Auswüchse einer Branche nach, in der es diese skrupellosen Menschen, wie sie bei Mars & Jung arbeiten, geben muss, sondern legt zugleich auch den Finger in die Wunden, die sie reißen. Journalismus wird durch Schmeichelei bis zur Bestechung bis zur Korruption unglaubwürdig, eine ganze Industrie sucht den nächsten heißen, viralen Scheiß und die klügsten Köpfe Flenders und meiner Generation arbeiten an neuen Methoden Werbung und damit Produkte geschickter zu verpacken und damit an den Kunden zu bringen. Der Endverbraucher nimmt die gebotenen Berichte ohne Hinterfragen dankbar an und wiegt sich dank Falschinformation in der Sicherheit ein guter Mensch zu sein, denn Hessels Job in Greenwash Inc. ist es vornehmlich windigen Unternehmen einen ökologischen, gutmenschlichen Anstrich zu verpassen.
Greenwash Inc. ist unterhaltsam und doch nicht ohne nachdenkliche Zwischentöne. Flender ist, wie gesagt, nicht nur ein solider Handwerker, sondern lässt sein schriftstellerisches Potenzial immer wieder durchscheinen. Richtig groß würde das Buch freilich, könnte es die aufgeworfenen Fragen auch einer Lösung zuführen, könnte es die Stimmung mit weniger Markennamen und Beschreibungen beschwören. Die Lösungen – für das gern akzeptierte Einlullenlassen der Masse, das freudige Manipulieren durch Agenturen – müssten gar nicht praktisch, sondern vielmehr literarisch, sein.
Der Verlauf der Geschichte ist manchmal zu leicht zu erahnen, die Auflösung zwar konsequent, aber ebenfalls nicht überraschend. Greenwash Inc. ist trotzdem ein gelungenes Debüt!
Meine Hublot sagt, dass ich nun zum Champagner-Tasting mit Madame muss, schnell die Ray Ban aufgesetzt und in den Wiesmann gesprungen. Tschüss ihr Loser!