Hanjo Kesting - Große Romane der Weltliteratur - Erfahren, woher wir kommen

Hanjo Kesting – Große Romane der Weltliteratur – Erfahren, woher wir kommen

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Hanjo Kesting hat 2008 für die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius eine Reihe mit dem Titel “Grundschriften der europäischen Kultur” im Hamburger Bucerius Kunstforum abgehalten, die sich großer Resonanz erfreute, in weiteren Städten auf Tour ging und in einer dreibändigen Ausgabe beim Wallstein Verlag Göttingen erschien. Kesting befasste sich in dieser Reihe mit den Grundlagen europäischer Literatur, Philosophie und Geistesgeschichte. Er begann mit dem Gilgamesch Epos und endete bei Nietzsches Ecce Homo. Nach Abschluss von “Grundschriften der europäischen Kultur” folgte “Große Romane der Weltliteratur” und wurde ebenso ein Erfolg wie der Vorgänger. Erneut hat der Wallstein Verlag eine dreibändige Reihe zum Abschluss herausgegeben, die seit letztem Jahr vorliegt und in deren Vorwort Hanjo Kesting das eigene Programm im Kontrast zu Die wunderbaren Falschmünzer von Rolf Vollmann abgrenzt.

Das [die vorliegende] ist für eine literarische Arche eine eher bescheidene Auswahl. Rolf Vollmann […] behandelte auf knapp 1050 Seiten mehr als tausend Romane […]. Da blieb im Durchschnitt nicht mehr als eine Seite für jedes Buch; selbst Hauptwerke der Romankunst wurden in aller Kürze besichtigt und beurteilt: fünf Zeilen über Verlorene Illusionen, zwölf über Anna Karenina (“eins der ganz großen Stücke des Genres zweifellos, aber beinahe war doch glaube ich Greta Garbo in dem Film das Schönste daran”), siebzehn Zeilen über die Kartause von Parma. Das Buch ist nicht ohne Reiz, es ist leicht, locker und amüsant geschrieben, voll sprachlicher Girlanden und Preziosen, es fordert Zustimmung Widerspruch heraus, ist insgesamt aber eher eine Plauderei für Kenner als jene Verführung zu Romanen, die der Untertitel in Aussicht stellt.

Kein Kanon!

Kesting macht in der Einleitung, neben Kollegenschelte, ebenso klar, dass er keine Kanonisierungsabsichten hegt. Hierfür reichen die 40 Bände nicht, er möchte keine Leseliste erstellen, die Lust am nicht der Zwang zum Lesen soll im Vordergrund stehen. Man bemerkt später in den einzelnen Vorträgen, dass tatsächlich das Anregen der Hauptgrund für Kestings Verträge war, aber auch wenn er vorweg seine Liebe zu Dickens oder französischer Literatur ausführt. Gegen das Festlegen eines Kanons spricht für Kesting ebenso der ewige Schrei ein Meisterwerk entdeckt zu haben (auch wenn die besprochenen Werke nun wirklich nicht dem Verdacht unterliegen demnächst vergessen zu werden oder nur zu scheinen.)

Wer die Literaturseiten der Zeitungen verfolgt, der stößt Jahr für Jahr, nein, Monat für Monat auf Bücher, die als Meisterwerke angepiesen werden, so zahlreich, dass die ganze Vergangenheit dahinter zu versinken scheint. Was wird davon bleiben? Geht man hundert Jahre zurück, erkennt man, dass die Prosa eines Spielhagen oder Paul Heyse (Nobelpreisträger immerhin), von Autoren also, die zu ihrer Zeit mindestens so hoch gestellt wurden wie Fontane, längst verwelkt ist.

Mit Leseproben!

Hanjo Kesting Große Romane der Weltliteratur Erfahren, woher wir kommenBedingt durch die Form der Veranstaltung, nämlich dass zwischen den Ausführungen Kestings die entsprechenden Stellen des Werks gelesen wurden, enthalten die drei Bände zahlreiche Ausschnitte aus den besprochenen Büchern. Das Preisen Kestings kann so direkt durch den Leser auf die Probe gestellt werden. Gerade diese kleinen Auszüge, von einer halben bis zu anderthalb Seiten, bereiten besonderes Vergnügen und führen dazu, dass man Kestings launigen, aber klugen Vorträge mit großem Vergnügen und Gewinn liest.

Von den vielen Werken, die Sie noch lesen wollten, sind hier wahrscheinlich einige dabei. Kesten ermuntert, ermutigt und fixt den Leser an diese Werke endlich zur Hand zu nehmen und bereitet dabei selbst ein großes Lesevergnügen.

Band I – 1600 -1850: Miguel de Cervantes: Don Quijote | Daniel Defoe: Robinson Crusoe | Antoine-François Prévost: Manon Lescaut | Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman | Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers | Karl Philipp Moritz: Anton Reiser | Jane Austen: Stolz und Vorurteil | Stendhal: Rot und Schwarz | Honoré de Balzac: Verlorene Illusionen | William Makepeace Thackeray: Die Memoiren des Barry Lyndon | Emily Brontë: Sturmhöhe | Nathaniel Hawthorne: Der scharlachrote Buchstabe | Herman Melville: Moby Dick oder Der Wal

Band II – 1850 -1900: Gustave Flaubert: Madame Bovary | Iwan Gontscharow: Oblomow | Charles Dickens: Große Erwartungen | Iwan Turgenjew: Väter und Söhne | Fjodor M. Dostojewski: Der Spieler | Lew N. Tolstoi: Krieg und Frieden | Mark Twain: Die Abenteuer des Huckleberry Finn | Joris-Karl Huysmans: Gegen den Strich | Guy de Maupassant: Bel-Ami | Robert Louis Stevenson: Der Junker von Ballantrae | Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray | Theodor Fontane: Frau Jenny Treibel | Karl Emil Franzos: Der Pojaz

Band III – 20. Jahrhundert: Joseph Conrad: Herz der Finsternis | Heinrich Mann: Der Untertan | James Joyce: Ulysses | Thomas Mann: Der Zauberberg | Franz Kafka: Der Prozess | F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby | Ernest Hemingway: The Sun Also Rises (Fiesta) | Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz | Joseph Roth: Die Kapuzinergruft | Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Gattopardo | Imre Kertész: Roman eines Schicksallosen | Gabriel García Márquez: Der Herbst des Patriarchen | Günter Grass: Der Butt | Orhan Pamuk: Das schwarze Buch

Kategorien Allgemein Rezensionen

Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.

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