Sibylle Lewitscharoff: “Blumenberg” und “Vom Guten, Wahren und Schönen”

Das ist sie also, die neue Büchner-Preisträgerin (außerdem ist sie u.a. mit dem Kleist-, dem Ingeborg Bachmann-Preis und dem Preis der Leipziger Buchmesse dekoriert). Warum mir diese Dame bisher durchgegangen ist, weiß ich auch nicht. Die neuste Auszeichnung und die Jubelstürme, die über das Werk von Sibylle Lewitscharoff hereinbrachen, nahm ich also zum Anlass mir zwei ihrer Bücher vorzunehmen.

35728454zDem deutschen Philosophen Hans Blumenberg (1920-1996) erscheint eines Abends in seinem Arbeitszimmer ein Löwe, der ihn in der nächsten Zeit begleitet. Aus anfänglicher Angst und Skepsis wird bei Blumenberg langsam Zutraulichkeit (ohne physische Nähe) und er gewöhnt sich an seinen neuen Begleiter. Neben dem Professor lernt man auch einige seiner Studenten kennen und deren Probleme sich als junge Menschen im Leben zurecht zu finden, jeder mit anderen Vorzeichen. In Blumenberg ahnt man warum Lewitscharoff so oft ausgezeichnet wird, ihr Sprache ist aufregend und spannend, detailreich ohne aufgeblasen zu wirken und die Geschichte entwickelt eine Spannung, die moderne Wortakrobaten nicht immer zu entwickeln wissen. Wer jedoch mehr über Blumenberg und seine Philosophie wissen möchte, sollte lieber zu seinen Werken als Primärquelle oder erläuternder Literatur greifen.

048288354-vom-guten-wahren-und-schoenenSo kurz nur zu dem Roman Lewitscharoffs, denn auch wenn ich diesen gerne und mit Freude gelesen habe, Vom Guten, Wahren und Schönen habe ich verschlungen! Dies klingt aufgrund des Genres erstmal etwas wunderlich, denn dies ist ein Sammelband ihrer Frankfurter und Züricher Poetikvorlesungen. Aber anders als beispielsweise die Vorlesungen von Calvino, sprühen diese nur so vor Freude an Literatur und der Auseinandersetzung mit dieser. Sie spricht über Namen, Zeugenschaft, Arm und Reich, Realismus und Vulgarität, über das Sprechen mit den Toten, die Wahrheit der Offenbarung und lobt die Tradition. Diese Vorlesungen machen einen solchen Spaß, weil die Lehrende kein Blatt vor den Mund nimmt und auch vor den großen Namen nicht zurückschreckt.

Martin Walser pirschte sich an Goethe heran, um für die eigenen hochnotpeinlichen alterssexelnden Suaden von hoher Warte aus den Segen zu erhalten. […] Gräßlich auch die kindergartenhafte Eingemeindung, die Günter Grass mit Theodor Fontane betrieb: in einem Buch namens Ein weites Feld, das seinen Protagonisten allen Ernstes Fonti nennt […]. Einen so ranschmeißerischen Unfug, der jegliche Distanz vermissen läßt, muß man nun wirklich nicht lesen.

Das ist nicht nur bösartig, das trifft, zumindest bei dem von mir verabscheuten “Ein liebender Mann” von Walser, den Nagel auf den Kopf – bei Grass wahrscheinlich auch, nur das Buch habe ich nicht gelesen und kann daher nicht urteilen.

Aber Lewitscharoff gibt z.B. auch zu, dass sie Ulysses nur aus Fleiß zu Ende gelesen hat, Fontane nie mochte und trauert:

Was hätte aus der Literatur eines Uwe Johnson, einer Christa Wolf, eines Martin Walser Schönes werden können, hätten sie es nur einmal vermocht, sich mit einem Frosch über das Leiden an der deutschen Geschichte tüchtig auszusprechen.

Sämtliche Beiträge sind so scharfzüngig wie lustig, unterhaltsam und zu keinem Zeitpunkt belehrend, sondern künden vom Spaß am Weitergeben von Wissen. Kein theoretische Ballast, sondern das was die Literatur ausmacht, die Menschen und ihre Geschichten, prägen auch sämtliche acht Beiträge. Ein absolut wunderbares Buch, das ich jedem Literaturfreund nur ans Herz legen kann!

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Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.