Kommentare zu: Südlich der Grenze, westlich der Sonne https://www.54books.de/murakami/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=murakami FEUILLETON IM INTERNET Fri, 09 Feb 2018 17:39:55 +0000 hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.6 Von: soerenheim https://www.54books.de/murakami/#comment-7182 Fri, 09 Feb 2018 17:39:55 +0000 http://www.54books.de/?p=1317#comment-7182 Ich habe 1Q84 ja sehr ausführlich kritisiert. Nach langer Abstinenz dann das Frühwerk Wenn der Wind singt ausprobiert. Im Großen und Ganzen recht überzeugend. Gerade lese ich After Dark, sehr angetan von der ersten Hälfte (damit man weiß, wie ich hierher komme). Grenze/bzw Geliebte dagegen ist für mich wieder ein sehr typischer Murakami mit der unvermeidbaren Doppelhandlung einiger eher bedeutungsloser Geschlechtsakte und der gleichzeitigen Fixierung auf die ewig-unübertreffliche Jugendliebe. Im Gegensatz zum mit Spaß zu lesen Wenn der Wind singt konsumiert das hier leider fast alles drum herum.

Mag sein, die Neuübersetzung ist besser als die, die ich zugrundegelegt habe, doch mein Einwand geht nicht gegen die meist sogar ertragbare Sprache. Die Obsession damit, wohin ein Mann ejakuliert, das notorische Mund ausspülen nach dem Oralverkehr, das ist definitiv auch aus dem Original übersetzten späteren Murakamis zu Eigen. Ebenso die schmachtende Pseudokeuschheit („ich möchte dich einfach nur nackt in die Arme nehmen“). Anders als in Wind fehlt dem hier aber jeder Witz und doppelter Boden. Und wie in 1Q84 lässt Murakami seine Protagonisten so viel, dass er zeigen könnte, ausbuchstabieren. Statt den Leser spüren zu lassen, dass die ewige Geliebte nicht gleich Sex haben kann und den Oralverkehr als Zwischenstation braucht, lässt er sie das zB genauso sagen.

Übrigens habe ich bisher noch keine Darlegung gefunden, die zeigt, dass die neue Übersetzung wirklich originalgetreuer ist und nicht einfach nur sanfter und eleganter. Es wäre ja zumindest denkbar: Murakami stellt selbst gern das „Amerikanische“ seines Stils in den Vordergrund. Nun sorgt eine deutsche Übersetzung aus dem Englischen für einen Skandal. Die neue Übersetzung liest sich seeeeehr sanft – fast wie ein Klischeebild fernöstlicher Innerlichkeit. Wäre es nicht theoretisch möglich, dass die amerikanische Übersetzung durchaus im Sinne des Autors war und die davon angefertigte deutsche immer noch ordentlich, während die neue Originalübersetzung dem Skandal all zu sehr Rechnung trägt? 1Q84 klingt mE zumindest wieder eher wie Gefährliche Geliebte als wie Südlich der Grenze. Ich sage nicht, dass es so ist. Das kann ich mangels Japanischkenntnissen nicht beurteilen. Aber im Zuge des Übersetzungsskandals wurde niemals dargelegt, wer eigentlich so geschlampt haben soll, dass am Ende auf Deutsch zwei unterschiedliche Bücher heraus kommen können… der amerikanische Übersetzer, der auch mit dem Original arbeitete? Oder der deutsche Übersetzer, der aus dem Englischen übersetzte? Klar, die Gefahr Fehler zu machen wird bei jeder weiteren Übersetzung aus einer Zwischensprache größer. Aber es wundert mich, dass in der ganzen Debatte niemals klar herausgearbeitet wurde wo der Fehler liegt oder die Fehler liegen.

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