Jahrelang fand mein Leben in einem Dreieck statt: Bad Hersfeld – Münster – Ostsee. Inzwischen habe ich meinen Radius erweitert war in diesem Jahr bereits in Prag, in Paris und Portugal; auch in Destinationen ohne “P”, zweimal an der Ostsee, vielfach zu Hause in Hersfeld oder auch auf Bildungsreise in Dresden. Sogar Kurztrips nach Köln oder Hamburg mute ich mir inzwischen zu, Fernbeziehung sei Dank darf Oldenburg nicht fehlen.
Und trotzdem bin ich bis heute kein großer Freund des Reisens geworden. Zu viel Zeit eingepfercht mit fremden Menschen in einem Zug oder Flugzeug, Vorbereitungen, Packen. Anreise- und Abreisetage sind fast immer von Kopfschmerzen begleitet; irgendwie ist es mir einfach zu anstrengend.
De Botton, vielen Bereits durch seine Bücher Trost der Philosophie und Wie Proust Ihr Leben verändern kann bekannt, beschreibt in seinem Buch nicht etwa besonders bereisenswerte Ort oder lässt uns wissen, wo er in seiner Herrlichkeit überall abgestiegen ist, vielmehr erzählt er kurzweilig von verschiedenen Stationen des Reisens. Hierfür bedient er sich eines raffinierten Tricks, er schildert nicht nur eigene Erfahrungen, sondern verwebt diese mit denen von Schriftstellern oder Künstlern. Etwa der hochgeschätzte Flaubert und seine Liebe zum Orient, van Gogh in der Procence und Alexander von Humboldt in Südamerika. Alle Schilderungen durchzogen mit Abbildungen von Schildern, Wolken und passenden Gemälden. Von der Abreise und der Ehrfurcht vor Flugzeugen bis zur Rückkehr, über die Erwartungen, Reisestation mit Edward Hopper und Erlangung des Schönen, immer schildert de Botton authentisch und steckt den Leser mit seiner Begeisterung an. Seine Begeisterung erschöpft sich nicht im Vorgang des Reisens, sondern er will lernen (und uns lehren zu lernen), nicht nur das profane Land und Leute kennen-, sondern will für die Charakterbildung lernen, Eindrücke sammeln, vielleicht sogar ein besserer Mensch werden. Besonders seine Kapitel über die Wissbegier und die Kunst sind dabei sehr lesenswert.
Wenn Reiseführer eine Sehenswürdigkeit priesen, so drängten sie den Besucher zum Mithalten mit ihrer autoritären Begeisterung, worüber sie schwiegen, dort war Freude oder Interesse unerwünscht.
Gerade, dass de Botton den Leser ermutigt nicht nur bloß zu reisen, sondern eben diese vielfältigen Eindrück in sich aufzunehmen, ihn ermuntert genauer hinzusehen und zu beobachten, macht die Stärke dieses Buches aus. Warum also nicht einfach mal abseits der Reiseführer-drei-Sterne-Sehenswürdigkeiten-Route an einem kleinen Garten mitten in der Stadt erfreuen?
Rezension fertig? Bin in Eile, muss los, meine Eisenbahn erreichen, wenn auch “nur” nach Oldenburg. Nach der Rückkehr schon wieder Koffer packen, denn übernächste Woche bin ich in Paris. Ein bisschen beherrsche ich sie schon, die Kunst des Reisens.