Paris – Ein Fest fürs Leben

Hemingway ist ja auch so einer, mit dem sich auch im Nachgang noch ganz gut Geld verdienen lässt (siehe auch Jimi Hendrix). Aus dessen Nachlass habe ich bereits “Der Garten Eden” gelesen und auch gemocht, nichts Schlimmes also daran, wenn lesenswerte Dinge posthum publiziert werden (für hörenswerte: Jimi Hendrix).

32470913zBereits vor zwei, drei Jahren kam also eine erneute Überarbeitung des frühen Hemingways aus Pariser Zeiten heraus. Seine Aufzeichnungen waren das letzte was der Nobelpreisträger vor seinem Selbstmord bearbeitete und für eine Veröffentlichung vorbereitete. Die Notizen dazu waren zu diesem Zeitpunkt fast vierzig Jahre alt, denn Hemingway zog bereits im Dezember 1921 mit seiner ersten Frau nach Paris und prägte hier im Salon von Gertrude Stein zusammen mit F. Scott Fitzgerald, Ezra Pound und T.S. Eliot die “Lost Generation”. Hemingway beschreibt in episodenartigen Kapiteln, ohne streng angelegten roten Faden, sein Leben und seinen Alltag in Paris, das Verhältnis zu seiner Frau und das Aufwachsen seines Sohnes Mr. Bumby (überragender Spitzname für sein Kind?!). Man erfährt wie er mit Ezra Pound boxte, was er über T.S.Eliots “The Waste Land” denkt und wie Gertrude Stein den Begriff der “Lost Generation” von einem Automechaniker adaptierte. Die Zeilen Hemingways sind zum Teil aber auch sehr persönlich, gerade in den letzten Kapitel ist er recht selbstkritisch, vor allem was das Zerbrechen seiner ersten Ehe angeht und durch das, sehr interessante, Nachwort erfährt man von dessen Problemen bei der Überarbeitung der Notizen. Trotzdem enthält das Buch wunderbare Momentaufnahmen des Paris’ der 20er, schöne Portraits von herausragenden Personen der Zeitgeschichte und skurrile Geschichten von Ausflügen mit F. Scott Fitzgerald nach Lyon oder über die gemeinsame Betrachtung dessen Penis mit der Versicherung einer ausreichenden Größe.

Eine absolut lohende Lektüre für Hemingway-/Paris- und Freunde dieser Zeit; wer einen Einstieg in das Werk des großen Schriftstellers sucht, sollte besser vorher “Der alte Mann und das Meer” lesen.

Anhang: DSCF4108Die Buchhandlung Shakespeare and Company in Paris ist die Nachfolge-Buchhandlung, der von der Amerikanerin Sylvia Beach begründeten, die Hemingway in dessen Pariser Zeit mit Büchern versorgte, aber nicht nur er, sondern u.a. auch Fitzgerald, Joyce und Eliot waren hier Kunden. Sylvia Beach war auch die Dame die Ulysses von Joyce in der Erstausgabe verlegte! In der neuen Buchhandlung in der Rue de la Bûcherie, direkt gegenüber von Notre-Dame, gibt es daher auch eine Abteilung der Bücher der Lost Generation. Ein absolutes Muss für Freunde amerikanischer und englischsprachiger Literatur, mit tollem Antiquariat und eine beeindruckenden Auswahl an seltenen Erstausgaben. Falls man, wie wir, einen fähigen Pianisten dabei hat, darf am Klavier im Obergeschoss Platz nehmen. Nicht vergessen die gekauften Bücher mit dem hauseigenen Stempel versehen zu lassen!

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Tilman berät als Rechtsanwalt Verlage, Autoren und andere Kreative im Urheber- und Medienrecht. Als Blogger hat er sich sowohl im Bereich der Literaturkritik als auch -vermittlung in der Branche einen Namen gemacht. Rechtsanwalt Winterling ist zudem als Jurymitglied (u.a. Hamburger Literaturförderpreise) und Moderator von Lesungen tätig, sowie gefragter Interviewpartner (u.a. Deutschlandfunk, Radio Eins), wenn es darum geht verständlich und unterhaltsam über rechtliche Themen und solche des Bloggens zu berichten.