Im Juni 2018 unterschreibt die Frau mit der Personalausweisnummer 46 03 114381 die Vollmacht: „Ich, Frau Julia Ivanovna Sokolova, geboren am 1. Oktober 1945, Geburtsort: Siedlung Woroschilowo“, heißt es da, – Oblast Woroschilowgrad – „bevollmächtige hiermit Herrn Vladimir Sokolov … mit der Anmeldung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in der Bundesrepublik, darunter in der Stadt Berlin.“

Die Mutter in Russland, der Sohn in Großbritannien. Gemeinsame Geschäfte machen sie in Berlin. Die Stadt ist ein wunderbarer Ort, um Firmen zu gründen und Immobilien oder Anteile davon zu erwerben.

Die Staatsanwaltschaft kommt nach eigenen Aussagen in Wirtschaftssachen kaum nach. Das Problem ist bekannt, viel ändert sich nicht. Und der Senat kam bisher Investoren wie Trockland weit entgegen. Mit Absprachen, die er der Öffentlichkeit vorenthält, wie dem sogenannten Letter of Intent – der Absichtserklärung, die festlegt, wie das symbolisch wichtige Areal am Checkpoint Charlie künftig gestaltet werden soll.

Trockland will dort einen Komplex mit Wohnungen, Geschäften, Büros und ein „Hard Rock Hotel“ mit knapp 400 Zimmern bauen. Die Berliner Zeitung hat bereits im Sommer einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, den die Finanzverwaltung abgewiesen hat. Die Berliner Zeitung klagt dagegen.

Auch auf die aktuelle Anfrage der Berliner Zeitung antwortet das Ressort von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) äußerst knapp und lässt die meisten Fragen unbeantwortet. „Sollte es zu einem Vertragsabschluss kommen, wird Berlin erneut die Vertragspartei überprüfen.“

Seit wann und wie überhaupt geprüft wurde? Keine Auskunft.

Die Firma Trockland schweigt ebenfalls. Nur deren Anwälte schreiben, dass eine Stellungnahme in der „unverhältnismäßig kurzen Frist“ nicht möglich sei.

Familie und Geschäft nicht leicht zu trennen

Aber es gibt Informationen über die Hintergründe der verschachtelten Firmenstruktur, man kann sie in Handelsregistern und Datenbanken suchen; sie setzen sich zu einer komplexen Geschichte zusammen, die viel aussagt über die Realität in Berlin.

Am 12. Juni 2018 gründet Vladimir Sokolov die S.Ki.I.V. Capital GmbH für seine Mutter. Adresszusatz: „c/o Trockland“. Vladimir Sokolov ist einer der Trockland-Partner. Er hält 15 Prozent der Anteile an der Trockland Management GmbH.

Davor war er bei der Investmentbank VTB Capital tätig. Diese war eine Tochter der staatlich kontrollierten Bank VTB, gegen die die EU und die USA Sanktionen verhängt haben.

Heute ist Sokolov mit für die Finanzen des Unternehmens zuständig und außerdem mit zirka neun Prozent an der Firma Trockland IX Real Estate beteiligt, der Objektgesellschaft, die für das Areal am Checkpoint Charlie gegründet wurde. Sukzessive verkaufte Sokolov dann wieder Anteile an dem Trockland-Geschäft. Aber nur zum Teil verlassen die Beteiligungen auch die Familie. So verkauft er beispielsweise Anteile seiner Trockland Pier 61-63 Holding GmbH wieder an die S.Ki.I.V. Capital GmbH – die Firma, die er für seine Mutter gründete.

Tochter des ehemaligen turkmenischen Staatschefs

Es zeigt sich, dass die Geschäfte und die Familie nicht leicht zu trennen sind. So hält Irina Sokolova, mit der er verheiratet ist oder war, Anteile an der Trockland VI Klosterstraße 62 GmbH. Das Familiäre führt zu einem Mann, der als Diktator einen recht einmaligen Personenkult betrieb: Saparmurad Nijasow, Staatschef von Turkmenistan, der sich schlicht als „Führer der Turkmenen“ begriff und nicht nur eine Stadt, sondern angeblich auch einen Meteoriten nach sich benannt haben soll. Irina Sokolova soll die Tochter des Staatschefs sein. Er mochte vor allem jenes Land, das so viele Oligarchen und Diktatoren wegen seiner Diskretion bevorzugen: Deutschland. Das „Gangsta’s Paradise“ – wie es der Steuerexperte der Linken, Fabio De Masi, mittlerweile angesichts der grassierenden Intransparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt desillusioniert nennt.

2006, im Jahre des Todes des Autokraten Nijasow, wurde ruchbar, dass er Zugriff auf die Milliarden seines Staates hatte. Geld, das er offenbar bei einer Bank in Sicherheit brachte, die erst in der vergangenen Woche durchsucht wurde. Am Donnerstag klingelten 170 Beamte bei der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. Bei diesem Institut sollen sich auch Milliarden des turkmenischen Staates befunden haben, auf die der Diktator zugreifen konnte. Darüber berichtete die NGO Global Witness 2006 in einem Report.

Keine Unregelmäßigkeiten

Die Bankenaufsicht Bafin konnte damals keine Unregelmäßigkeiten feststellen. Steuerexperten wie Markus Meinzer, Direktor der britischen NGO Tax Justice Network, vermissen bei der Bafin tatsächlichen Aufsichtswillen.

Mit Bezug auf die turkmenischen Verbindungen nach Berlin sagt er: „Ohne deutsche Banken sind solche Geschäfte nicht abzuwickeln. Doch die Hausdurchsuchungen bei der Deutschen Bank zeigen, dass die Bankenaufsicht Bafin mittlerweile ein Teil des Problems ist.“ Die Bafin hatte nach den Panama Papers die Deutsche Bank ebenfalls entlastet.

Doch gerade bei Familienangehörigen von Autokraten müssten die Warnlampen bei allen Aufsichtspflichtigen hell leuchten: „Ein dunkleres Rot gibt es nicht als Hinweis“, sagt Meinzer. „Es handelt sich hier um massives Versagen “, sagt er.

Dass Berlin bereits bei dem umstrittenen Investor Flächen mietet, hält Meinzer für ein Problem: „Es ist ein Skandal erster Güte, dass sich Politiker auf solche Leute einlassen.“

Mitarbeit: Stephan Thiel