Lesen, was andere geschrieben haben und dann darüber schreiben. Worin besteht in so einem Fall die Eigenleistung? Susanne Lederle hat sich für die Berliner Gazette die Arbeit des Perlentauchers angesehen. Anlass ist eine Klage.
Die Jockey-Familie hat Zuwachs bekommen, denn nach dem DJ und dem VJ gibt es jetzt den RJ: den Review Jockey. perlentaucher.de stellt die Buch-Rezensionen der einschlaegigen Zeitungen zusammen und neben den Klappentexten der Buecher kostenfrei online zur Verfuegung, verkauft sie aber auch an buecher.de.
Wie beim Abmischen von Platten bringt auch das >Sampling< von Buckkritiken die Frage nach dem Urheberrecht auf den Plan, denn die Perlen, die da zu Tage gefoerdert werden, wuerden andere gerne da belassen wissen, wo sie sind: in den Untiefen der einzelnen Feuilletons. Die altehrwuerdigen Damen FAZ und SZ halten nichts von neu- modischem Jockeywesen und erhoben im vergangenen Jahr Klage wegen Urheberrechtsverletzung.
In der Verhandlung aeusserte eine beisitzende Richterin, was wohl jeder denkt, der einmal die Dienste des Portals in An- spruch genommen hat: Perlentaucher-Zusammenfassungen haetten sie des Oefteren dazu animiert, den gesamten Artikel im Original zu lesen. Dementsprechend wurde die Klage abgewiesen und die Befuerchtungen der Urheber, nach der Lektuere der Perlentaucher-Resumees erledigte sich die der Original- Artikel, fuer >lebensfremd< befunden. Perlentaucher durfte seinen Tauchschein vorerst behalten, denn das Portal erbringt in den Augen der Richter mit seiner Berichterstattung ueber Berichterstattung eine >geistige Eigenleistung<. Die Berufung ist allerdings noch anhaengig und hat mit der Konzentration auf die Geschaeftsbeziehung mit buecher.de bessere Aussichten.
Jenseits dieses konkreten Falls enthuellt die Klage die immer dringlicher werdende Neubewertung des Bergriffs der Urheberschaft. Denn wie dumm ist das eigentlich, kleinlich auf dem Urheberrecht herumzureiten und damit den Jockeys den Job streitig zu machen, wenn es um Artikel geht, die entweder so- wieso kostenfrei online zu finden sind oder durch den Hinweis im Internet eine laengere Halbwertszeit erhalten? Statt dem alten Begriff der Urheberschaft als >geistigem Eigentum< nachzuhaengen, koennte man mal versuchen, die Synergie- effekte des Internet zu verstehen, denn jede zusaetzliche Sei- te, die den eigenen Artikel erwaehnt oder verlinkt, ist ein Ge- winn und steigert den Zugriff, weil das World Wide Web als Schneeballsystem wirkt und keine Sackgasse ist.
20 Kommentare zu
(Vielleicht "tote" Geschäfte mit "sehr Toten".) Selbst die Medizin kennt mehrere Möglichkeiten den "Tod" zu diagnostizieren. Unter anderem fragt man denjenigen einfach mal.
@Krystian: Die Krise der Tageszeitungen ist noch älter als Perlentaucher, oder? Fast genauso alt ist die der Musikbranche. Die Frage ist, warum alle glauben, mit der Zementierung eines den Gegebenheiten nicht mehr angepassten Begriffs- und Gesetzesinstrumentariums, mit dem sie in die Kriese geraten sind, aus der Krise heraus zu kommen?
Ich werde heut mittag nochmal foucault lesen. Vielleicht hatte ich es doch noch nicht richtig verstanden. aber ich wollte auch erst noch Lord of the Rings zu Ende lesen. Ein Dilemma ;) Viele Gruesse
ich bin mir nicht so ganz sicher, ob Du Dich von mir blöd angemacht fühltest oder nicht, jedenfalls war das nicht meine Absicht.
Ich meinte, dass es ein Menge Leute gibt, die Leute wie Barthes und die anderen zur Selbstinszenierung benutzen und meinen, deshalb ganz vorne mit dabei zu sein, aber dabei nicht merken, dass sie nicht selber denken. Deshalb neigt man dazu, auf Barthes und Foucault usw. keinen Bock zu haben, weil diese Leute ja ständig von denen reden, aber das ist nicht fair, was können B. und F. für ein paar Pseudo-Avantgarde-Idioten?
Ich glaube, Lord of the Rings ist spaßiger für einen Regennachmittag, ich würde also Foucault warten lassen:)
Und danke für das Lob!
Davon aber ganz unanhängig habe ich ein Problem mit der Statuierung des Faktums. Beispielsweise der sog. Synergie-Effekte des Internets. Im Einzelfall, in manchen Mehrzelfällen mag das seine richtige Bewandnis haben. Ganz wenige Fälle sind dafür durchaus heranziehbar.
Im Groben würde ich aber sagen, ist es mit dem Internet nichts anderes als in anderen Medien zu anderen Zeiten auch. Man holt sich nichts im Medium sondern meisterdings mit dem Medium. Die Strukturbetreiber sind die "Gewinner". Und diese arbeiten nicht caritativ - anders vielleicht als früher im Fall der "öffentlichen Bibliotheken". Ich wäre auch sehr dafür, wenn man mit den toten Autoren so umgeht, die (technologischen) Strukturen sofort zu vergesellschaften und die Besitzer zu enteignen. Und auch die Perlenfischer genauso zu enteignen, so nämlich, dass sie selbst als "Autoren" totgestellt sind.
Deshalb kurz zum toten Autor zurück. Natürlich gehe ich davon aus, das ein Begriff wie "Autor" tatsächlich tot sein kann. Für so eine Annahme sprechen durchaus Gründe. Deswegen können die Menschen dahinter auch quicklebendig sein. Das sind zwei verschiedene Ebenen. Ist schon klar - ich kann auch sagen, das Subjekt ist tot ohne dass dann die Welt geradewegs verschwunden ist. Kein Problem. Vielleicht sind auch längst schon die Objekte mindestens ebenso tot und es gibt nur noch irgendwas wie Äther (Macht, Struktur, Idee?).
Was man aber dabei beachten sollte, ist bei aller Aufgabe in jeder Richtung, wer diese "Bewegungen" steuert, vor wessen Schiff man sich spannt (spannen lässt).
Ich könnte ja mal anfangen, Synergie zu testen und die Berliner Gazette per Synergie zu piratisieren (wie es im Anschluss an Serres "Piraten des Wissens" angedacht ist.) Mal sehen, ob der Schneeballeffekt wirkt oder ob er schmilzt.
in umgekehrter Reihenfolge, da ich leider erst jetzt Zeit finde, mich Deinen Kommentaren zu widmen:
Es ist Wochenende, ja.
Das aktuelle Fernsehprogramm findest Du z.B. hier: http://www.tvinfo.de/
Ich wollte nicht andeuten, das komplette Urheberrecht sei überkommen, nutzlos und ersatzlos zu streichen. Ich glaube nur, dass in Zeiten von veränderten Zugriffsmodalitäten (Internet) man über eine Neuregelung nachdenken sollte und nicht versuchen, sich auf den alten, unter anderen Bedingungen gesetzten Spielregeln auszuruhen. Man muss diese Sache, wie Urheber (quicklebendige Leute, unabhängig davon, wie ihr Status als "Autor" theoretisch begründet ist) in Zukunft zu ihrem monetären Recht kommen können, diskutieren und anders angehen.
Dass meistens noch ganz andere als die Urheber selber wirklich verdienen, ist ein Problem, an dem das System unanhängig vom Internet krankt. Das sollte man dann gleich mit überdenken, finde ich auch.
Im Sinne Serres' lohnt es sich wohl kaum, die Berliner Gazette zu piratisieren, denn all unser umfangreiches "Wissen", lassen wir jedem kostenlos zuteil werden. Oder was habe ich da nicht verstanden?
Wegen Foucault und Barhtes: Das ist wahrscheinlich wie mit Kafka den auch immer jeder kennt und citiert. An jeder Stelle!
@ Hufi (ist das ein deutsche Name?) So jetzt trinke ich Kakao. Hier ist ja auch Wochenende, aber ohne TV ;)
der direktor dieses kinos, s. lütgert, schreibt verwegene texte, mini-manifestos zu den meistens screenings: http://piratecinema.org/screenings/
diese texte werden euch gefallen. besonders anregend fand ich einen text anlsslch der berlinale in diesem jahr, bei der rainer werner fassbinders "alexanderplatz" in restaurierter fassung lanciert wurde und das prirate cinema eine netzversion von dieser aufwendig beworbenen kulturnummer anbot.
damit die diskussion nicht an inhalten verliert, kann ich euch gerne einen reader zusammenstellen ; )
an dieser stelle aber schon mal der link zum besagten text (unbedingt lesen, weil auch passend zu dem thread über tote und untote!):
http://piratecinema.org/screenings/20070211