Zum 40. Geburtstag von Felicity Savage

Bibliotheka Phantastika gratuliert Felicity Savage, die heute ihren 40. Geburtstag feiern kann. Die am 14. März 1975 in Columbia, South Carolina, geborene Autorin hat ihre Kindheit und Jugend in Frankreich, Irland und auf den Äußeren Hebriden verbracht und lebt mittlerweile seit etlichen Jahren in Tokyo. Auch ihre Karriere ist ähnlich ungewöhnlich verlaufen: Als mit “Camera Man” ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht wurde (in der Februarausgabe ’94 von Tomorrow Speculative Fiction), war sie noch nicht einmal 19 Jahre alt, und im gleichen Jahr erschienen drei weitere Stories von ihr im renommierten Magazine of Fantasy & Science Fiction. Im darauffolgenden Jahr kam kurz vor ihrem Geburtstag mit Humility Garden ihr erster Roman auf den Markt, der im Herbst 1995 mit Delta City zum Zweiteiler Garden of Salt ergänzt wurde (unter diesem Titel auch als Sammelband (1996)).
Humility Garden und dessen Fortsetzung erzählen von den Abenteuern der gleichnamigen Titelheldin auf einer Welt namens Salt, die es auf der Suche nach ihrem Bruder nach Delta City verschlägt, eine Stadt, die nur aus politischen Intrigen und sexuellen Obsessionen zu bestehen scheint. Es dauert ein bisschen, bis Humility sich eingelebt hat – und ihr klar wird, welche Rolle ihr in der Revolution gegen die seit Jahrhunderten herrschenden Götter zufällt … Mit Garden of Salt hat die damals gerade 20-jährige Felicity Savage thematisches Neuland und ein Terrain betreten, das ein paar Jahre später von Jacqueline Carey und in jüngerer Vergangenheit von N.K. Jemisin weiter erforscht und ausgelotet wurde. Sie war – wenn man so will – ihrer Zeit ein bisschen voraus, und das lässt sich auch über ihre Ever Trilogy sagen.
The War in the Waste von Felicity SavageDenn besagte, mit The War in the Waste (1997) begonnene und mit The Daemon in the Machine und Trickster in the Ashes (beide 1998) fortgesetzte Trilogie lässt sich mit ein bisschen gutem Willen als Vorläufer des New Weird betrachten. Immerhin befindet man sich in The War in the Waste nicht in einer klassischen Fantasy-Welt, sondern in einem Setting, das bereits seine eigene industrielle – oder vielmehr dämonische – Revolution hinter sich hat, denn Fahrzeuge, Flugzeuge und andere Maschinen werden hier von Dämonen angetrieben, mit denen man allerdings auch umzugehen wissen muss. Einer von denen, die davon Ahnung haben, ist die Hauptfigur Crispin, der aufgrund widriger Umstände den Wanderartisten, mit denen er unterwegs ist, den Rücken kehren muss und sich bald mit Rae zusammentut, einem Flüchtling aus dem bekriegten Nachbarreich. Von diesem Krieg werden die beiden herumgeworfen, getrennt und wieder vereint, mit Seltsamkeiten und Vorurteilen konfrontiert und in Intrigen verstrickt – und der Umgang mit den Dämonen hat, wie man vor allem in den Folgebänden feststellen kann, auch seinen Preis. Felicity Savage nahm aber nicht nur mit ihrem ungewöhnlichen Setting einiges vorweg, das im Genre erst später abgefeiert werden sollte, sondern hat auch den passenden Erzählstil: Sie wirft Leser und Leserinnen relativ unvorbereitet mitten in ihre fremdartige Welt, lässt neue Begriffe und Konzepte auf sie einprasseln und lässt die Figuren dadurch sehr authentisch in ihren jeweiligen Milieus agieren.
Nach der Ever Trilogy legte Felicity Savage eine mehrjährige Schaffenspause ein; erst 2011 ist sie mit der Veröffentlichung der Kurzgeschichtenbände Black Wedding and Five More Funerals (Horrorstories) sowie Love in Japan: Coming Clean and Four More Ways of F**king Up (literarische Stories) plötzlich wieder aufgetaucht. Weitere Veröffentlichungen einzelner Stories deuten ebenso auf eine dauerhafte Rückkehr zum Genre hin, wie ihre Pläne, über die sie sich 2013 in einem Interview (in der Märzausgabe des Lightspeed Magazine) folgendermaßen geäußert hat: “I’m working on a fat fantasy trilogy entitled The Godslayer Cycle. Imagine A Song of Ice and Fire … with guns, tanks, high finance, and sovereign debt denominated in holy relics. I believe this is going to be the world’s first fantasy trilogy to feature a credit crisis. It also features an eponymous magical sword, the boy who was born to wield it, an undercover magician in a world where magic is a felony, and a female intelligence operator who continues my tradition of strong women protagonists. Actually it may be a quartet at the rate I’m going. The setting is a fantasy world with 1980s-equivalent technology … and a few major differences.”

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Zum 75. Geburtstag von Daniel Walther

Bibliotheka Phantastika gratuliert Daniel Walther, der heute 75 Jahre alt wird. Auch für den am 10. März 1940 im elsässischen Städtchen Munster geborenen SF- und Phantastik-Autor Daniel Walther gilt, was auf fast alle seine französischsprachigen Kolleginnen und Kollegen zutrifft: Von seinem recht umfangreichen Œuvre wurde nur ein kleiner Teil ins Deutsche übersetzt, und das meiste davon bereits in den 80er Jahren.
Walther hat nach dem Abbruch eines Pharmazie-Studiums Englisch und Deutsch studiert (was mit ein Grund dafür sein dürfte, dass er hervorragend Deutsch spricht) und viele Jahre lang hauptberuflich für eine elsässische Regionalzeitung gearbeitet. Seine ersten SF-Stories erschienen – angefangen mit “Les étrangers” – ab Mitte der 60er Jahre in dem langlebigen französischen SF-Magazin Fiction, und insgesamt hat er in den vergangenen 50 Jahren mehr als 200 längere und kürzere Erzählungen verfasst, von denen gerade mal ein gutes Dutzend auch hierzulande erschienen sind. Was seine vergleichsweise wenigen Romane angeht, sieht das Verhältnis etwas besser aus: von den zwischen 1972 (Mais l’espace … mais le temps …) und 2008 (Morbidezza, inc.) erschienenen ca. 20 Romanen wurden immerhin fünf übersetzt, und die dreibändige Sequenz Le Livre de Swa – sein einziger Mehrteiler – ist der Grund, warum Daniel Walther anlässlich seines heutigen Geburtstags hier überhaupt auftaucht.
Le Destin de Swa von Daniel WaltherDenn Le Livre de Swa (1982), der Auftaktband, der der ganzen Reihe den Titel verleiht, und dessen Folgebände Le Destin de Swa und La Légende de Swa (beide 1983) haben es unter den Titeln Das Gesetz der goldenen Schlange (1985), Der Kristallkrieg und Der Tod der großen Schlange (beide 1986) als Das erste, zweite und dritte Buch von Shai ins Deutsche geschafft und bieten ein zwischen Fantasy und SF pendelndes Post-Doomsday-Setting, wie man es auch aus dem angloamerikanischen Sprachraum kennt.
Hauptfigur der Reihe ist der junge Shai (im Original Swa), der am Anfang von Das Gesetz der goldenen Schlange in der Zitadelle, dem Tempel des Ordens der goldenen Schlange, zum Lehrling geweiht wird. Sein Weg in der Gemeinschaft derer, die altes Wissen bewahren und in einem ständigen Kampf mit den Horden des Draußen liegen, scheint vorgezeichnet – doch Shai hat merkwürdige Träume, in denen ihm einer der Anführer der Draußen lebenden Wesen erscheint, und die sein Unbehagen mit den restriktiven Regeln und Dogmen des Ordens mehr und mehr verstärken. Und schon bald kommt es zu Ereignissen, die Shai eine schicksalhafte Entscheidung treffen lassen und sein Leben von Grund auf verändern. Shais Entscheidung verschafft ihm nicht nur alte und neue Freunde wie Lsi (die ein Knabe sein musste, weil nur Knaben zu Neophyten des Ordens werden können) oder den geheimnisvollen Bärengesicht oder den zwergenhaften Dorn, sondern in Dmitri Vashar auch einen unbarmherzigen Feind – und sie führt ihn auf eine Odyssee quer durch eine bizarre und gelegentlich doch irgendwie vertraut wirkende Welt, auf der so manche Überraschung auf ihn wartet …
Die Bücher von Shai unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von den meisten ähnlich gelagerten Werken angloamerikanischer Provenienz. Da wäre beispielsweise der den Bänden jeweils vorangestellte kurze Prolog, in dem knapp, aber plastisch geschildert wird, warum und wie die Welt sich verändert hat, da wäre die teilweise fast schon atemlos dahingaloppierende Handlung, die dafür sorgt, dass in den drei dünnen Büchern (die deutschen Ausgaben haben jeweils um die 150 Seiten) erstaunlich viel passiert, da wäre eine metaphernreiche Sprache, die sich ganz anders liest als das, was man von Übersetzungen aus dem Englischen gewohnt ist, und da wäre schließlich noch die Tatsache, dass Le Livre de Swa von Daniel Walther als bewusster Gegenentwurf zu Ayn Rands Anthem konzipiert wurde.
Natürlich führt die dahineilende Handlung auch zu einer sparsameren Figurenzeichnung und dazu, dass vor allem in Sachen Hintergrund und Setting Vieles nur angerissen und angedeutet wird. Wer also eine Geschichte braucht, in der alles Der Tod der großen Schlange von Daniel Walther“auserzählt” wird, dürfte mit Walthers Post-Doomsday-Dreiteiler eher nicht glücklich werden. Das Gleiche gilt vermutlich für alle diejenigen, die von Ayn Rands Denkmodellen begeistert sind, denn in Shais Welt hat das Individuum, das nur auf sich selbst konzentriert und fixiert ist, nur begrenzte Möglichkeiten, zu überleben. Im Gegenteil – wenn Shai auf seiner Reise durch eine Welt, deren Achse sich verschoben und deren Geografie sich verändert hat, etwas lernt, dann das, dass er Freunde und Kameradinnen wie Bärengesicht, Dorn und Lsi und noch ein paar andere braucht, und dass es einer Gemeinschaft bedarf, wenn die Dinge sich irgendwann zum Besseren ändern sollen.
Neben Le Livre de Swa (das 2006 in Frankreich noch einmal als Sammelband erschienen ist) hat Daniel Walther mit der aus bislang fünf Erzählungen bestehenden La Saga de Synge et de Brennan noch ein zweites, ähnlich gelagertes Werk geschaffen, das in ferner Zukunft in einem Science-Fantasy-Setting angesiedelt ist. Die ersten vier Erzählungen (von denen drei bereits in den 70er Jahren entstanden sind) erschienen 1984 in dem Band Nocturne sur fond d’épées auch in Buchform; eine um eine ganz aktuelle Geschichte ergänzte zweite Ausgabe kam 2007 unter dem gleichen Titel auf den Markt.
Beim Rest von Daniel Walthers Œuvre handelt es sich einerseits um SF mit mehr oder minder starkem Phantastik-Einschlag, andererseits um reine Phantastik. (Interessanterweise hat er auch mindestens einen “echten” SF-Roman verfasst, der sich eines Post-Doomsday-Settings bedient, und der unter dem Titel Der neue Sonnenstaat (1985; OT: Happy end (1982)) auch hierzulande veröffentlicht wurde.)

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Zum 70. Geburtstag von Elizabeth Moon

Bibliotheka Phantastika gratuliert Elizabeth Moon, die heute 70 Jahre alt wird. Die am 07. März in McAllen, Texas, geborene Susan Elizabeth Norris begann schon in jungen Jahren zu schreiben und verfasste als Teenager ihre ersten SF-Stories. Doch ehe aus diesen Anfängen eine Karriere als Fantasy- und SF-Autorin werden sollte, standen ein Geschichtsstudium, eine mehrjährige Dienstzeit im US Marine Corps, eine Heirat und ein The Deed of Paksenarrion von Elizabeth MoonBiologiestudium auf dem Programm. Im Juli 1986 war es dann aber schließlich soweit: mit “Bargains” erschien ihre erste Kurzgeschichte in der von Marion Zimmer Bradley herausgegebenen Anthologie Sword and Sorceress III. Danach wandte Elizabeth Moon sich zunächst einmal der SF zu und veröffentlichte ein gutes halbes Dutzend Kurzgeschichten in dem der Hard SF zuneigenden Magazin Analog. Überraschenderweise war ihr erstes Romanprojekt dann wieder Fantasy – und dazu so umfangreich, dass The Deed of Paksenarrion in drei Teilen veröffentlicht wurde (denn den gut tausendseitigen Erstling einer bislang eher unbekannten Autorin auf den Markt zu bringen, beinhaltet natürlich gewisse verlegerische Risiken).
Interessanterweise sind die drei Teile trotzdem in sich sehr rund, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass in ihnen jeweils ein anderer Aspekt der Handlung und der Entwicklung ihrer Hauptfigur im Mittelpunkt steht. In Sheepfarmer’s Daughter (1988) lernen wir Paksenarrion Dorthansdotter kennen, die Tochter eines Schafszüchters, der irgendwo unweit der nördlichen Grenze eines mittelalterlichen Königreichs ein armseliges Leben fristet. Seine Tochter Paks – wie Paksenarrion dankenswerterweise zumeist genannt wird –, ein großes, kräftiges und mehr als ein bisschen eigensinniges Mädchen, träumt im Stillen von einem Leben als heldenhafte Kriegerin, von Ruhm und magischen Schwertern und großen Taten. Und als sie erfährt, dass sie den Sohn eines Nachbarn heiraten soll, schnappt sie sich das Schwert ihres Großvaters und läuft davon, um sich einer in der Nähe lagernden Söldnertruppe anzuschließen. Doch das Leben, das sie dort erwartet, hat zunächst wenig mit ihren Träumen gemein. Statt Ruhm und großer Taten gibt es endlose Tage voller erbarmungslosem Drill, und als der überstanden ist, folgen lange, anstrengende Märsche und langwierige Belagerungen. Und Kämpfe, in denen Paks töten muss, um nicht selbst getötet zu werden. Natürlich übersteht Paks das alles – und nicht nur das, sie wächst auch an den Aufgaben, die sich ihr stellen. Aber das muss sie auch, denn die eigentliche Herausforderung wartet erst in Divided Allegiance (1988) und Oath of Gold (1989) – und nachdem sie Herzog Phelans Söldnertruppe verlassen hat – auf sie.
Elizabeth Moons The Deed of Paksenarrion (1992 auch als Sammelband) ist in doppelter Hinsicht ein interessantes Werk. Da wäre zunächst einmal die Welt, die wir durch Paks’ Augen nach und nach kennenlernen, eine Welt, in der es Elfen, Zwerge, Orks und Magie gibt (wobei diese Aspekte allerdings erst ab dem zweiten Band deutlicher zum Tragen kommen) und die dadurch wie eine oft gesehene generische Fantasywelt wirkt. Allerdings spielen in dieser Welt auch der Glaube bzw. die unterschiedlichen Religionen eine wesentliche Rolle, was u.a. mit dazu beiträgt, dass sie sich wesentlich authentischer “mittelalterlich” anfühlt als so manch andere Welt, die sich dieses Settings bedient. Und dann haben wir natürlich noch Paksenarrion Dorthansdotter, die weit mehr als das weibliche Äquivalent der in der Fantasy gelegentlich auftretenden Stallburschen und Küchenjungen ist. Denn auch, wenn sie in gewisser Hinsicht eine “Auserwählte” ist, muss sie sich ihre Entwicklung hart erarbeiten. Ihr, der eher schlichten Schafszüchtertochter aus dem Hinterland des Königreichs, fällt nichts in den Schoß – doch gerade die Tatsache, dass sie sich in kleinen Schritten und unter großen körperlichen und geistigen Anstrengungen weiterentwickelt, macht das, was in den Bänden zwei und drei geschieht bzw. aus ihr wird, umso glaubwürdiger. (Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass besagte kleine Schritte vor allem Paks’ Ausbildung bei den Söldnern zu einem etwas zähen Leseerlebnis machen.)
Mit dem aus den Bänden Surrender None (1990) und Liar’s Oath (1992) bestehenden Zweiteiler The Legacy of Gird (1996 unter diesem Titel auch als SB; auch als A Legacy of Honour (2010)) erzählte Elizabeth Moon zunächst noch eine weitere Geschichte aus der gleichen Welt, und zwar die einer zu Zeiten Paksenarrions nur noch legendären Figur, denn in ihr geht es um Gird, den Schutzpatron der Krieger, dessen Leben nicht unbedingt deckungsgleich zu seiner Legende verlaufen ist. Parallel dazu veröffentlichte sie ihre ersten SF-Romane (die im Gegensatz zu ihren Fantasyromanen zumiOath of Fealty von Elizabeth Moonndest teilweise auch ins Deutsche übersetzt wurden) und blieb der SF anschließend fast zwanzig Jahre lang treu.
2010 ist Elizabeth Moon schließlich mit dem aus den Bänden Oath of Fealty (2010), Kings of the North (2011), Echoes of Betrayal (2012), Limits of Power (2013) und Crown of Renewal (2014) bestehenden Fünfteiler Paladin’s Legacy, dessen erster Band direkt an Oath of Gold bzw. The Deed of Paksenarrion anschließt, wieder nach “Paksworld” und zu Paksenarrion zurückgekehrt, und mit Deeds of Honor (2014) liegen inzwischen auch die zuvor verstreut erschienenen zum Zyklus gehörenden Erzählungen zumindest als E-Book gesammelt vor.

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Zum 35. Geburtstag von Zachary Jernigan

Bibliotheka Phantastika gratuliert Zachary Jernigan, der heute seinen 35. Geburtstag feiert. Damit gehört der am 05. März 1980 in Farmington, Connecticut, USA, geborene Autor in dieser Jubiläenreihe eindeutig zum Nachwuchs, und zwar zur vielversprechenden Sorte, wie er mit seinem Romandebüt No Return (2013) bewiesen hat, dem ersten Teil einer auf der Welt Jeroun angesiedelten Reihe, mit der Jernigan einige interessante Konzepte einführt: Jeroun ist eine düstere, von Konflikten überzogene, ideologisch zersplitterte Welt, auf der die Natur dem Menschen nicht wohlgesonnen ist und sich die Befürworter Gottes mit den Gottes-Ablehnern kloppen, unter anderem in organisierten Straßenschlachten. Denn der zur Debatte stehende Gott, Adrash, ist da, schwebt missvergnügt im Orbit und tätschelt 27 von ihm dort deponierte Objekte, die zusammen (von unten betrachtet) die Konstellation The Needle ergeben, die er jederzeit auf die Welt schleudern No Return von Zachary Jerniganund damit die Zivilisation vernichten könnte. Dort unten versuchen nun verschiedene Menschen die Launen des Gottes und ihre Folgen mal mehr, mal weniger direkt zu beeinflussen: In No Return steht das Schicksal des Glaubenskriegers Vedas im Mittelpunkt, eines formidablen Kämpfers, der seine Ablehnung gegenüber Adrash auf körperlichem Wege ausdrückt und die Anhänger des Gottes vermöbelt. Auf seiner Mission zu einem Turnier als Anti-Gottes-Champion schließen sich ihm ein künstlicher Mensch aus Metall und eine Gladiatorin an, die jeweils eigene Pläne verfolgen, und diese drei schwierigen Personen werden zunächst keine fröhliche, sondern eine sehr schweigsame Reisegruppe. Einen anderen Weg verfolgen die sogenannten outbound mages, die mit Magie und Alchemie in den Orbit fliegen und Adrash direkter zu beeinflussen suchen, allerdings ein von Ränken und Missgunst zerfressener Orden sind.
Man sieht schon, dass Jernigan zu den wenigen Autoren gehört, die der Fantasy klassische SF-Elemente einverleiben, und dass er auch etwas andere Fragen an seinen Figuren abarbeitet als in der üblichen Questen-Geschichte, auch wenn No Return vordergründig als eine solche daherkommt. Vedas’ Geschichte und die seiner Gefährten wird dieses Jahr mit Shower of Stones fortgesetzt – und man darf auch über Jeroun hinaus gespannt sein, was Zachary Jernigan noch aus der Fantasy herausholen wird, denn er ist ein Autor, der sich in die Mitte des Genres begibt und beweist, dass es auch dort noch Interessantes zu entdecken gibt.

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Forumos-Übersetzer empfehlen: Tochter der Schwarzen Stadt

Torsten Fink begleitet mich inzwischen schon seit ein paar Jahren – ich lektoriere ihn seit seinem zweiten Fantasy-Roman und konnte miterleben, wie er vom Jugendbuch langsam zu erwachseneren Stoffen gewandert ist und von Geschichte zu Geschichte mehr zu erzählen hatte. Von seinen eher an ein jüngeres Publikum gerichteten Romanen hat mir Drachensturm am besten gefallen (verkürzt gesagt „Conquistadoren mit Drachen“, falls jemand einen Tipp fürs bisherige Oeuvre möchte).
Mit Tochter der Schwarzen Stadt (ISBN 978-3-442-26980-8), dem zweiten Roman, der meiner Lesart nach voll im Erwachsenenbereich angekommen ist, steigt man relativ spät in eine Welt ein, die vorher bereits in einer noch etwas jugendbuchigeren Trilogie (Prinz der Schatten) und einem Einzelroman (Prinz der Rache) Schauplatz des Geschehens war. Beim „Geschehen“ handelt es sich in diesen lose zusammenhängenden Abenteuer- und Intrigengeschichten um die politische Gesamtsituation am Goldenen Meer, einer zentralen, mehr oder weniger geschützten See, in deren Anrainerstaaten sich sowohl der hanse-artige, militärisch formidable Seebund als auch das orientalische Oramar um Einfluss und Herrschaft streiten. In den vier vorausgehenden Büchern wurde dieses Gefüge bereits schwer erschüttert, aber man kann Tochter der Schwarzen Stadt durchaus einzeln lesen – mit Kenntnis der Vorgeschichte gewinnt die Welt an Tiefe.

Tochter der Schwarzen Stadt von Torsten FinkDie Großereignisse geben aber „nur“ den Hintergrund für eine neue Geschichte einer neuen Figur ab – Alena, eine schlitzohrige Kriminelle, die günstigerweise eine frappierende Ähnlichkeit mit Caisa aufweist, der einzigen Tochter des Herrschers einer strategisch wichtigen Inselnation, Ziel etlicher Attentate und Heiratsanträge. Es folgt ein Doppelgänger- und Intrigenspiel, in dem aus der Straßengöre eine richtige Prinzessin werden muss – und man sich ständig fragt, wer eigentlich mit wem spielt, und ob das Schicksal auch mit von der Partie ist. Denn Alena ist nicht so naiv, wie der Berater des Herzogs sie gerne hätte, und Torsten Fink wirft im Laufe des sich aufschaukelnden Hin und Hers nebenbei auch einen ironischen Blick auf die typische Prinzessinnengeschichte mit dem Warten auf den Märchenprinzen und allem drum und dran.

Man verrät vermutlich nicht zu viel, wenn man eine Warnung für Romantiker ausgibt, denn so läuft’s nicht. Torsten Fink bringt seine Figuren zwar sehr menschlich und warm aufs Papier, aber die Welt des Goldenen Meeres ist ein zynischer, kriegerischer Ort, an dem Geld und Macht alles ist und diejenigen, die beides besitzen, wenn nicht zur Grausamkeit, dann doch zu einer gewissen Sorglosigkeit und auf jeden Fall zu Egoismus neigen.
Es gibt viele Parteien in Tochter der Schwarzen Stadt, und Sympathien sind dünn gesät, so dass das Straßenmädchen am Ende als die integerste Figur dasteht. Und wie schon in den Vorgängern glänzt Torsten Fink durch starke Nebenfiguren (an die man allerdings nicht zwingend sein Herz hängen sollte … denn am Goldenen Meer wird es meistens verlustreich, wenn die Intrigen in Auseinandersetzungen überkochen). Besonders auf einer schroffen Klosterinsel, auf der ein Teil der Handlung stattfindet, spielt sich auf Charakterebene viel ab. Außerdem trifft man alte Bekannte aus den vorausgehenden Romanen wieder, deren Geschichten und Einflussnahme auf die Welt sich vertiefen.

Auch das Worldbuilding rund um Länder und Völker des Goldenen Meeres wird in jedem Roman erweitert. Es ist eine etwas andere Fantasywelt, die sehr authentisch wirkt, ob an Fürstenhöfen oder in Hafenkneipen: Mit ihren oft wirtschaftlich motivierten Konflikten und dem sehr breiten Unterbau wirkt sie meist viel historischer inspiriert als der Genre-Standard. Selbst mit dem Funken Magie, der am Goldenen Meer durchaus existiert, scheint der Stoff wie eine Fantasy, die sehr viel aus für die hiesige Leserschaft vertrauten Motiven zieht, irgendwo zwischen Karl May und Otfried Preußler (was sich alles übrigens auch in der bedachten Wahl von Eigennamen und Bezeichnungen widerspiegelt).
Und wenn die gewitzte Alena diese Bühne betritt, um einiges aufzuwirbeln, kann man sich das durchaus mal anschauen.

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Zum 55. Geburtstag von Jeff Smith

Bibliotheka Phantastika gratuliert Jeff Smith, der heute seinen 55. Geburtstag feiert. Wenn es eine Synthese von klassischem Comic-Erzählen und Fantasy im engeren Sinne gibt, dann findet man sie im Werk des am 27. Februar 1960 in McKees Rocks, Pennsylvania, USA, geborenen Jeff Smith.
Doch nicht nur sein Transfer der Motive der epischen Fantasy – und zwar nicht kurzer Abenteuer, sondern eines langen, epischen Handlungsverlaufs mit einer am Questenmotiv orientierten Struktur – verleihen seinem Hauptwerk Bone (55 Folgen von 1991 bis 2004) eine Sonderstellung: Man könnte in Jeff Smith einen Vorläufer der modernen Webcomic-Künstler und Selfpublisher sehen, denn er brachte sein ambitioniertes Projekt zunächst in Eigenregie heraus – und es verkaufte sich so gut, dass es inzwischen etliche Auflagen (in Farbe, in Sammelbänden, als großer Sammelband) gibt, und natürlich eine Verlagsveröffentlichung.
Bone von Jeff SmithWorum geht es nun bei Bone, und was macht den Comic inhaltlich so besonders? Es gibt das Böse in Form des Herrn der Heuschrecken, der über ein friedliches, leicht mittelalterlich angehauchtes Tal herfällt, es gibt Thorn, die ausersehene Heldin, die ihn vielleicht zurückschlagen könnte, es gibt Drachen, aufmüpfige Insekten, Prophezeiungen und ein Heer von dunklen (aber auch sehr lustigen) Schergen – den Rattenmonstern. Und es gibt die Bone-Brüder, drei knubbelige, weiße Gestalten, die auch aus einem Zeitungscartoon stammen könnten, und die es nach einem kriminellen Fehlschlag des gerissenen Bruders in das doch nicht ganz so friedliche Tal verschlägt. Die Bones sind trotz ihrer Verfremdung (alle anderen Figuren sind realistischer gehaltene Menschen oder … Drachen oder Rattenmonster) Typen wie du und ich, die sich in einer fantastischen Welt wiederfinden (und sie dann auch gehörig aufmischen), und zu den drei unterschiedlichen Brüdern, dem Moby-Dick-süchtigen Fone Bone, dem nicht ganz hellen Smiley Bone und dem mit verbrecherischer Ader ausgestatteten Phoney Bone, kann man schnell eine Verbindung herstellen. Der Abenteuer-Geschichte fehlt es nicht an herzerwärmenden Momenten, skurrilen Nebenfiguren und -handlungen und Humor, und sie schafft es wie kaum ein anderer Comic, die Themen der epischen Fantasy mit viel Verständnis für ihre Wirkweise und sanfter Ironie zu transportieren.
Bone gibt es auch auf Deutsch in Einzel- und Sammelausgaben (ab 1994), genauso die beiden Add-ons Stupid, Stupid Rat-Tails (1998, dt. Bone: Legenden (2011)) und Rose (2000-2002, dt. Rose (2011)).
Nach Bone hat sich Smith mit einem selbst herausgebrachten SF-Comic dem Wissenschaftler Rasl (2008-2012) zugewandt und ist mit dem als Webcomic erscheinenden Tüki (ab 2013) in die prähistorische Welt abgetaucht, womit er weiter auf dem Genre-Gebiet bleibt, das er sich mit Bone so perfekt erschlossen hat.

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Zum 50. Geburtstag von Liz Williams

Bibliotheka Phantastika gratuliert Liz Williams, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Mit ihren bis auf eine Ausnahme stets als Einzelromanen erschienenen Geschichten, die meist schwer einzuordnen irgendwo zwischen SF, Fantasy und New Weird schillern, ist die am 26. Februar 1965 in Gloucester, Gloucestershire, England, UK, geborene Elizabeth Helen Laura Williams eine Autorin, die seit 15 Jahren interessante Beiträge zum Genre liefert, aber für die meisten Leser und Leserinnen – hierzulande auch mangels Übersetzung – unter dem Radar fliegt.
Ihr Debut The Ghost Sister (2001) deutet an, wohin die Reise geht, wenn man einen ihrer Romane zur Hand nimmt: Er konzentriert sich auf Mevennen, die auf ihrem Planeten zum Ausschussmaterial gehört, denn auf Monde D’Isle lebt man völlig im Einklang mit dem natürlichen Lauf der Dinge, und da müssen die Schwächsten eben dran glauben. Dass es noch etwas anderes gibt als Instinkte und völliges Verlassen auf den Rhythmus des Lebens, muss Mevennen erst erfahren.
The Poison Master von Liz WilliamsIn The Poison Master (2003) greift Williams dann konzeptmäßig in die Vollen: Dort hat Alivet Dee (Nachfahrin von John Dee, der ebenfalls eine wichtige Rolle in diesem Roman spielt) nur ein Ziel: Auf ihrem sumpfigen Heimatplaneten ihre Schwester aus der Sklaverei bei den mysteriösen, grausamen Aliens zu befreien, die nur als die Night Lords bekannt sind. Die Reisen auf andere Welten, während derer sie die Hilfe eines Meisters der Gifte gewinnen kann, um ihre Feinde ein für allemal aus dem Weg zu räumen, zeigen ein Universum, das von alchemischen und kabbalistischen Prinzipien bestimmt wird.
Nine Layers of the Sky (2003) basiert auf den Erfahrungen, die Williams bei einem Aufenthalt in Kasachstan gesammelt hat, und greift auf die Mythologie Russlands und Zentralasiens zurück, um diese im Stil der Urban Fantasy mit dem Leben in den modernen ehemaligen Sowjet-Staaten zu verbinden, während es die Reise der Ex-Weltraumforscherin Elena nach Samarkand beschreibt.
Der Ansatz muss für Williams gut funktioniert haben, denn ihr bisher zugänglichstes und (vielleicht auch wegen der hübschen Original-Cover) am stärksten wahrgenommenes Werk, die Romane um Precious Dragon von Liz WilliamsDetective Inspector Chen, funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, nur noch etwas weiter im Osten, wo sie, beginnend mit Snake Agent (2005), die Abenteuer der bei der Polizei von Singapur 3 für die übernatürlichen Fälle zuständigen Titelfigur erzählen, und die seines unfreiwilligen Partners Zhu Irz, eines Dämons direkt aus der chinesischen Hölle. Den richtigen Durchbruch scheint das Liz Williams aber auch nicht gebracht zu haben, denn nach drei weiteren Bänden (The Demon and the City (2006), Precious Dragon (2007) und The Shadow Pavillion (2009)) kam es zum Wechsel zu einem kleineren Verlag, und den abschließenden Band Morningstar hat sie (nach The Iron Khan (2010)) offenbar letzten Herbst in Eigenregie für die Fans zu Ende gebracht.
Mit ihrer jüngsten Verlagspublikation Worldsoul (2012) blieb sie ihren Themen treu – Alchemie und Kabbala spielen auch im Multiversum eine große Rolle, durch das sich Mercy bewegt: Sie ist Bibliothekarin in einer Stadt, in der verschiedenste Welten aufeinandertreffen, und schnappt sich zur Arbeit in den gefährlichen Archiven morgens erstmal die passende Waffe.
Angesichts von Liz Williams’ Karriere bestätigt sich wohl, dass extravagante Themen und Ansätze, die weniger in der physischen als in der metaphysischen Welt verankert sind, und Settings abseits vom Mainstream nicht unbedingt das Erfolgsrezept für den Buchmarkt darstellen. Es lohnt sich aber, sich die älteren Titel dieser spannenden Autorin anzuschauen, wenn man für ideenbasierte Genre-Grenzgänger etwas übrig hat, und man kann hoffen, dass sie der Phanastik zumindest als Selfpublisherin erhalten bleibt.

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Zum 85. Geburtstag von Ardath Mayhar

Bibliotheka Phantastika erinnert an Ardath Mayhar, die heute 85 Jahre alt geworden wäre. Geschrieben hat die am 20. Februar 1930 in Timpson, Texas, geborene Ardath Frances Hurst schon als Teenager (und im Alter von 19 Jahren ihre ersten Gedichte veröffentlicht), doch so richtig in Gang gekommen ist ihre Autorenkarriere erst, als sie sich Mitte der 70er Jahre (und nun unter dem Familiennamen ihres Mannes) der SF und Fantasy bzw. ganz allgemein der Belletristik zuwandte. Den Anfang machte die später in den zweiten Band der vierteiligen Fantasysequenz Tales of the Triple Moons eingearbeitete Kurzgeschichte “The Cat with the Sapphire Eyes” (1974 in Weirdbook Eight), auf die noch viele weitere folgen sollten, so dass Ardath Mayhars Bibliographie zum Zeitpunkt ihres Todes am 01. Februar 2012 mehr als 200 längere und kürzere Geschichten ausweist. Hinzu kommen rund 60 Romane quer durch (fast) alle Genres, von SF und Fantasy über historische Romane, Jugendbücher und prähistorische Abenteuerromane bis hin zu Western (die sie unter Pseudonymen wie John Killdeer, Frank Cannon oder Frances Hurst verfasst hat).
The Seekers of Shar-Nuhn von Ardath MayharMayhars frühe Romane lassen sich fast ausschließlich der Fantasy zurechnen; ihr Erstling How the Gods Wove in Kyrannon (1979) bildete den Auftakt der bereits erwähnten Tales of the Triple Moons, die mit The Seekers of Shar-Nuhn (1980), Warlock’s Gift (1982), und Lords of the Triple Moons (1983) weitergeführt wurden. Die vier nur locker durch den Hintergrund miteinander verbundenen Bände orientieren sich thematisch und inhaltlich mehr an klassischer Abenteuerliteratur als an der damals noch vorherrschenden Sword & Sorcery oder den gerade aufkommenden, mehr oder weniger tolkienesken Questen. Im ersten geht es darum, einen tyrannischen Herrscher zu stürzen (wobei diejenigen, die dabei eine wichtige Rolle spielen, sich zunächst einmal von einer vernichtenden Niederlage erholen müssen), im dritten muss sich ein Prinz sein Geburtsrecht zurückholen, was bedeutet, sich mit einem üblen Zauberer und Usurpator auseinandersetzen zu müssen, und auch im vierten ist der Feind ein despotischer Tyrann und Usurpator. Der zweite Band The Seekers of Shar-Nuhn fällt ein bisschen aus dem Rahmen (und ist vermutlich deswegen auch der interessanteste), denn in diesem Episodenroman geht es um Klah-Noh, einen “Seeker After Secrets” (oder modern: Detektiv) und seinen Assistenten Si-Lun, die mit immer neuen Rätseln und Geheimnissen konfrontiert werden. Nicht ganz unproblematisch an der Sache ist, dass jedes ungelöste Rätsel und jedes unaufgedeckte Geheimnis Klah-Noh grundsätzlich furchtbar nervös macht – und Si-Lun ein paar sehr persönliche Geheimnisse hat … Die Episoden leben nicht zuletzt von der Interaktion der beiden Hauptfiguren, und auch die Welt, auf der die gesamte Sequenz spielt – eine Welt, die eher an eine postapokalyptische Welt mit Fantasy-Elementen als an ein Fantasy-Standardsetting erinnert – gewinnt spürbar an Konturen.
Mal abgesehen von The Seekers of Shar-Nuhn wirken Ardath Mayhars Fantasyromane – und das gilt nicht nur für die anderen Bände der Tales, sondern auch für den etwa zeitgleich erschienenen Tyrnos-Zweiteiler (Soul-Singer of Tyrnos (1981) und Runes of the Lyre (1982)) oder spätere Titel wie Makra Choria (1987) oder The Exiles of Damaria (2009) – immer ein bisschen wie Jugendbücher, auch wenn sie nicht als solche konzipiert wurden bzw. in einem Jugendbuchverlag erschienen sind. Das hat einerseits vermutlich mit der inhaltlichen Ausrichtung am klassischen Abenteuerroman zu tun, dürfte aber andererseits vor allem auf die moralische Integrität ihrer Heldenfiguren zurückzuführen sein. Und natürlich darauf, dass sich meist junge Menschen ihren Platz im Leben erkämpfen und an dieser Aufgabe wachsen müssen. Ardath Mayhars häufig vermittelte Botschaft, dass Menschen mehr erreichen, wenn sie miteinander statt gegeneinander arbeiten (die z.B. auch in ihrem Post-Doomsday-Roman The World Ends in Hickory Hollow (1985) zu finden ist), mag heutzutage ein bisschen angestaubt wirken – was nicht heißt, dass die Idee als solche nicht bedenkenswert wäre.
Eine Sonderstellung unter ihren Fantasyromanen nimmt auch The Saga of Grittel Sundotha (1985) ein; Ardath Mayhar selbst sagt über die Titelheldin des (aus der in Amazons II veröffentlichten Geschichte “Who Courts a Reluctant Maiden” hervorgegangenen) Romans: “Grittel Sundotha is A. Mayhar, if I had been seven feet instead of five feet two”, und lässt die nicht nur überdurchschnittlich große, sondern auch entsprechend kräftige Grittel Abenteuer in bester Sword-&-Sorcery-Manier erleben.
Golden Dream von Ardath MayharArdath Mayhars vielleicht bekanntester Roman dürfte Golden Dream: A Fuzzy Odyssey (1982) sein, ein SF-Roman und Teil eines Versuchs, aus den von H. Beam Piper erfundenen “Fuzzies” ein Franchise zu machen (ein Versuch, den man mit dem von John Scalzi unter dem Titel Fuzzy Nation (2011) verfassten “Reboot” der originalen Fuzzy-Reihe übrigens kürzlich ein weiteres Mal unternommen hat). In der ersten Hälfte von Golden Dream verleiht sie den Fuzzies (oder Gashta, wie sie sich selbst nennen), aus denen Michael Whelan vermutlich die cutest aliens ever gemacht hat, deutlich mehr Konturen als je zuvor, gibt ihnen eine eigene Sprache und soziale und familiäre Strukturen, und bettet das Ganze in eine abenteuerliche Handlung, bei der es um nichts weniger als das Überleben der Fuzzies geht. Denn diese sind die Nachkommen von vor mehreren Generationen gestrandeten Raumfahrern und haben alle Mühe, auf der für sie fremden Welt Zarathustra zu überleben. In der zweiten Hälfte geht es dann um den ersten Kontakt mit den “Hagga”, den Menschen – was bedeutet, dass in ihr der erste Fuzzy-Roman H. Beam Pipers (dieses Mal eben aus Sicht der Fuzzies) nacherzählt wird. Man sollte sich übrigens von Michael Whelans putzigem Cover (das hier in voller Größe und ohne störende Typographie zu bewundern ist) nicht täuschen lassen. Paradiesisch geht es im Tal der Fuzzies wahrlich nicht zu, ganz im Gegenteil …
Ardath Mayhar war gewiss keine “große” Autorin, die der Fantasy oder der SF wesentliche Impulse verliehen oder unsterbliche Werke hinterlassen hat; dessen ungeachtet eignen sich ihre Romane nicht zuletzt aufgrund ihrer klaren moralischen Standpunkte als Einstiegslektüre für jugendliche Leser und Leserinnen. Darüberhinaus war sie ein wichtiger Bestandteil der texanischen SF- und Fantasy-Community und wurde von ihren Kollegen und Kolleginnen in der SFWA als Author Emeritus geehrt. Und die Einleitung zu ihrer 1994 erschienenen ersten Kurzgeschichtensammlung Mean Little Old Lady at Work: The Selected Works of Ardath Mayhar (1994) hat kein Geringerer als ihr berühmter texanischer Kollege Joe R. Lansdale verfasst.
Auf Deutsch sind von Ardath Mayhar nur drei Romane erschienen; der Battletech-Roman Das Schwert und der Dolch (1990; OT: The Sword and the Dagger (1987)) zeigt dabei deutlich, dass Military SF nicht unbedingt zu ihren Stärken zu zählen ist (aber den Roman hat sie auch nur geschrieben, weil Margaret Weis & Tracy Hickman plötzlich einen lukrativeren Auftrag in der Tasche hatten und man bei FASA jemanden brauchte, der schnell einspringen konnte). Bei Der Windtänzer (1998; OT: People of the Mesa (1992)) und Der Traumhüter (2001; OT: Island in the Lake (1993)) handelt es sich um die ersten beiden Romane einer im Original Lost Tribes übertitelten vierbändigen Sequenz, in deren Mittelpunkt prähistorische Indianerstämme stehen. Hinzu kommen eine Handvoll Kurzgeschichten, darunter auch die bereits erwähnte um Grittel Sundotha, die als “Der Widerspenstigen Rache” in der Anthologie Neue Amazonen-Geschichten (1983) enthalten ist.

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Neu rezensiert: The Stuff of Legend (Sammelrezension)

The Stuff of Legend Omnibus OneEin Junge schläft friedlich zu Hause inmitten seiner Spielsachen, während sein Vater weit entfernt in Europa im Zweiten Weltkrieg kämpft. Doch etwas Finsteres greift aus seinem Schrank und entführt ihn in die Dunkelheit. Als alles wieder ruhig ist, kommen die Spielsachen des Jungen zusammen, und der tapfere Colonel entscheidet, dass es eine Rettungsmission geben muss. Nur die wenigsten Spielsachen sind bereit, dem Spielzeugsoldaten in die unbekannte Dunkelheit im Schrank zu folgen …

Zur ganzen Rezension bitte hier entlang.

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Sparflamme

Aufmerksame Leser haben es vermutlich bereits gemerkt – Bibliotheka Phantastika läuft zur Zeit auf Sparflamme.
Beginnen wir mit der schlechten Nachricht: Das wird zunächst wohl auch so bleiben.
Geschmäcker und Interessenlagen verschieben sich, Leute verschwinden ins Arbeitsleben und haben schlicht weniger Zeit, außerdem geht der Trend ganz offensichtlich zum eigenen Blog (witzigerweise übrigens gegenläufig zur anglophonen Blogosphäre, wo große Portale wie tor.com oder io9 sich reihenweise Blogger einverleiben). Und wir leben in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit des Einzelnen aus allen Richtungen von allen erdenklichen Zerstreuungen beansprucht wird, wobei Bücher nicht selten den Kürzeren ziehen.
Das alles hat dazu geführt, dass wir Forumos und BP nicht mehr wie ehemals zu zehnt betreiben, sondern nur noch als Zweiergespann, und keiner von uns ist Schüler oder Student. ;)

Angesichts dieser Entwicklung stellt sich nach über zwölf Jahren BP durchaus die Frage, ob man die Seite nicht langsam mal einmotten sollte. Sie ist nie im klassischen Web-2.0-Stil „social“ geworden, unsere Texte stehen unter allgemeinem tl;dr-Verdacht, Rezensionen gibt’s im Dutzend billiger, und ne müde Mark hat sie eh nie abgeworfen (im Gegenteil, das Ganze hat monatliche Kosten), weil wir uns nie professionalisiert haben.

Andererseits ist die BP – die ihren Namen nicht nur wegen des kultivierten Klanges trägt – tatsächlich eine Bibliothek. Im Real Life verschwinden Bücher inzwischen nach ein, zwei, drei Monaten aus der Wahrnehmung, bei uns ist Altes und Neues gleich viele Klicks entfernt. So eine Bibliothek kann Staub und Spinnweben ansetzen, und es ist vielleicht mal nicht viel los, aber man kann immer noch reingehen, den Staub runterpusten und Bücher entdecken. Und darum ging es bei BP letzten Endes immer, um das Entdecken von Büchern und Geschichten.
Wie ordentliche Entdecker sind wir frei. Man hätte aus BP wahrscheinlich schon vor Jahren einen Fulltime-Job machen können, aber es ist ein Hobby-Projekt, und das heißt: Wir müssen nicht! Trendthemen, Besucherzahlen, bestimmte Frequenzen, das alles ist für uns kein Zwang.
Deswegen können wir jetzt auch ausprobieren, ob und wie es weitergehen soll und kann.

Wenn die Sterne richtig stehen ...Grundsätzlich wollen wir immer noch Geschichten entdecken oder wiederentdecken, und da könnt ihr auch mit auf die Reise. Entweder wie gehabt als unsere Leser und Leserinnen – aber wer gerne dazu beitragen möchte, dass es mit BP weitergeht, möchte uns vielleicht auch direkt unterstützen: Wir würden gerne mehr Rezensionen bringen, auch von euch – geteilte Entdeckungen sind die schönsten Entdeckungen! Und euer Feedback ist uns wie immer willkommen, wenn wir dann in Zukunft neue Wege beschreiten.
Es wird wahrscheinlich anders als bisher, persönlicher, thematisch fokussierter, bestimmt anfangs auch holpriger und zunächst einmal etwas ruhiger, denn wir müssen uns nach dem Mitarbeiterschwund erstmal neu sortieren und haben es jenseits von BP beruflich mit unserem jeweiligen Problem-Autor zu tun.
Deswegen: Habt noch ein bisschen Geduld mit uns.
Denn das ist die gute Nachricht: Es wird nicht immer so bleiben.

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