Platten_Fisher - Uppers & Downers

Amerikanische Märchen

Manche Bands haben eine Legende im Gepäck, die ihre trocken zu lesende Geschichte beinahe zur Mythologie macht. Meist sind es Amerikaner, die ja besonders gut übertreiben.    02.10.2004

Sagen Mythologisierungen der persönlichen oder Band-Geschichte etwas über die Musik der Künstler aus oder darüber, daß Amerikaner aus San Diego einfach keinen Musikgeschmack haben? Jedenfalls trug es sich im Jahre 2000 zu, daß ein bis dato unbekanntes amerikanisches Duo, bestehend aus Kathy Fisher und Ron Wassermann, den Verkehr in San Diego zum Erliegen gebracht haben soll, als ein Sender seine Ballade "I Will Love You" spielte. Autofahrer fuhren angeblich (ganz artig!) rechts ran und suchten ihre Handys, um herauszufinden, von wem das Lied denn stamme. Es folgten Artikel, darunter auch im "Time Magazine" - nicht schlecht für eine Band, die damals noch nicht einmal ein Label im Rücken hatte.

Aber das änderte sich natürlich nach dem Medien-Hype. Wir jedoch bekommen das aktuelle Werk von Fisher in Europa nur deswegen zu hören, weil die engagierten Leute bei Über die Platte aus den Staaten importieren. "I Will Love You" ist zwar auf der aktuellen Werkschau nicht enthalten, doch auf der Fisher-Website kann man sich von der schrecklichen Mittelmäßigkeit des "legendären" Songs überzeugen. Wer trotzdem darauf abfährt, saugt sich die Noten dazu als PDF-Datei aus dem Netz - ein vorbildliches Service der Band, für das sie gelobt sei.

Zurück zur neuen Platte, bei der die Devise "nur nichts zu billig geben" heißt. Daher wird auch gleich eine Doppel-CD namens "Uppers & Downers" angeliefert, wobei der Name - was sonst? - Programm ist. CD eins umfaßt die eher fröhlich gestimmten Uptempo-Songs, die zweite Scheibe "Downers" die langsameren, getrageneren Nummern, die dunkle Melancholie versprühen und balladesk und getragen sind.

Leider haben wir in Europa eine Unsitte: Wir mögen geheimnisvolle Sachen nicht besonders und versuchen alles rationell zu hinterfragen. Erfolgreich brachten wir etwa Licht in die griechische Mythologie, und als solche Meister des Entmystifizierens werden wir wohl keine Probleme mit Musik haben. Im Gegensatz zu den Amis machen wir uns überhaupt nix vor, solange es nicht um irgendwelche Starmaniacs geht. Und wirklich - es braucht nicht einmal einen kompletten Durchlauf der CD, bis wir erkennen: Fishers Musik ist teilweise recht guter Durchschnitt, nur könnte sie ohne Kathy Fishers höchst anspruchsvollen Gesang überhaupt nicht existieren. Ihre Stimme erinnert abwechselnd an Sheryl Crow und Alanis Morissette. Auch musikalisch ist Fisher von den beiden Damen nicht weit entfernt. Wer die genannten Musikerinnen also mag, ist mit dem Kauf von "Uppers & Downers" auf jeden Fall gut beraten; Fisher machen ihre Sache auch nicht schlechter, und das auf gleich zwei CDs.

Nur: Weniger wäre auch hier mehr gewesen. Hätte man die Hälfte der Songs auf beiden Silberlingen weggelassen, würden wir hier in Europa jubeln, was das nicht für ein geniales Album sei! So sind wir aber leicht verstimmt, wenn langweilige Nummern versuchen, Highlights wie "Dirty Girl" oder "Dream On" auf "Uppers" oder einige der wunderschönen Klavierballaden auf "Downers" zuzuschütten.

Milan Knezevic

Fisher - Uppers & Downers

ØØØ


Rawfish Records/Import-CD

(USA/2004)

 

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