Platten_VAST - Nude

Wüsten-Nackedei

Multi-Instrumentalist Jon Crosby lieferte 1998 eines der besten Alben des verwichenen Jahrzehnts ab. Ob er die hohen Ansprüche auch mit seinem neuen Werk befriedigen kann?    21.10.2004

Was hat er uns bereits begeistert, der junge Herr Crosby! Mit "Visual Audio Sensory Theater" schuf der Kerl als VAST im Alleingang eine Platte, die das letzte Jahrtausend angenehm ausklingen ließ: massentauglicher und bombastischer Industrial-Metal mit Mönchs-Chören, Streichern sowie brillanten Samples traf auf akustische Gitarren und seine emotionale Stimme. Nur Sänger in ganz argen Gothic-Bands leiden schlimmer als das kleine amerikanische Genie. Und mit "Pretty When You Cry" gelang Crosby überdies ein Wahnsinns-Song, dessen genial einfache Musik den gelungenen Text noch mehr in Szene setzte. Außerdem borgte sich Buffy-Erfinder Joss Whedon einen Song für die TV-Serie "Angel" aus - so stand dem Höhenflug von VAST nichts mehr im Wege.

Leider schien Crosby damals mit seinem Debüt sämtliche Ideen aufgebraucht zu haben: Nur wenige Stücke vom folgenden "Music For People" zeigten das große Talent des Musikers. Der Rest der Platte, großteils im Alternative-Rock-Bereich angesiedelt, erhob sich bestenfalls in Durchschnittsgefilde.

Doch nun liegt CD Nummer drei vor. Geschaffen wurde "Nude" nach einer Katharsis des Künstlers, der Band und Manager feuerte, aus Los Angeles abhaute und in der Wüste von New Mexico wieder zu sich fand. Dementsprechend trocken ist streckenweise auch sein neues Album - auch wenn es da einmal rockt und dort ein andermal verträumt zwinkert. Immerhin bewahrte sich Crosby auf "Nude" die Eigenheit, (selbst)zerstörerische Tiefgründigkeit zu offenbaren; dennoch scheint es, als würde entweder der letzte Schliff fehlen, der den zwölf neuen Stücken eine persönliche Note verleiht, oder als hätte man - ganz im Gegenteil - zuviel an der Platte herumgewerkelt. Das Potential der rauhen Schönheit, das beim Debütalbum noch funkelte, kann man zwar auf "Nude" noch erkennen, aber nur, wenn man genau hinhört.

So muß man lange suchen, um Schmuckstücke in der Wüste zu finden - wie etwa die einprägsamen Stimmen, die sich im Gehirn festsetzen und nicht mehr wegzubekommen sind.

Milan Knezevic