Games_Ninety-Nine Nights

Massenschlacht im Märchenland

Einst lebten Orks, Trolle und das restliche Fantasy-Gesindel in Frieden miteinander. Doch damit ist es endlich vorbei - sonst hätten Konsolenspieler wohl gar nichts mehr zu tun.    12.09.2006

2004 machte ein kleines Entwicklerstudio aus Korea mit einem exklusiv für die Xbox entwickelten Titel auf sich aufmerksam. Der Name des Studios war Phantagram, der Titel des Spiels lautete "Kingdom Under Fire: Crusaders". Das Echtzeit-Strategical bahnte sich sehr schnell seinen Weg in die Herzen von Konsolenspielern aus aller Welt und gilt - mitsamt der ein Jahr später erschienenen Fortsetzung - noch immer als Geheimtip.

Im Jahr 2005, also nur ein Jahr nach diesem erfolgreichen Titel, startete Phantagram ein gemeinsames Projekt mit dem jungen japanischen Entwicklerstudio Q Entertainment, dessen Gründer kein geringerer als Tetsuya Mizuguchi ist. Zwar wird der durchschnittliche Spieler mit diesem Namen wohl herzlich wenig anfangen können, dafür aber umso mehr mit den von ihm entwickelten Spielen: Mizuguchi zeichnet unter anderem für Titel wie "Space Channel 5", "Rez", "Sega Rallye Championship" und "Lumines" verantwortlich. Die Frucht dieser Zusammenarbeit ist vor kurzem auch bei uns im Handel erschienen und lautet auf den Namen "Ninety-Nine Nights (N3)". Offensichtlich wollte Microsoft mit Hilfe der beiden asiatischen Entwicklerhelden auch im heiß umkämpften japanischen Markt, wo die Xbox 360 noch immer hinter den erwarteten Verkaufszahlen hinterherhinkt, Fuß fassen.

 

Zum Hintergrund des Spiels: Einst lebten alle Völker der Welt friedlich nebeneinander. Orks, Goblins, Trolle, Menschen und Elfen entzweite kein Argwohn, die verschiedenen Kulturen blühten auf, und die Welt erlebte eine Ära der Einheit. Sichergestellt wurde dieser Zustand der Glückseligkeit durch die magische Kraft einer Kugel, die Gegensätze miteinander verband und somit alles eins werden ließ. Doch eines Tages zerbarst der magische Behälter unter mysteriösen Umständen, und die große Trennung begann. Plötzlich wurden die Bewohner ihrer Unterschiede gewahr, worauf sich Argwohn in ihren Köpfen einnistete. Nun regiert Mißtrauen die Welt; jeder sieht im anderen einen Feind, den es unter allen Umständen zu bekämpfen gilt.

Mitten in diesen Konflikt wird der Spieler ohne jede Vorwarnung gestürzt. Anfänglich wird ihm nur mitgeteilt, wo sich die "Bösen" aufhalten und daß sie vernichtet werden müssen. Nach und nach erfährt man jedoch immer mehr über die Gründe hinter dem namenlosen Krieg. Langsam kristallisiert sich heraus, daß "gut" nicht gleich gut ist und die Grenzen zwischen Licht und Schatten bei weitem nicht so genau gezogen sind, wie uns vorgegaukelt wird.

Erzählt wird die Geschichte mit Hilfe insgesamt sieben spielbarer Charaktere, die - einmal freigeschaltet - jeder für sich eine andere Perspektive der Geschehnisse anbieten. Spielerisch erinnert "N3" an eine Mischung aus "Dynasty Warriors" und "Kingdom Under Fire". Das soll heißen, daß die Entwickler versucht haben, die besten Elemente aus jedem dieser Spiele zu nehmen und sie in ihr Werk zu integrieren. Herausgekommen ist dabei leider nur ein Hack´n´Slash-Game ohne sonderliche taktische Tiefe.

Mußte der Spieler in "Kingdom" noch seine Einheiten strategisch klug positionieren und leiten, so sind die den jeweiligen Protagonisten begleitenden Truppen diesmal wohl mehr symbolisch zu sehen - einen unterstützenden Charakter kann man ihnen wahrlich nicht unterstellen. In den zahlreichen Kämpfen verhalten sie sich mehr wie tumbe Strohpuppen, die einem nur die Luft zum Atmen nehmen. Aber das ist nicht weiter schlimm, da jede einzelne Schlacht auch ohne Begleitung durch Infanterie oder Bogenschützen gewonnen werden kann.

Jeder Held hat einen ganz eigenen Kampfstil und ist derart stark und mächtig, daß er eine beliebige Armee innerhalb weniger Minuten vernichten kann. Nur die jeweiligen Anführer stellen ein gewisses Problem dar, weil ihnen durch reines Button-Smashing nicht beizukommen ist. Hier gilt es, die Schwäche des Gegners ausfindig zu machen und gnadenlos auszunützen. So muß beispielsweise Dingvatt, der König der Orks, erst einmal in die Luft geschleudert werden, bevor man ihn verletzen kann. Solange er festen Boden unter den Füßen hat, blockt er nämlich wie ein Weltmeister. Ein gigantischer Froschkönig wiederum ist nur dann verwundbar, wenn man in seinen Rücken gerät und ihn sozusagen hinterrücks überwältigt.

 

Was sich in diesen Zeilen relativ einfach liest, erweist sich in der Praxis als weitaus schwieriger, da jeder gegnerische Feldherr von unzähligen Truppen flankiert wird, die - im Gegensatz zur eigenen Begleitung - durchaus in der Lage sind, zu kämpfen. Dies bedeutet, daß der Spieler von allen Seiten angegriffen wird, während er noch damit beschäftigt ist, die Schwächen des jeweiligen Bosses ausfindig zu machen. Sowas setzt Konsolen-Jockeys natürlich stark unter Druck und ist somit der Atmosphäre des Spiels keineswegs zuträglich.

Allerdings wird - wie schon der Volksmund weiß - nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Dieser Spruch bewahrheitet sich auch in "N3". Im Verlauf einer Schlacht hinterläßt jeder gefallene Gegner eine rote Kugel, die nach dem Aufsammeln eine von zwei Anzeigen auffüllt. Ist der erste Balken voll, entfesselt der Held per Knopfdruck einige mächtige Attacken, mit denen er Dutzende von Feinden innerhalb von Sekunden ins Jenseits schicken kann. Die so liquidierten Gegner hinterlassen wiederum blaue Orbs, die eine zweite Anzeige füllen. Ist diese dann voll, wird der Protagonist zu einem wahren Berserker: Er setzt ungeahnte Kräfte frei und vernichtet in einer Explosion aus Licht alles, was sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Bildschirm befindet. Diese Fähigkeiten erleichtern die Boßkämpfe ungemein, wenn sie richtig eingesetzt werden – da so wenigstens die Schergen problemlos weggeputzt werden.

Apropos gewaltige Lichtexplosionen: "Ninety-Nine Nights" gehört zu den wenigen Spielen, die die volle Graphik-Power der Xbox 360 zu nützen wissen. Das Game beeindruckt nicht nur durch wirklich schöne Render-Sequenzen, sondern auch durch die Vielzahl an Gegnern, die gleichzeitig dargestellt werden, ohne daß die Konsole in die Knie geht. So kann es schon einmal passieren, daß man mit Hilfe der mächtigen blauen Spezialattacke einen Bodycount von 500 bis 600 Feinden erreicht, die alle gleichzeitig zu sehen sind.

Auch Sprachausgabe und Sound sind hervorragend in Szene gesetzt und passen immer zum jeweiligen Charakter bzw. zur gerade aktuellen Situation. Das einzige Manko von "N3" ist die fehlende Möglichkeit zum Zwischenspeichern. Es ist nicht gerade amüsant, nachdem man sich gerade 30 Minuten lang durch gegnerische Monsterhorden hindurchgemetzelt hat, plötzlich beim Endgegner sein Leben auszuhauchen – und den gesamten Level wieder von vorne durchspielen zu müssen.

Abgesehen davon gehört "Ninety-Nine Nights" aber sicher zu den Titeln, die einen Griff ins Kaufregal wert sind.

Dragan Andjelkovic

Ninety-Nine Nights

ØØØØ 1/2


(Q Entertainment/Phantagram/Microsoft)

erhältlich für: Xbox 360

 

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