Games_Prey

Blut & Schmieröl

Der neue Ego-Shooter der Humanhead Studios bietet einen exzellenten Mix aus Barkerschem Horror, viel gestalterischer Phantasie und dem subtilen Grauen eines H. R. Giger.    18.08.2006

Für Tommy ist es ein Abend wie jeder andere. Er hadert wieder einmal mit seinem Schicksal und träumt davon, endlich in die große Stadt zu ziehen, um seinem tristen Dasein im Cherokee-Indianerreservat zu entkommen. Seine Freundin Jen ist das einzige, was ihn noch an der Verwirklichung dieses Traums hindert. Die resolute und äußerst attraktive Rasthausbesitzerin denkt nämlich gar nicht daran, ihren Geburtsort zu verlassen. Sein Großvater ist ihm in dieser Angelegenheit auch keine große Hilfe, da er immer wieder alte Indianerlegenden zum besten gibt und seinem Enkel das alte Erbe näherbringen will.

Tommy versucht trotzdem wieder einmal, seine Freundin vom Weggehen zu überzeugen. Doch auch dieser Abend endet - wie so viele andere - mit einer Abfuhr und einigen gebrochenen Nasen. Ein paar betrunkene Weiße haben sich etwas zu viel herausgenommen, und irgendwo muß man ja Dampf ablassen. Ein ganz normaler Tag in Cherokee-Land also, zumindest für Tommy.

Doch plötzlich gehen Meldungen über eigenartige Lichtphänomene durch alle Sender. Der Himmel verdunkelt sich, und ein großes Zittern erfaßt die Erde. Als ein gleißender Lichtstrahl das Dach des kleinen Rasthauses zerreißt, beginnt der Alptraum. Jen, Tommy und der Opa werden von dem Strahl erfaßt und an Bord eines Raumschiffes von gigantischen Ausmaßen befördert. Wie Vieh werden sie in einem Käftig von einer Alien-Station zur nächsten transportiert. Bald wird allen klar, warum die Außerirdischen Erdbewohner entführen: Das Mutterschiff ist nichts anderes als eine gigantische Erntemaschine für Menschenfleisch. Nach einem Sabotageakt kann sich Tommy aus dem Käfig befreien und macht sich sogleich daran, Jen und seinen Großvater zu suchen.

Der Kampf beginnt.

 

Dies ist der Beginn eines der innovativsten Spiele der letzten Jahre - und das gilt nicht nur für das hervorragende Leveldesign, das mit Hilfe einer aufgebohrten "Doom 3"-Engine Effekte auf den Bildschirm zaubert, die man bisher in kaum einem anderen Spiel zu sehen bekam. Die Entwickler der Humanhead Studios haben sich bei der Gestaltung des Raumschiffs offensichtlich sehr an den Werken des Schweizer Künstlers H. R. Giger ("Alien") orientiert: Man kann als schießender Indianerheld keinen Schritt machen, ohne der Faszination des Abstoßenden zu verfallen. Die Wände bestehen aus einer großartigen Mischung aus offenliegendem Fleisch und kaltem Metall; überall pulsiert biomechanisches Leben; eine eklige Mischung aus Blut, Schweiß, menschlichem Abfall und Schmieröl bedeckt sämtliche Oberflächen. Pumpende Maschinen, schmatzende Laute und das Geschrei gequälter Opfer erfüllen die angstgeschwängerte Luft. Wenn man zu lange vor dem Computer sitzt, beginnt man bei "Prey" sogar verrottendes Fleisch zu riechen.

Auch die unterwegs gefundenen Waffen passen hervorragend ins Gesamtkonzept – sie sind allesamt Amalgame aus organischem und anorganischem Material. So legt sich im Scharfschützenmodus des Sturmgewehrs einfach ein kleiner Greifarm vor das Auge des Protagonisten und geht kurzzeitig eine Symbiose mit ihm ein.

Wer jetzt noch kein mulmiges Gefühl hat, der wird garantiert beim ersten Rätsel übel. In "Prey" ist nichts so, wie es scheint, und alles ist viel gemeiner, als man es sich vorstellt. Die Entwickler verleihen dem berühmten Spruch des Hermes Trismegistos, "Was oben ist, ist auch unten", eine ganz neue Dimension. Nicht genug, daß sie eine grauenerregende Welt, die der Phantasie eines Clive Barker würdig wäre, auf den Bildschirm zaubern - sie verwirren noch dazu ganz meisterhaft den Orientierungssinn des Spielers. Mittels Schaltern in den Levels läßt sich die Schwerkraft ein- und ausschalten, "Wallwalks" erlauben das Gehen an den Wänden und an der Decke, Spiegel werden zu Portalen, die einen immer tiefer ins Innere des gewaltigen Raumschiffs bringen.

Optische Eindrücke, die man ansonsten nur im LSD-Rausch hat, bekommt man hier ohne gesundheitliche Risiken auf dem Silbertablett serviert. Da der Mensch aber nicht nur über den Sehsinn verfügt, engagierten die Entwickler Jeremy Soule ("Oblivion") für eine grauenhaft-gute musikalische Untermalung des Spiels. Und so hält die Spannung auch nach dem x-ten Gegner, den Tommy abschießt, während der mystischen Geisterabschnitte im Indianer-Totenreich und trotz der schwindelerregenden Gravitations-Rätseleien bis zur letzten Minute an.

"Prey" gehört eindeutig zu den Must-have-Titeln dieses Jahres. Man sollte sich diesen ungewöhnlichen Ego-Shooter keinesfalls entgehen lassen - zumal es sich um einen Titel handelt der keine Jugendfreigabe erhalten hat und somit von gewissen Händlern wie z.B. Amazon nicht angeboten wird. So kriegt das gute Stück mit ein bißchen Glück vielleicht auch bald einen Sammlerwert ...

Dragan Andjelkovic

Prey

ØØØØØ


(Humanhead/Take2)

erhältlich für: PC, Xbox 360

 

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