Kolumnen_Breaking the News # 26

Guantanamo ist ein Traum

Weil´s Gutmenschen nicht besser wissen, schlagen sie gerne auf Guantanamo hin. Wir haben uns vor Ort ein Bild über die Verhältnisse auf der Sträflingsinsel gemacht.    19.05.2006

Daß linkslinke Journalisten und Weltverbesserer gern mit dem Finger auf Guantanamo als den Schandfleck der westlichen Gesellschaft zeigen, ist altbekannt. Ebenso die Vorwürfe, Verdächtige würden dort ohne Anklage oder gar Gerichtsurteil festgehalten und auf Arten gefoltert, die selbst bei "Hostel"-Macher Eli Roth für Brechreiz sorgen. "Medienleute, die meinen, wir hätten etwas zu verbergen, können sich gern vor Ort ein Bild über Guantanamo machen", bot daher kürzlich US-Präsident George Dabbelju an.

Bislang hat das Angebot niemand wahrgenommen, da es allgemein eher als Strafandrohung für kritische Journalisten denn als ernstgemeinter Vorschlag verstanden wurde. Nun wagte sich ein Redakteur der "Obskuren Presseagentur" (OPA) als Erster auf die Insel. Was er nach der Landung seiner Maschine der kommerziellen CIA-Airline "Bomb Voyage" (siehe auch hier) vorfand, ähnelte jedoch weniger einer Sträflingskolonie als einem um eine Spur straffer geführten All-Inclusive-Club für potentielle Schwerverbrecher. Ganz ähnlich sehen dies offenbar selbst die - wie ewige Besserwisser unken - "widerrechtlich festgehaltenen" Häftlinge, so etwa der Afghane Hamid H., der für ein Interview zur Verfügung stand.

 

Medien in aller Welt spekulieren über die Haftverhältnisse auf Guantanamo und malen sich die schlimmsten Dinge aus. Mit gutem Grund?

Ich habe darüber gelesen. Schließlich bekommen wir hier jeden Morgen die internationale Presse in unsere Zelle, sofern wir Wert darauf legen. Darüber hinaus hat sich der "Guantanamo Chronicle", der von den Häftlingen selbst herausgeben wird, kürzlich mit diesem Thema befaßt. Ich kann nur sagen: Das Ganze ist ein himmelschreiender Unsinn. Sie sehen ja selbst, wie die Verhältnisse hier wirklich sind. Kost und Logis sind gratis, unsere Wäsche wird gewäschen, unsere Zellen werden saubergehalten. Wir können aus einem abwechslungsreichen Freizeitprogramm von Steineklopfen bis Gefängnis-Graffiti wählen - und das alles in diesem einzigartigen Klima. Sollten wir jemals nach Hause zurückkehren, dann mit einer Sonnenbräune wie nach einer Weltumsegelung.

Werden Sie gut verpflegt? Was haben Sie heute gegessen?

Bush-Burger mit Freedom Fries zum Frühstück. Zum Mittagessen gibt´s immer Schweinefleisch. Das ist wegen der Integration und so, hat man uns gesagt. Und ich muß bekennen: Mittlerweile weiß ich Schweinefleisch zu schätzen. Am liebsten mag ich es als "Wiener". Das hat so etwas Weltläufiges, und wir kommen hier ja nicht viel herum.

Stimmt es, wie manche Zeitungen berichteten, daß mitunter Koran-Ausgaben von den Wärtern im Klo hinuntergespült würden?

Aber nein! Das würde doch alles verstopfen. Wir dürfen lesen, was wir bekommen können. Ich bin zum Beispiel gerade an der Bedienungsanleitung unseres Toasters. Im übrigen erhalten wir ausreichende Klopapier-Rationen; es muß also niemand auf seinen Koran zurückgreifen. Bei Wohlverhalten und guter Führung läßt sich die Direktion auch die eine oder andere Begünstigung entlocken. Mein Zellennachbar bekam den Koran als Hörbuch zu seinem dreijährigen Guantanamo-Jubliäum geschenkt.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

In einem Hochsicherheitsgefängnis auf amerikanischem Festland. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten inhaftiert zu sein, wäre die Erfüllung all meiner Träume.

Reinhard Ebner

Quelle:OPA (Obskure Presseagentur)

Redakteur: Reinhard Ebner


 

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