
Kolumnen_Das Wort zum Samstag
Ladies and gentlemen, meet the press!
Er begann seinen Dienst am Christenvolke im benachbarten Blog "ZiB21", bevor er aus Gewissensgründen zum EVOLVER wechselte. Bei uns läßt er jetzt gelegentlich wortgewaltige Predigten los - und der Vollständigkeit halber wiederholen wir neuerdings die ersten sechs seiner sonntäglichen Episteln auf unseren Seiten. Am Samstag. Für Journalismusschüler: Nr. 3 - Mitte März im Jahr des Herrn 2009. 25.09.2010
Vor nicht allzulanger Zeit durfte ich in der Redaktion einer heimischen Wochenzeitung eine Schreibmaschinenweihe zelebrieren. Ja, ich weiß, eigentlich müßten heute Computer und Laptops die Segnung Gottes erfahren, aber die vertragen bekanntlich kein Weihwasser. Dreimal dürfen Sie raten, warum ...
Aber darüber brauche ich seit diesem Anlaß nicht mehr nachzudenken - hatte ich doch das zweifelhafte Vergnügen, eine Gruppe sogenannter Volontäre kennenzulernen. Eine üblere Ansammlung besserwisserischer Kretins, die unsereins mit Schimpf und Schande aus dem Beichtstuhl vertriebe, wird Ihnen wohl nicht so bald unterkommen. Zur Verdeutlichung: Einer von denen sah aus wie ein ausgewachsener Embryo, der 35 Jahre im Mutterleib herumgeschwommen ist, bevor er sich in die Welt werfen ließ. Sein Name wies auf die Geißel der Masturbation hin, sein Humor beschränkte sich auf johlendes Aufsagen der Formel "Jo, eh!", sein Geruch war streng. Um ihn herum standen bundesdeutsche Volontariatsmaiden und himmelten ihn an. Das sagt alles.
Besagte junge Menschlein lernen das Handwerk nicht nur von gelangweilten Redaktionsbeamten, sondern auch an privaten Lehranstalten und in teuren Seminarzentren. Sie glauben, Journalismus ließe sich studieren, habe Gesetze sowie "to-do’s" und "no-no’s" (ja, die verwenden wirklich solche Worte, für die man ihnen eigentlich sofort lebenslanges Schreibverbot erteilen müßte) und folgen vor allem einer Ethik, die nach den Worten der Studier-Enten - man darf ja nicht mehr "Studenten" sagen - recht langweilig sein dürfte. Niemand verrät ihnen, daß zuerst der Wille zum Schreiben da sein muß, dann das Talent, nebstbei ein Interesse für die nicht medial vermittelte Welt rundherum und schließlich viel Arbeit, nämlich schreiben, schreiben, schreiben. Die Profi-Journaille schüttelte beim Anblick der müden Meute nur den Kopf und flüsterte mir ins Ohr: "Keine Chance!"
Aber freilich, so dachte ich bei mir, haben die eine Chance - in geschützten Werkstätten wie dem ORF zum Beispiel oder bei selbsternannten "Qualitäts"-Blättchen mit pseudo-origineller Farbgebung. Dort werden sie nach ihrer kostspieligen Verbildung unterkommen, die Verlautbarungen öffentlicher Stellen in hatscherte Worte kleiden und auch noch an den Mist glauben, den sie laufend produzieren.
Wundern Sie sich also nicht, wenn das große Zeitungssterben weitergeht und das Fernsehen neue Abgründe des Schwachsinns erreicht. Ich habe die Zukunft gesehen - und sie ist strohdumm.
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