Akzente_Metal Night: Naglfar & Co.

Endkälte

Zwei Autorinnen wagten sich gemeinsam für den EVOLVER zu finsteren Gestalten ins Planet Music. Recht so - solo hat man bei so bösen Nordmännern auch wirklich nichts verloren ...    23.03.2006

Eisiger Wind und leichtes Schneegestöber bilden den stilsicheren Rahmen für einen nordischen Abend im Planet Music.

Amoral aus Finnland eröffnen das Metal-Gewitter mit einem ausgesprochen kraftvollen Sound, der ihre Spielfreude und Virtuosität unmittelbar auf das bereits zahlreich vorhandene Publikum überträgt. Die hervorragende Gitarren- und Baßabteilung, angetrieben von Herrn Karlssons rasendem Doppelbaß-Spiel, sichern Amoral ein warmes Plätzchen in der Thrash/Death-Champions League. Ein sichtlich gut gelaunter und stimmlich bestens disponierter Niko Kalliojärvi treibt die Zuhörerschaft zur Mitarbeit und seine Kollegen zu Höchstleistungen an – mit einem Wort: ein wirklich gelungener Opener.

Ohne ausdrückliche Kriegserklärung lassen danach Endstille aus Kiel ein unbarmherziges Sperrfeuer los. Die Herren Iblis, Mayhemic Destructor, Wachtfels und Cruor untermauern mittels Propaganda, Bombenhagel, Artillerie und Sturmgeschütz (also known as Gesang), Gitarre, Baß und Schlagzeug ihren Anspruch auf den deutschen Black-Metal-Thron. "Navigator", ihr aktuelles Werk, gilt als das deutsche Genrealbum des Jahres - nicht zu Unrecht, wie zu hören ist und die doch recht anständige Anzahl von Endstille-T-Shirt-Trägern beweist. Fazit des Auftritts: Wenn Deutsche schon Weltkrieg führen müssen, dann bitte so.

Nach einer kurzen Umbaupause ist es dann soweit: Begleitet von klassischem Gesang, betreten Naglfar - in blaues Licht und Nebelschwaden gehüllt - die Bühne des Planet und werden vom ersten unmenschlichen Schrei des Sängers Kristoffer Olivius an enthusiastisch gefeiert. Auch die Frage, was der Schwede unter dem langen, schwarzen Ledermantel trägt, ist bald geklärt: unprätentiöse Hose und neutrales Leiberl. Dabei ist Olivius auf Kostümschnickschnack nicht im mindesten angewiesen; sein Charisma und seine präzise Performance verschaffen Naglfar einen untrüglichen Wiedererkennungswert. Er steht somit seinem Vorgänger Jens Rydén um nichts nach und schafft es auch weiterhin, die Stellung als Bassist in der Band zu behalten. Bei Konzerten hilft allerdings ein Sessionbassist aus, damit sich Olivius live ganz dem Mikrophon hingeben kann. Wo Amoral im Synchron-Headbangen mähnenschwingend punkten, überzeugt hier die elegante Glatze. Besonderes Aufsehen erregt der Mann hinterm Schlagzeug, der es versteht, die Musik mit seinen konservativen, wunderbar altmodischen Metal-Rhythmen anzuführen.

 

Aber vielleicht ist das auch eine Auswirkung ihrer Rückkehr zu "alten Werten", denn mit ihrem letzten Album "Pariah" näherten sich die Herren aus Umeå wieder ihrem vielgelobten Debüt "Vittra" von 1995. Naglfar bieten der begeisterten Meute einen repräsentativen Querschnitt ihres zwölfjährigen Schaffens, das - obwohl durchwegs von einer düsteren Weltsicht, der barocken "Vanitas" nicht unähnlich, geprägt ist - mitreißend und voll dunklem Charme dargeboten wird. Schwachstellen oder Leerläufe kommen bei Naglfar einfach nicht vor, Marcus E. Norman und Andreas Nilsson spielen auf ihren Gitarren um ihr Seelenheil, Mattias Grahn liefert ein höllisches Schlagzeug. Insgesamt erinnert diese einfallsreiche Black-/Death-Metal-Mischung so sehr an ihre Landsleute von Necrophobic, daß man sich richtig nach einer gemeinsamen Tour beider Metal-Perfektionisten sehnt. Das Schiff Naglfar, in der nordischen Mythologie ein Totenschiff, erbaut aus den Nägeln Verstorbener, beendet seine Rundfahrt nach ungefähr 50 Minuten unter dem tosenden Applaus aller Fahrgäste.

Den Abend beschließen Dark Funeral, altgediente schwedische Black-Metal-Helden, deren Erscheinungsbild nicht den geringsten Zweifel daran läßt, welch dunklen Geistes Kindlein sie sind. Martialische Kostüme und unheimliches Corpsepaint garantieren textlich vergossenes Christenblut en masse, was von der Menge mit erhobenen Bierbechern und Teufelszeichen freudig begrüßt wird. Emperor Magus Caligula, der Vorbeter seines unheiligen Herrn, hat seine Anhänger trotz überaus freundlicher und wohlerzogener Ansagen hervorragend im Griff; Lord Ahrimans und Chac Mols Gitarren heulen wie die Seelen ewig Verdammter; und die Drums von Matte Madin treiben den letzten Christenschweiß aus den Poren noch nicht Konvertierter. Es gibt wohl kaum eine Band, die handwerkliches Können und Theatralik auf derart kompromißlose Weise auslebt - im Prinzip eines der unumstößlichen Dogmen des Rock´n´Roll. Dark Funeral sind die lebenden Garanten dafür, daß eher die Hölle zufriert, bevor die Werbewirtschaft sich einen ihrer Titel aneignet, um ein beliebiges ihrer Produkte zu untermalen.

Eigentlich tröstlich ...

Claudia Jusits & Heidelinde Moser

Kommentare_

Akzente
Metal Night: Naglfar & Co.

Endkälte

Zwei Autorinnen wagten sich gemeinsam für den EVOLVER zu finsteren Gestalten ins Planet Music. Recht so - solo hat man bei so bösen Nordmännern auch wirklich nichts verloren ...