Akzente_Web-Tips 1/2004

Hugo Arsch läßt grüßen

Zwischen TV-Nostalgie, den Weblogs diverser Cyberpunks und Horrorautoren, nutzlosem Wissen und der evolutionären Herkunft von Bush jun. gibt´s alles im Web - und bei uns.    23.07.2004

 

Chris Haderer & Peter Hiess

70s TV for Grown-Ups


Das Schönste an den 70er Jahren: sie sind ziemlich lange her. Die wenigsten EVOLVER-Redakteure können sich noch an sie erinnern (Kunststück: Wir wurden viel zu spät vor BSE gewarnt), und die meisten EVOLVER-Leser waren in den Siebzigern nicht einmal noch angedacht. Man muß auch nicht viel über dieses schreckliche Jahrzehnt wissen - außer vielleicht, daß ABBA damals den Songcontest gewannen und daraufhin die Wiener Reichsbrücke einstürzte. Worum man als gelernter Kabelfernseher jedoch kaum herumkommt, das sind die TV-Serien von damals, die von Billigsendern rauf und runter gespielt werden. Einen Haufen witziger Trailer aus den Tagen, in denen Sendungen noch witzig waren, als noch nicht im Off gelacht wurde, gibt´s auf der Site "70s TV for Grown-Ups" online zu bestaunen, inklusive der wichtigsten Werbe-Clips. Zwei Anspieltips: der Pepsi-Spot und der Trailer des Blaxploitation-Klassikers "Coffy" mit Pam Grier.

 

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Boing Boing: A Directory of Wonderful Things


Cory Doctorow ist Science-Fiction-Autor - und zwar einer, der sich in der Netzwelt eindeutig besser zurechtfindet als viele seiner Kollegen. Er war es zum Beispiel, der seine Romane (z. B. "Eastern Standard Tribe") zuerst online zum kostenlosen Download veröffentlichte und mit den gedruckten Versionen trotzdem Geld verdient(e); ein Beweis dafür, daß die hysterischen Copyright-Schützer mit ihren Ängsten so gar nicht recht haben. Das Blog "Boing Boing", das er zusammen mit ein paar Freunden betreibt, ist sowohl für hauptberufliche als auch freizeitmäßige Websurfer ein tägliches Lesevergnügen: Nachrichten aus den Paralleluniversen von PC-Bastlern, Disney-Enthusiasten, Online-Aktivisten, Programmier-Freaks, Systemkritikern, Gadget-Sammlern usw. usf. Dazu gibt´s (in der rechten Spalte) regelmäßige Guest-Blogger, die ihre ganz persönliche Sicht der Dinge vermitteln. Sollte man abonnieren.

 

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ShirleyBlog


Und weil John Shirley, einer der ersten Cyberpunk-Autoren (obwohl: "mehr Punk als Cyber", wie er stets betont), derzeit als Guestblogger bei "Boing Boing" aktiv ist, soll hier auf sein eigenes Weblog verwiesen werden. Fast täglich läßt der Schriftsteller (dessen aktuelle Werke der Horrorroman "Demons and Crawlers" und das Sachbuch "Gurdjieff: An Introduction to his Life and Ideas" sind) hier exzellent geschriebene Tiraden/Abhandlungen über US-Politik und -Moral, das Wahlverhalten von Punkrockern, die Macht der unterbewußten Wahrnehmungsgewohnheiten, das Suchtverhalten anhand von Computerspielen und Kokain, Erinnerungen an Feuerwerke, die seltsamen Freunde des Bush-Clans und andere Themen los. Da kriegt man nicht nur Lust, im Archiv weiterzulesen, sondern auch Shirleys Frühwerke (etwa die exzellente "Eclipse"-Trilogie) wieder auszugraben.

 

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Douglas Clegg´s Official Website


Während das Internet manchen Autoren die Möglichkeit gegeben hat, im Web das loszuwerden, was ihnen sonst weder Verlage noch Zeitschriften abkaufen, bietet es den meisten anderen nur eine - oft von Verlagen finanzierte - Werbeplattform. Bei der Site des US-Horrorschriftstellers Douglas Clegg (einem der vielen "legitimen Nachfolger von Stephen King") verhält es sich genauso: Promo für die Bücher, eine Bio, gelegentliche Games, bei denen es was zu gewinnen gibt. Doch immerhin finden sich hier auch ein Message-Board, in dem der Autor direkt auf Fragen seiner Fans antwortet, und die Möglichkeit, einen wöchentlichen Newsletter zu beziehen. Und der ist eigentlich das wahre Highlight für Freunde des Cleggschen Schaffens. Lohnt also immerhin einen Kurzbesuch ...

 

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Betrunkene dekorieren


Saufen ist eine der beliebtesten Sportarten, die in Österreich und dem umliegenden Ausland ausgeübt werden. Da ist es umso tragischer, daß es bislang keine Möglichkeit gab, sein Können über enge Lokalgrenzen hinweg auch öffentlich zu präsentieren. Diesem Umstand trägt die Site "Betrunkene dekorieren" Rechnung: Hier finden sich wunderbare Beispiele dafür, was man aus einem ordentlichen Rausch herausholen kann - wenn man passend gekleidet ist. Auf unzähligen Photos geben Verwandte und Freunde von Alkoholleichen Tips, wie man einen sturzbesoffenen Menschen noch ein bißchen lächerlicher machen kann. Die Bandbreite reicht von schlichten Bemalungen bis zu Garnierungen mit vormals wohlschmeckenden Lebensmitteln. Fazit: eine aus dem Leben gegriffene Site, von der wir alle noch was lernen können.

 

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Die W-Akten


Die Deutschen sind ein Volk der Prüden, und dementsprechend ist auch ihre Gesetzgebung. So heißt es etwa unter §183a des deutschen Strafgesetzbuches: "Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." Wer aber weder so viel Zeit noch Geld hat, ist mit einem Blick in die "W-Akten" gut beraten. Dort erfährt er nicht nur, daß Freiluftsex in Bulgarien nur mit einer mündlichen Verwarnung geahndet wird - sondern ist in dieser Sammlung unnötigen Wissens auch bestens aufgehoben, wenn er dringend wissen möchte, welches Fassungsvermögen ein Elefantenrüssel hat (damit die Spannung nicht zu groß wird: sechs Liter). Motto der Site: Die Wahrheit ist irgendwo hier drin.

 

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Eploratorium: the Museum of science, art and human perception


Weniger humorvoll, aber durchaus gutgemeint kommt das amerikanische "Exploratorium", die 1993 gegründete Web-Filiale eines Wissenschaftsmuseums in San Francisco (beheimatet im Palace of Fine Arts) daher. Auf mehr als 15.000 Einzelseiten können sich Interessierte hier mit Hilfe von Artikeln, Webcasts und Online-Ausstellungen über Themen wie Sonnenfleckenaktivität, Erdbeben, optische Täuschungen und ähnliches informieren - alles nicht zu kompliziert, sondern öffentlichkeitstauglich, aber das ist ja auch in Ordnung, wenn man ein breites Publikum anziehen will, das ansonsten nur vor Daytime-Talkshows verkommt. Und die vielen Anleitungen zu kleinen Experimenten für den Hausgebrauch helfen möglicherweise dabei, das nächste Genie heranzuzüchten - damit sich Amerika endlich vom allgemeinen Schwachsinn erholt.

 

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Bush or Chimp


Irgendwie müssen wir George W., dem Kleinen, sehr dankbar sein, daß heute er im Chefsessel der Vereinigten Staaten sitzt - und nicht vielleicht ein weltgewandter Staatsmann, über den es nichts Böses zu schreiben gibt. Der jüngste Skandal, der eben die europäische Küste erreicht, hat mit der Herkunft von George W. zu tun. Vorige Woche erklärte George Bush, der Ältere, in einem CNN-Interview, sein Bub sei ein Waisenkind, das er bei einem Ausflug in den Dschungel von Borneo gefunden und aus Mitleid in die Vereinigten Staaten geholt hätte. Seitdem brodelt die Gerüchteküche, und auch diese Website will ihren Beitrag mit anatomischen Studien zur Aufklärung der Verwandtschaftsverhältnisse beitragen. Wenn auch Sie sachdienliche Hinweise abgeben können, tun Sie es bitte schnell, bevor noch ein Affe Präsident wird.

 

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Federation of American Scientists


Der Beweis, daß nicht alle Amis solche Idioten sind wie ihr affenartiger Präsident, soll auf der Site der US-Wissenschaftlervereinigung FAS geliefert werden. Leider aber werden hier wenig echte, nachvollziehbare Erkenntnisse geliefert, sondern im wesentlichen nur Presseaussendungen, die erkennbar machen, daß die auf Subventionen angewiesenen Forscher voll hinter der patriotischen Vaterlandsideologie des Weißen Hauses stehen. Nicht umsonst heißt gleich die erste Rubrik "Strategic Security" und handelt Themen wie neue Atomwaffen, Terrorismus, Munition und weltraumbasierte Waffensysteme ab. Erst dann geht´s um Informationstechnologie, aber auch hier wird brav die Hardliner-Linie eingehalten. Und der Umweltschutz steht dann - unter ferner liefen - ganz weit unten. Verzichtbar.

 

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Echte Namen


Manche Leute haben von Geburt an Pech – weil sie mit einem Namen gestraft sind, mit dem sie nie wieder von der Schaufel runterkommen, um es salopp zu formulieren. Wir können sogar sicher sein, daß Frau Wilma Ficken aus Ritterhode ziemlich viel Spott wegen ihres Namens geerntet hat. Herrn Friedhelf Fickeisen aus Oftersheim dürfte es nicht besser ergangen sein. Doch wenigstens können sich die beiden an der Tatsache hochhalten, daß es ihr Namenskollege Julius von Ficker vor einem Jahrhundert immerhin bis zum Diplomaten gebracht hat. Erraten: Das Kapital dieser optisch zwar anspruchslosen, aber dennoch recht brauchbaren Site sind einschlägige Namen von Aal und Aasland bis Ziegenbein und Zungenbruch. Nettes Detail: Man kann auch gezielt nach Österreichern suchen - von Hugo Arsch aus Wien bis Josefine Zwitter aus dem kärntnerischen Ebenthal. Was für ein Glück, daß Sie sich rechtzeitig haben umtaufen lassen ...

 

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