Akzente_Kundgebung für WikiLeaks und Julian Assange

Menschenjagd

Man muß den Betreiber von WikiLeaks oder seine Tätigkeit nicht mögen. Aber die aktuelle Hetzerei gegen ihn zeigt, was Entscheidungsträger der freien westlichen Welt von Menschenrechten halten. Wenig erstaunlich dabei: In der Würdigung zivilisatorischer Werte unterscheiden sich die USA kaum von islamistischen Fanatikern.    15.12.2010

Die Entrüstung im Westen war groß, als seinerzeit die Fatwa gegen Salman Rushdie ausgesprochen wurde:

"Ich setze das stolze Volk der Moslems in aller Welt davon in Kenntnis, daß der Autor des Buches 'Die satanischen Verse' [...] und alle an seiner Publikation Beteiligten zum Tode verurteilt sind."  

Man schrieb das Jahr 1989, und der Absender war der iranische Ajatollah Khomeini. Heute, zwei Dezennien später, klingt ein Urteil so:

"In der guten alten Zeit, als Männer noch Männer waren, wäre dieser Typ an einer Bleivergiftung gestorben, durch eine Kugel im Hirn."

 

Adressat ist diesmal Julian Assange, Betreiber des Webportals WikiLeaks, das geheime Unterlagen veröffentlichte (die ... nun, sagen wir so: ein wenig peinlich für die Reputation von "God’s Own Country" sind).

Besagten Aufruf zur Lynchjustiz formulierte vor wenigen Tagen ein amerikanischer Radiokommentator, der dabei aber lediglich die dort vorherrschende Ansicht in einfachere Worte faßte. Die Ex-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin (mental etwas benachteiligt und bei vielen beliebt) hatte zuvor die rhetorische Frage gestellt, weshalb "dieser Anti-Amerikaner mit Blut an seinen Händen" nicht wie ein islamistischer Terrorist "verfolgt" würde; die amtierende Außenministerin sprach - ein wenig verklausulierter - davon, daß man "jeden Gesetzesbrecher zur Verantwortung ziehen" müsse.

 

Der Schriftsteller Salman Rushdie hat ein harmloses (aber durchaus lesenswertes) Buch geschrieben, von dessen Inhalt sich religiöse Fanatiker beleidigt fühlten; er erfreut sich noch heute bester Gesundheit und kann das Leben genießen, weil ihm der Westen Schutz gewährte.

Der Journalist Julian Assange hat Dokumente publik gemacht, deren Inhalt die Integrität westlicher Politik ebenso detailliert wie unwiderlegbar als Farce entlarvt; seine Zukunft hängt davon ab, ob sich der Westen nun ausschließlich mit den Ansichten der - auch in religiöser Hinsicht leicht zu beleidigenden - Vereinigten Staaten von Amerika identifiziert.

 

Über die komplexen Hintergründe werden Sie im EVOLVER noch lesen. Hier und heute beschränken wir uns einmal darauf, eine diesbezügliche Demonstration (ungeachtet aller im Detail vielleicht abweichenden Ansichten) zu bewerben:

EVOLVER-Redaktion

Kundgebung für WikiLeaks und Julian Assange


Wann: Mittwoch, 22. Dezember 2010, 18 Uhr
Wo: Wien, Schwarzenbergplatz, beim Hochstrahlbrunnen

 

(Text der Veranstalter:)

 

ALARMSTUFE ROT: Wir wollen auffallen! Bitte erscheint in Rot oder zumindest mit roten Mützen, Schals, Handschuhen, Umhängen ...
Warum Rot? Wir wollen ein starkes Signal setzen: Wenn etwa internationale Unternehmen uns in unserer Handlungsfähigkeit und Meinungsäußerung einschränken, indem sie unsere Spenden an WikiLeaks einfrieren, dann herrscht tatsächlich Alarmstufe ROT.

LICHTERMEER: Wir werden an Ort und Stelle rote Knicklichter verkaufen (Preis: 1,- Euro), die wir im Rahmen der Veranstaltung kollektiv aktivieren bzw. knicken werden und damit ein Zeichen der Solidarität für WikiLeaks und unsere demokratischen Rechte setzen. WICHTIG! Bitte nehmt keine Kerzen mit, da wir der Stadt Wien sonst hohe Strafen für die Reinigung des Wachses, das auf den Boden tropft, bezahlen müssten!

SPENDEN FÜR WIKILEAKS: Wir wollen WikiLeaks auch finanziell unterstützen und werden zu diesem Zweck Knicklichter für unser Lichtermeer zu je 1,- Euro verkaufen. Der Reinerlös geht zur Gänze an WikiLeaks. Wichtig: Sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Abends werden offengelegt - Ihr erfahrt auf dieser Seite, was mit jedem einzelnen Cent geschieht.

BESCHREIBUNG DER KUNDGEBUNG: Wenn wir zur Kundgebung für Meinungsfreiheit, WikiLeaks und Julian Assange aufrufen, dann rufen wir damit zur Kundgebung für freie Information und gegen staatliche Zensur auf. Es geht schon längst nicht mehr nur um WikiLeaks allein, es geht um den Umgang von Staaten und Wirtschaftsriesen mit unserer Informations- und Meinungsfreiheit.

Unsere Justizministerin sagte zum "Standard", daß Veröffentlichungen wie auf WikiLeaks in Österreich "theoretisch illegal" wären. Damit zeigt sie einmal mehr, daß es in Ministerämtern nicht mehr um Qualifikation geht, sondern nur noch um die richtigen Seilschaften. Nichts an WikiLeaks ist illegal, denn hier wurden Informationen zugespielt und veröffentlicht, wie es im Journalismus seit Jahrzehnten Usus ist. Daran darf sich auch nichts ändern!

Millionen von Menschen starben im 20. Jahrhundert, damit man das System faschistoider Überwachung überwinden konnte und den Menschen ein Recht auf das Äußern der freien Meinung innerhalb einer demokratischen Gesellschaft geben konnte - dieses Recht dürfen wir uns jetzt nicht wieder nehmen lassen!
Die Furcht der Politiker vor WikiLeaks ist nicht unbegründet, wurden doch durch die aktuellen Cables Vertuschungen, Korruption und pure Respektlosigkeit aufgedeckt - und damit befinden wir uns erst an der Spitze des Eisbergs, denn es wurden noch weit nicht alle Cables veröffentlicht. Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, was hinter den Kulissen gesprochen wird.
 
Der Gründer von WikiLeaks, Julian Assange, ist derzeit wegen des Verdachts auf sexuelle Straftaten in Untersuchungshaft. Dieser Umstand wird von der US-Administration benutzt, um fieberhaft an einer Möglichkeit zu arbeiten, wie man Großbritannien oder Schweden dazu zwingen kann, Assange auszuliefern.

Amerikanische Politiker (S. Palin, M. Huckabee) und Medien (FOX News) fordern offen seine Auslieferung und stellenweise sogar seine Hinrichtung oder "informelle" Ermordung wegen "Landesverrats" (Assange ist australischer Staatsbürger). Sind das die Werte einer freien, gefestigten demokratischen Gesellschaft?

Deshalb rufen wir Euch alle auf, am 22. 12. um 18 Uhr am Schwarzenbergplatz (beim Hochstrahlbrunnen) ein weithin sichtbares Zeichen zu setzen, dass wir WikiLeaks und unsere demokratischen Rechte aktiv verteidigen!

Kommentare_

Gerhard - 15.12.2010 : 10.13
Ergänzend noch dieses Statement von KenFm: https://www.youtube.com/watch?v=HVJAUECLdo8 Unbedingt anhören und am 22.12. erscheinen.
Eve Assange - 15.12.2010 : 13.46
Als Veranstalterin der Kundgebung möchte ich mich vielmals für eure Unterstützung bedanken ;-)

Ich freue mich weiterhin auf euer zahlreiches Kommen! Wir können etwas verändern und wir werden etwas verändern! Wir werden ein Zeichen setzen, das unsere Werte und Prinzipien widerspiegeln wird!
Gerhard - 16.12.2010 : 09.41
Aja - hier bitte "Unterschreiben" - Petition gegen die Kriminalisierung von Wikileaks: http://bewegung.taz.de/aktionen/4wikileaks/beschreibung
Dagonet - 17.12.2010 : 17.45
Eine schöne Sache, diese Kundgebung. Aber was hat Wikileaks mit Meinungsfreiheit zu tun?
der Doc - 17.12.2010 : 20.26
@ Dagonet: Naja, nur zum Beispiel: Wenn Facebook Seiten verbietet, die sich für Wikileaks einsetzen. Oder wenn Kreditkartenfirmen und PayPal Spendenzahlungen für Herrn Assange/WikiLeaks ablehnen.
Außerdem ist Julian Assange kein Journalist und betreibt auch kein Medium, weswegen seine Aufdeckertätigkeit auch nicht unter "Pressefreiheit" fällt, wie viele Pitzler behaupten, sondern er vertritt eindeutig eine Meinung zur Gesellschaft, zur Welt und zur Politik, und er vertritt diese Meinung, indem er bisher (angeblich) geheimgehaltene Dokumente veröffentlicht. Also Meinungsfreiheit.
Mit Pressefreiheit hat die Affäre erst ab dem Punkt zu tun, wo Medien (ob Print oder online oder audiovisuell) die aufgedeckten Dokumente zu veröffentlichen beginnen. Und da Mainstream-Medien wie "Der Spiegel" und die "New York Times" das ungehindert tun dürfen (was ja an sich schon ein bissl verdächtig ist), scheint die angebliche Pressefreiheit nicht gefährdet.
Logisch? Gut so. Nichts zu danken.
Dagonet - 17.12.2010 : 23.20
Wenn Facebook Seiten verbietet, dann hat das auf den ersten Blick mit Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun, d'accord. Die Meinungsfreiheit ist allerdings kein Recht, das mir gegenüber Dritten (zB Unternehmen wie Facebook) zusteht, sondern nur gegenüber dem Staat.

Wenn Unternehmen wie Visa bestimmte Kunden ablehnen, dann ist das grundsätzlich ihr gutes Recht; auf einem freien Markt darf jeder entscheiden, mit wem er Geschäfte machen will. Das Einfrieren von Konten ist eine andere Sache, hat aber mit Grundrechten an sich auch nichts zu tun. Für so etwas sind Gerichte da.

Wer ihm zugespielte Dokumente unkommentiert veröffentlicht, äußert damit keine Meinung. Er sagt nicht, daß ihn dieses oder jenes stört oder daß bestimmte staatliche (oder private) Handlungen verurteilenswert sind, sondern er veröffentlicht Informationen. Das ist etwas anderes. So etwas ist wenn dann durch die Pressefreiheit geschützt.

Für Deutschland sehr schön herausgearbeitet ist das zB hier nachzulesen:

http://www.rechtzweinull.de/index.php?/archives/166-Der-Fall-Wikileaks-Zulaessige-Inanspruchnahme-der-Pressefreiheit-oder-rechtswidriger-Geheimnisverrat.html

Im großen und ganzen gilt bei uns vergleichbares.

Logisch? Gut so. Danke!
der Doc - 18.12.2010 : 09.15
@Dagonet: Wäre fast logisch, Ihre Argumentation, wenn in der Welt, in der wir leben, nicht längst Konzerne (Amazon, Paypal, Facebook) mehr Macht hätten als die lächerlichen Politiker, die uns am Schmäh halten. Und Konzerne schränken sehr wohl - direkt oder indirekt, also über die angeblich so freie Presse - Meinungen ein, verbieten sie oder vernichten Existenzen, wenn nicht konforme Meinungen geäußert werden.
Das Pressefreiheit-Argument, zu dem Sie einen einzelnen deutschen Online-Juristen heranziehen, könnte nur dann greifen, wenn die Gerichte WikiLeaks tatsächlich als Medium anerkennen, was es meiner Ansicht nach eben nicht ist. Kryptoanarchisten wie Assange und besagte Website sind eher mit jemandem vergleichbar, der sich einen Haufen geheimer Dokumente beschafft, dann eine Pressekonferenz ankündigt und dort lautstark vor den versammelten Medienvertretern verkündet: "Ich habe das aufgedeckt, ihr kriegt jeder eine Kopie, damit könnt ihr machen, was ihr wollt." Also ein politisch engagierter "Whistleblower", wie man heute sagt. Es wird jetzt nur deswegen so gern und viel von Pressefreiheit geredet, weil sich die traditionellen Mainstream-Medien wie ORF, Standard, Österreich usw., denen ihre eigene Bedeutungslosigkeit längst bewußt ist, gern ein bißchen wichtigmachen und so tun wollen, als wäre irgendwas von Relevanz auf ihrem Mist gewachsen. Ist es nicht, wie immer, sie können also weiterhin in Ruhe sterben.
Immer noch nicht? Naja, auch wurscht.

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