Akzente_Wolfgang A. Mozart - Così fan tutte
Endspurt im Mozartjahr
Das Theater an der Wien konnte sich wahrhaft als Mozart-Haus etablieren, wie zwei kürzlich stattgehabte Aufführungen zeigten. Nur das Ergebnis war leider zwiespältig.
12.12.2006
Mozarts hochdiffizile Beziehungsgeschichte "Così fan tutte" ist eine der berühmten DaPonte-Opern. Der italienische Librettist Lorenzo da Ponte verfaßte für Mozart nicht nur dieses Werk, sondern auch "Le nozze di figaro" und "Don Giovanni". Er dürfte ein gewaltiges Faible für komplexe zwischenmenschliche Dramen gehabt haben - wobei "Così" in dieser Hinsicht die anderen beiden Stücke weit übertrifft. Der Untertitel "Die Schule der Liebenden" sagt schon sehr viel über die Handlung aus ...
Die Verlobten eines Schwesternpaars wollen die Treue ihrer Damen testen und schmieden daher mit dem Philosophen Don Alfonso ein Komplott. Sie geben vor, in den Krieg einzurücken und kommen als verkleidete reiche Afghanen wieder. Unter Anleitung von Alfonso und dem Stubenmädchen Despina gelingt es ihnen, die beiden Frauen zu verführen, was den Spaß an der Sache naturgemäß etwas trübt. Die Oper endet daher trotz fröhlicher Musik desaströs.
Keiner hätte diese Handlung besser umsetzen können als Regisseur Patrice Chéreau. Der Franzose, der den legendären Wagnerschen "Ring" in Bayreuth inszenierte, wagte sich mit dieser Oper ins Musiktheater. Mit einem sehr einfachen Bühnenbild (von Richard Peduzzi) realisierte er das schwierige Beziehungsgeflecht grandios. Durch Einbeziehung des Zuschauerraums mittels zwei Brücken über den Orchestergraben war das ganze Haus direkt ins Geschehen involviert. Besonders grandios war die Szene, in der Guglielmo entdeckt, daß ihm seine ach-so-treue Fiordiligi Hörner aufgesetzt hat - da war die Verzweiflung körperlich spürbar. Genauso superb kam das letzte Herren-Terzett daher, in dem Don Alfonso mit den männlichen Protagonisten übers Fremdgehen plaudert und den deprimierten Burschen erklärt, daß es halt alle so machen ("Così fan tutte ...").

Musikalisch war die Produktion im Theater an der Wien recht ambivalent. Wenn man gleich mit dem Schlechten anfangen will, landet man fast automatisch beim "Dirigenten" Daniel Harding. Das hochlizitierte Bürschchen definiert sich offenbar selbst als Abbado-Klon. Wer Claudio Abbado näher kennt, merkt sofort, daß 90 Prozent aller Bewegungen des Herrn Harding beim italienischen Maestro abgeschaut sind. Und hier muß dasselbe gelten wie in anderen Kunstrichtungen auch: Eine Kopie ist halt selten so gut wie das Original.
Auch musikalisch hat Harding keinen eigenen Stil, wodurch die "Così"-Aufführung zu einem musikalischen Eintopf verkam: hier eine Portion Abbado, dort ein Quentchen Harnoncourt, das Ganze verrührt mit Belanglosigkeiten. Was dabei herauskam, sind erstaunlich wenige gute Momente und ansonsten kaum Erwähnenswertes. Aber wenigstens störte der Dirigent die Handlung nicht und begleitete die Sänger ganz gut.
Den zweiten Rang auf der Negativskala nimmt der vielfach gepriesene Arnold-Schönberg-Chor ein. Konnte man früher wenigstens glauben, daß die Herrschaften technisch und stimmlich perfekt, wenn auch nicht immer musikalisch waren, so klangen die zwei Chornummern der Oper nicht wie ein Chor, sondern wie 20 oft häßlich und falsch singende Einzelstimmen.
Die hauptdarstellenden Paare waren recht gut; vor allem Erin Wall als Fiordiligi hat einen wunderschönen und strahlenden Sopran. Schade, daß sie bei den tiefen Registern oft die Stimme verlor (krankheitshalber?). Stéphane Degout als Gugilielmo brillierte mit einem sonoren und wunderschönen Bariton. Marie McLaughlin als Despina ist eine großartige Darstellerin, wenn auch ihre Stimme nicht immer mit dem schauspielerischen Niveau mithalten konnte. Das Nonplusultra der Produktion aber war Star-Bassist Ruggero Raimondi in der wichtigen Rolle des Don Alfonso, der niveaumäßig mühelos sämtliche Bühnenkollegen in die Jackentaschen steckte; er trug die ganze Aufführung sowohl spielerisch als auch musikalisch.

Insgesamt bekam man mit "Così fan tutte" - trotz aller Abstriche - eine grandiose Aufführung geboten. Wer nicht genug davon kriegen kann oder keine Gelegenheit hatte, das Werk live zu erleben, kann sich ja die bei Virgin Classics erschienene DVD zulegen, auf der die Oper in Aix-en-Provence mit Elina Garanca als Dorabella und Barbara Bonney als Despina ebenfalls sehr interessant besetzt ist.
Zum Abschluß des Mozartjahrs spielten die Wiener Philharmoniker unter Sir Simon Rattle die letzten drei Symphonien des Jahresregenten. Was Harnoncourt mehr als mäßig im Festival "Osterklang" begonnen hatte, beendete der britische Maestro recht brillant. Obwohl drei Symphonien an einem Abend eine ziemliche Überdosis sind, verzichtete Rattle auf einige unnötige Wiederholungen, die Harnoncourt zu Ostern bis zum Exzeß zelebriert hatte. So erreichte das Konzert wenigstens erträgliche Dimensionen. Rattle ließ auch extreme Tempi und Klangvergewaltigungen weg, was dem Konzert einen natürlichen Anstrich gab. Die Philharmoniker folgten ihm punktgenau - auch wenn die Ersten Geiger bei den Kantilenen der Einleitung zur 39. Symphonie sehr verstimmt klangen. Aber das lag vielleicht am Raumklima.
Das Theater an der Wien sollte in eine ordentliche Belüftung und bessere Akustik investieren. Dann könnte das Haus am Naschmarkt eine mehr als besuchenswerte Opernspielstätte werden.
Herbert Hiess
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