Musik_Erkki Kurenniemi - Äänityksiä

Finnen tanzen nicht nur Tango

In Finnland ist es bekanntlich immer dunkel. Daher sind die Finnen auch recht schrullig - wie etwa der Musiker und Kabarettist M.A. Numminnen. Und noch ein paar andere...
   26.05.2004

Derzeit vergeht kaum eine Woche, ohne daß ein bisher unbekannter finnischer Komponist aus den sechziger Jahren wiederentdeckt wird. Neben Pekka Airaksinen ist der interessanteste davon eindeutig der 1941 geborene Erkki Kurenniemi. Vor zwei Jahren wurde sein Werk in der heutigen Elektronikszene zum ersten Mal so richtig gewürdigt, als er bei einem großen Festival gemeinsam mit seinen geistigen und künstlerischen Enkeln Pan Sonic auftrat. Als Instrumente kamen dabei ausschließlich von Kurienniemi gebaute DIMIs zum Einsatz. Dabei handelt es sich um selbst entworfene Urformen von Synthesizern und Computern - die lange entstanden, bevor solche Instrumente zur Ausstattung jedes kleinen Straßenmusikanten gehörten.

Kurenniemi studierte eigentlich Physik, als seine Liebe zur elektronischen Musik erwachte. Mit dem technischen Know-how ausgestattet, fertigte er seit Beginn der Sechziger eigene Instrumente an und begann darauf zu komponieren. Dabei ging es ihm nicht nur um die Herstellung von Klängen an sich, sondern auch die Art, Musik zu kreieren, wurde von dem jungen Komponisten ständig variiert. Das DIMI-S (S für Saxophon) beispielsweise war ein Instrument, das von den Hautberührungen der einzelnen Musiker aneinander gesteuert war. Eine andere Variante, das DIMI-O (für Optical) reagierte auf die Bewegungen eines Tänzers und veränderte so Tonlage und Klangbild.

Auf der vorliegenden CD sind nun erstmals Stücke aus den Jahren 1963 bis 1973 versammelt. Von solch einem Produkt erwartet man sich normalerweise in erster Linie ein Zeitdokument, das nur interessant ist, wenn man sich für die Geschichte der Avantgarde begeistern kann; musikalisch ansprechende Werke erlebt man bei derartigen Archivaufnahmen selten. Bei Kurienniemi liegt der Fall anders: Seine Kompositionen sind zeitlos und klingen ganz genauso wie Pan Sonic und das dazugehörige Label Säkhö vor zehn Jahren. Die Frage, in welche musikalische Schule Mika Vainio und Co. gegangen sind, beantwortet sich somit von selbst.

Heute arbeitet der Komponist an einem ganz anderen, gewaltigen Werk. Er sammelt eine ungeheure Fülle von Daten über sich selbst, die er digital speichert, um später nach seinem Tod quasi virtuell wiederaufzuerstehen. Dabei knipst er tagtäglich Hunderte von Belanglosigkeiten, um ein möglichst lückenloses Bild von sich selbst zu erschaffen. In welcher Form genau der computergenerierte Kurenniemi dann wiede zum Leben erwachen wird, ist noch nicht ganz klar, aber eines ist sicher: Der Mann hat etwas auf dem Kasten und ist zudem noch völlig durchgeknallt. Und somit besitzt er alle Eigenschaften, die man sich von einem interessanten Künstler erwarten darf.

Walter Robotka

Erkki Kurenniemi - Äänityksiä/Recordings 1963-1973

ØØØØØ


Love Records/Mego (Finnland 2004)

 

erhältlich bei Mord + Musik

 

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