Musik_Gem - Tell Me What´s New

Was gibts Neues?

Schweden gönnt sich eine Luftveränderung. Die Insel verpflanzt sich auf den Kontinent. Oder: New York tritt in Partnerschaft mit Utrecht. Alles legitime Erklärungsversuche für Gems Sound.    25.05.2005

Gem greifen nach bester britischer Gepflogenheit, wie sie mittlerweile auch verstärkt in Skandinavien auftritt, in die Gitarren. Sie stellen sich dabei keineswegs ungelenker an als die Vielzahl an Bands, die sich in letzter Zeit mit versuchter Attitüde an die alternative Oberfläche gespielt haben. Im Gegenteil. Auf "Tell Me What´s New" bleibt die ans Revers geheftete Auflehnung noch räudig. Aalglatte Arrangements fehlen, weil sie schlicht und einfach fehl am Platz wären. So aber hindert die Riffs nichts daran, schwungvoll auszuholen und durchzugreifen. Den Songs klebt genügend Dreck an, um sich nicht von vornherein der Erfolgsberechnung schuldig zu machen, obwohl Gem in der populären Unterabteilung des Gitarrenschrammens siedeln. Die Strokes, Mando Diao und weitere in der Garage oder Kellerabteilen großgewordenen Bands fallen ein. Für ihren ersten Großauftritt haben sich Gem frech selbst für das Vorprogramm der im Zerfall begriffenen Libertines gemeldet und bewiesen, daß Konzertabende auch schon zu ihrem Beginn gekrönt werden können. Das durch diese Namensnennung gemalte Klangbild haben die Niederländer sich für Stücke wie "The Opposite" oder "All We Have Is Now" passend gemacht.

Gem setzen einen bislang unerhörten Ort ins Rock-Universum. Weder Utrecht im besonderen, noch das Königreich im allgemeinen haben in der Vergangenheit sonderlich aufgespielt und sind im Vergleich zu ihrem Benelux-Nachbarn Belgien im kreativen Hintertreffen. "Tell Me What´s New" ist ein Schritt auf dem Weg, den Rückstand zu schmälern. Das niederländische Quintett vermeidet den Fehler von Mando Diao, den Mund zu voll zu nehmen und unter dem hausgemachten Druck ein Album von lauwarmer Stimmung zu produzieren. Zugegeben: Gem haben den Vorteil des Debüts ohne gruppeninterne Vergleichswerte. Die ins Programm geschriebene Attitüde nimmt sich nicht bitterernst, sondern gibt dem "locker drauf los" den besonderen Kick, der den einzelnen Song klar umreißt. An der Aufgabenverteilung wird im Laufe des gesamten Tonträgers nichts verändert. Weder Gastmusiker noch Zusatzstimmen schieben sich in den Hintergrund. Das zur Verfügung stehende Spielfeld ist daher in relativ kleinen Maßen abgesteckt, doch findet die Band im Songwriting sehr wohl den Weg zur freien Entfaltung. "Tell Me What´s New" ist lässig gezähmte Rockpower, die zur Gänze eingängig und im einzelnen Stück bzw. Refrain sehr einprägsam bleibt. Maurits Westerik wirft sich ohrenscheinlich hinter dem Mikro in Pose, verzieht als unterhaltsame Kunsteinlage großspurig die Lippe und gibt für gute 38 Minuten den Kleinstadt-Revoluzzer – frisch von der Leber weg. Langeweile muß hier draußen bleiben.

Bernadette Karner

Gem - Tell Me What´s New

ØØØØ


Excelsior/Haldern Pop/Ixthuluh (Niederlande 2005)

 

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