Musik_Julian Berntzen - Waffytown

Filmmusik in spe

Mit 12 war er ein ausgezeichneter Bluegrass-Geiger, mit 17 schrieb er Stücke für Streichquartette. Und nun, mit reifen 22 Jahren, legt er sein Singer/Songwriter-Debüt vor.    21.01.2004

Hinter der Produktion des Albums "Waffytown" steht Sondre-Lerche-Hilfesteller H. P. Gundersen. Allein das wäre schon Grund genug, die Ohren zu spitzen. Wenn dann auch noch der zweite "Sensible Twin" (Kato Ådland am Baß) musikalisch involviert ist, kann gar nichts schiefgehen; Goldkehle und inspiriertes Songwriting sind garantiert. Ob dieser Vorbilder und des Musiker-Lebenswandels von Julian Berntzen sind die einzelnen Stücke gleichzeitig eingängig melodiös und doch nicht zum simplen Nachbau geeignet. Ein Pop-Song ist ein Pop-Song - aber hier ist ein Pop-Song auch um einiges verwickelter und trägt eine vollständige Symphonie in sich.

Diese Eigenschaft wurde den Stücken bereits bei der Konzeption des Albums zuteil. Auf der Platte soll die Geschichte der Leute von Waffytown erzählt werden, die auf den ersten Booklet-Blick und den ersten Ton friedlich und gutherzig in einer lieblichen, farbenfrohen Stadt leben. Ein genaueres Hinhören hinter die Fassaden der gemütlichen Holzhäuser offenbart jedoch Einsamkeit, Armut und unglückliche Liebe. Ebenso untergründig wie dieser zweite, genauere Blick tragische Züge offenbart, zieht sich Melancholie in die Fröhlichkeit der Lieder hinein. Selbst das die Beleuchtung von Einzelschicksalen noch ausblendende Titelstück "Waffytown" spart nicht gänzlich mit kaltem Gegenwind. Und "Jason the Face" oder "A Song For the Ghost That We Saw" etwa sind derart komplett, daß einer der beiden Songs für sich schon genügen würde, um Julian Berntzens Vorhaben unmißverständlich verstehen und nachvollziehen zu können.

Wäre "Moulin Rouge" anstatt eines Musicals ein Stummfilm, so wäre "Waffytown" wahrscheinlich die als Untermalung beigefügte Tonspur.

Bernadette Karner

Julian Berntzen - Waffytown

ØØØØØ


New Records (Norwegen 2003)

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Kommentare_

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