Musik_Moneybrother - To Die Alone

Ehrlich schmerzt am längsten

Auf seinem aktuellen Album hat Anders Wendin keine 180°-Stil-Wendung vollzogen. Das allein aber erklärt nicht, warum es sich schon beim ersten Durchlauf derart an den Hörnerv schmiegt.    14.03.2005

Ist also alles beim alten geblieben? Nein, denn wäre das der Fall, würden die Songs Langeweile ansetzen. Statt dessen strahlen sie Wärme ab, was sich schon auf dem Cover abzeichnet, auf dem sich der Schwede in Heiligenbildchenpose präsentiert. Frei dahingestellt bleibt dabei, ob Moneybrother das Unschuldslamm bloß auf Händen trägt oder gerne selber wahlweise so oder als Märtyrer gesehen werden möchte. Die Songs selber haben wenig mit der frontal vorgespiegelten Beschaulichkeit gemein. Unter der Oberfläche wogen zehrende, dialogfordernde Balladen, die sich mit aufwühlenden Tanzliedern mischen, um die beschworene Intimität einen Deut zu lockern. Im Vergleich zu "Blood Panic" enthält der Nachfolger mehr: Mehr Streicher, stärkere Arrangements, eine klarer hervorgehobene Gesangslinie; kurz und gut mehr von allem, insbesondere mehr von sich selbst. Anders Wendin macht niemandem und schon gar nicht sich selbst etwas vor, immer wirkt er aufrichtig in seinen Gefühlsstürmen, die gerade in den stillsten Momenten des Albums am lautesten brausen.

Vollzog er auf seinem Debüt noch den Stunt, sich mit dem Opener "Reconsider Me" als Bruce-Springsteen-Hörer vorzustellen, verkneift er sich ähnliches auf dem aktuellen Album und The Boss drängt sich nicht mehr vergleichbar stark Moneybrothers Soulrock auf. Und bis man mit "My ´Lil Girl´s Straight From Heaven" bei der eindeutigsten Soundanleihe (Thin Lizzy is back in town) angekommen ist, hat "To Die Alone" die halbe Spieldauer schon hinter sich. Trotzdem kommt der gleiche Startkniff zur Anwendung, denn beide Male fällt der Anfang mit der jeweils ersten Singleauskopplung schwungvoll aus. Über "They´re Building Walls Around Us" dreht sich die Diskokugel. Das nachfolgende "It Ain´t Gonna Work" hält sich aus dem Trubel heraus und verzieht sich statt dessen lieber ins dunkle Eck, um wieder zu Atem zu kommen. Doch mit einem Klumpen im Hals ist Atemholen auch nicht einfach, schon gar nicht, wenn sich in "Blow Him Back Into My Arms" der Refrain auftürmt, bis er die Tränen aus den Augenwinkeln drückt und die Chorknaben im Regen stehen. Ab Zimmerlautstärke herrscht Taschentuchpflicht.

Bernadette Karner

Kommentare_

Musik
Saint Thomas - There´s Only One Of Me

Es kann nur einen geben

Thomas Hansen hat den Heiligenschein wieder hervorgeholt und aufpoliert. Der Norweger nimmt sich Zeit zum Erzählen von Geschichten, die der Nachdenklichkeit genug Raum und der Melodie ausreichend Auslauf bieten, um in Schwung zu kommen.  

Musik
Audrey - Visible Forms

Licht am Ende des Tunnels

Seit 2002 geben vier Schwedinnen leise Laute von sich. Schlicht und bescheiden schwelgen sie in wohliger Traurigkeit, um gleich darauf mit einem Hochgefühl aufzuerstehen.  

Musik
Lassos Mariachis - Vamos

Tex-Mex auf österreichisch

Für ihre Ausdauer beschenken sich die Lassos mit eigenen Songs und legen nach elf Jahren Band-Geschichte ihr drittes Album vor. Motto: wie früher, aber anders.  

Musik
Bonnie "Prince" Billy - The Letting Go

Endstation Sehnsucht

Melodienmangel und Ideenlosigkeit sind für ihn ebenso Fremdwörter wie Schreibblockaden. Auf seinem aktuellen Album übt Will Oldham sich in der Kunst des Loslassens.  

Stories
Mando Diao/Interview

Ochrasy United

Die Schweden machten nicht nur durch ihre Musik, sondern auch durch rotzfreche Vergleiche auf sich aufmerksam. Der naive Übermut ist weg - aber goschert sind sie heute noch.  

Musik
Orson - Bright Idea

Alternative: hitzefrei

Es war einmal ein Songwriter, der auf der Suche nach Musikern und einem passenden Namen in Hollywood fündig wurde. Wo ließe sich Erfolg auch besser lernen?