Musik_The Sunshine Underground - Raise The Alarm

Exclusive Company

Das Britenquartett läßt mit seinem Debüt aufhorchen. Prädikat "Noch nie dagewesen"? Nein, das nicht. Aber wenigstens: nicht zu schubladisierender Indie-Rock, tanzbar anders.    24.11.2006

Es soll schon einmal vorgekommen sein, daß man nichts zu tun hat, aus reiner Fadesse mit seinen Kumpels eine Band gründet und mit dem ersten veröffentlichten Album gleich den Zeitgeist einer ganzen Generation auf Vinyl - und damit auf den Punkt - bringt.

Ob das reine Glücksache ist, sei dahingestellt. Fest steht: Den Jungs von The Sunshine Underground ist es mit ihrem Debüt "Raise The Alarm" gelungen. Auf harmonisch gegensätzliche Weise verschmelzen in der Musik der Band aus Leeds harte Baßtöne, schroffer Gitarren-Sound und treibende Hi-Hats mit melancholisch-nachdenklichen Lyrics. Der Widerspruch ist perfekt, wenn das Publikum überglücklich die dunklen, leicht paranoid anmutenden Songs mitgrölt und dabei die Gliedmaßen einem unkontrollierbaren Bewegungsdrang verfallen.

Ihre erste Single-Auskopplung "Commercial Breakdown" ist ein mahnender Appell an unsere Fast-Forward-Gesellschaft und wettert mit einem zynischen "We´re far too busy" gegen das globale Wegsehen bei Problemen. Nach dem Motto: Reality (TV), "you´ll never gonna get me". Mit dem Schlußrefrain "I used to think these things happen for a reason" (insgesamt neun Wiederholungen) kämpfen sich Craig Wellington (Stimme, Gitarre) und der Rest der Truppe - Stuart Jones (Gitarre), Daley Smith (Baß) sowie Matthew Gwilt (Schlagwerk) - bis zum endgültigen Zusammen- und ihrem ganz persönlichen Durchbruch.

Ihre zweite Single "Put You In Your Place" hingegen überzeugt gleich zu Beginn mit dem repetitiven Einhämmern von Beat und Refrain - und erzeugt dadurch das innere Bild eines Boxers, der im Ring mit geballten Fäusten auf seinen Kampf wartet, von einem Bein auf das andere wechselt, immer in Bewegung, rastlos, ruhelos. Die Zeile "I bet you wish I´d disappear" sitzt.

Ganz anders, weil ruhiger und nachdenklicher, hört sich "Somebody´s Always Getting In The Way" an. Der Einstieg in den Song ist mit der Frage "What´s standing in your way?" ein direkter. Es stellt sich heraus, daß man nicht selten sich selbst im Weg steht und aus Angst vor Fehlern Ideen für unbestimmte Zeit auf Eis legt, anstatt etwas zu riskieren.

Der Rest des Albums weist mit seinen energiegeladenen Beats Parallelen zu The Killers, The Rapture oder The Bravery auf. Daß die Band ihren Namen einem Song der Chemical Brothers aus dem Album "Surrender" verdankt, läßt auf eine weitere Inspirationsquelle des Quartetts schließen.

Sich selbst sehen The Sunshine Underground als allürenfreie Party-Band, die Musik macht, weil ihr der Sinn danach steht, und diese dann mit Gleichgesinnten teilt, weil die - selber schuld - es gar nicht anders wollen. Ihr Credo: "Get involved, get sweaty." Der Sänger samt Akzent: very british, indeed. Er ist schon jetzt verschrien für eine Bühnenpräsenz, die mit viel Schweiß bei Publikum und Band bezahlt wird. Wahrscheinlich haben die vier Musiker den Titel "Live Band of the Year" bei den Leeds Music Awards zu Recht eingeheimst ..

"Raise The Alarm" ist alles, nur kein Spaziergang. "Dead Scene" verkörpert zum Beispiel Streß pur. Der Song karikiert selbstgefällige Indie-Kids, baut sich instrumental relativ langsam auf und entlädt sich allerspätestens beim dritten "What you´re thinking? What you´re doing?" Die Stimme des Frontmans ist phasenweise kurz vorm Krepieren - und man selbst klappt ebenso fertig, euphorisch kreischend, aber dafür glückselig zusammen. Anzumerken ist noch, daß das Album nicht überproduziert klingt und daher durchgehend authentisch rüberkommt.

Vielleicht das Next Big Thing ... aber hören Sie selbst.

Claudia Bernleitner

The Sunshine Underground - Raise The Alarm

ØØØ 1/2


Sony/BMG (GB 2006)

 

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