Alex Capus - 13 wahre Geschichten
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dtv (München 2006)
Menschen, die leidenschaftlich für etwas lodern, müssen unter Umständen damit rechnen, abzubrennen. Wer Visionen hat, braucht jedoch keinen Arzt, sondern dieses Buch. 23.10.2006
"13 wahre Geschichten" nennt Alex Capus seine bei Deuticke erschienene Sammlung, die es nun auch als dtv-Taschenbuch gibt - und hinter dem Titel stecken in diesem Fall ausnahmsweise einmal weder Autoren-Ironie noch der literarische Topos vermeintlicher Authentizität. Tatsächlich hat Capus, der seit seinem 1997 erschienenen Debütroman "Munzinger Pascha" einem breiteren Publikum bekannt ist, öffentliche Archive nach Lebensgeschichten durchstöbert, die sich unter das gemeinsame Label "Helvetica Curiosa" fassen ließen.
Daß die Schweiz ein besonders guter Nährboden für Spinner, Traumtänzer und Eigenbrötler aller Art ist, zeigte ja schon der 2005 von der Vontobel-Stiftung herausgegebene Band "Zürcher Schicksale" ("Revolutionäre und Querköpfe"), der sich hier gratis beziehen läßt. Auch Schriftstellerkollege Martin Suter bewies mit seinem "Beresina"-Drehbuch einen Hang zu Schweizer (und Möchtegern-Schweizer) Charakteren der schrägeren Art.
Capus´ Sammlung, bei der Gottfried Keller mit seinen "Zürcher Novellen" Pate gestanden haben dürfte und deren Geschichten ursprünglich in Zeitschriften erschienen, hat´s tatsächlich in sich. Da ist etwa der einfache Gärtnergehilfe Ernest Perron, der sich mit dem Schah von Persien anfreundet und eine zentrale Stellung an dessen Hof einnimmt, ehe er Hofintrigen zum Opfer fällt. Oder der Schweizer Soldat Max Weibel, der den Zweiten Weltkrieg nahezu im Alleingang um einige Monate verkürzt. Dann noch der Lebemann Geo Chavez, der als erster Mensch die Alpen überfliegt und am Schreck verstirbt. Und der Uhrmachersohn Louis Chevrolet, Begründer der gleichnamigen Automarke, der als verarmter Chevrolet-Mechaniker endet. Noch weniger bekannt ist die vielleicht beste Geschichte des Buches: jene von der Bäuerin Veronika Gut, die nach dem Franzoseneinfall von 1798 zur Waffenschmugglerin und militanten Dauerrebellin wird, die zunächst gegen die Franzosen, dann gegen die Eidgenossen selbst revoltiert.
Alex Capus ist ein Erzähler im allerbesten Sinn. Er schreibt keinen gesuchten, gewollt originellen Stil, sondern einen, der seinem jeweiligen Gegenstand am angemessensten ist. Was im Fall seiner "Wahren Geschichten" auch bedeutet, daß er sich gelegentlich den behaglichen Ton alter Chroniken aneignet. Er scheut sich nicht, fremde Leben aus einer auktorialen Perspektive zu schildern; wissend, daß die intellektualistische Praxis behutsamer Annäherung im Stile eines "Versuchs über ..." ohnehin nur verlogenes Getue ist. Und er wandert so leichtfüßig von einer Biographie zur nächsten, von einem Jahrhundert zum anderen, daß die beträchtliche Recherchearbeit, die in dem schmalen Bändchen stecken muß, nie zu spüren ist. Merkbar wird sie höchstens im Quellenverzeichnis am Ende des Buches. Gerade diese Selbstbeschränkung, das Herausarbeiten des Exemplarischen, Anekdotischen aus der zugrundeliegenden Materialfülle scheint eine wesentliche Leistung.
Diese Lebensgeschichten sind absurd; absurd ist auch der unüberbrückbare Graben zwischen den hochfliegenden Träumen, Plänen und Visionen der Akteure auf der einen und der sie beschränkenden Realität auf der anderen Seite. Sie sind tragisch, da sie in letzter Konsequenz Geschichten des Scheiterns sind. Aber der Rundgang durch dieses historische Tollhaus ist vor allem auch eines: äußerst komisch.
Alex Capus - 13 wahre Geschichten
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dtv (München 2006)
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