Print_Jason Starr - Twisted City

Von nun an geht´s bergab

Daß die Figuren dieses Autors leiden wie die Schweine, sollte kein Grund sein, seine Krimis nicht zu lesen. Schließlich meint es das Leben auch nicht immer nur gut mit uns.    20.12.2006

Wenn jemand so böse schreibt wie Jason Starr, dann kann das nur ein guter sein. Ein guter Autor wohlgemerkt, der seinen Figuren gegenüber das nötige Maß an Sadismus mitbringt. Romane wie "Top Job", "Hard Feelings" oder das nun auch als Taschenbuch bei Diogenes verfügbare "Twisted City" entfalten einen Sog wie eine griechische Tragödie. Und gerade wenn die Protagonisten glauben, es ginge aufwärts, wenn die Niedergeschlagenheit euphorischen Schüben Platz macht, weil sich scheinbar alles zum Besten wendet - gerade dann zieht sie der Strudel mit einem Mal nach unten.

Die Romane ähneln einander, da sie letztlich dieselben Figuren in denselben Situationen schildern. Und dann ist da noch der mit Sinn fürs Reale und Soziale geschilderte Schauplatz: New York, die Stadt, in der alles hetzt, hastet und hackelt, nur um sich die horrenden Preise für Wohnung und gelegentlich Auswärts-Essen leisten zu können. Der berufliche Erfolg steht stets im Mittelpunkt. Die Angst vor wirtschaftlichem Abstieg und Arbeitslosigkeit wird bei Starr geradezu zu einer kollektiven Phobie. Da hat es dann nur seine zynische Folgerichtigkeit, daß gerade dann, wenn der lang ersehnte berufliche Aufstieg erfolgt, längst alles zu spät ist.

Im Fall von David Miller, einem Wirtschaftsjournalisten aus "Twisted City", der schon bessere Zeiten gesehen hat, äußert sich dieser Aufstieg in der Beförderung zum stellvertretenden Chefredakteur einer zweitklassigen Zeitschrift. Was zusätzlich die Laune hebt: Die bislang nur heimlich verehrte Arbeitskollegin scheint sein amouröses Interesse zu erwidern. Und die - wie sich herausstellt - nicht nur leicht verrückte Gespielin, die ihre Beziehung offenbar viel zu ernst nahm, wird er endlich los.

Das Wohlgefühl, das sich daraufhin einstellt, ist jedoch nicht mehr als die kurzzeitige Erleichterung vor dem nächsten Fieberschub. Vor nicht allzulanger Zeit ist Davids Schwester an Krebs verstorben, unter dem Verlust leidet er sehr. Als ihm seine Brieftasche mit einem Foto der Verstorbenen geklaut wird, läßt er sich von einigen Junkies erpressen. Und auf einmal hat er um ein paar Leichen mehr am Hals, als er wieder verschwinden lassen könnte.

Starr beschreibt eine Figur, die im Grunde keine Wahl hat, auch wenn des Verhalten des Journalisten aufgrund eines verschwundenen Bildes zunächst rätselhaft erscheint. Klar, das gleiche Muster kehrt immer wieder: Irgendwann geht´s abwärts, und zwar rasant. Das ist wie im Journalismus, wie der Autor bereits zu Beginn süffisant schreibt: "Jeff Sherman, der hervorragende Chefredakteur der Zeitschrift Manhattan Business, hatte eine Regel - nie mehr als drei positive Artikel hintereinander."

Wiedererkennen kann auch Freude machen. Man denke nur an das ewiggleiche Muster in "Columbo" und an dessen ewig neue Variationen. Bei Jason Starr hat´s bislang tadellos funktioniert - kein Grund also, weshalb nicht auch die nächsten zwei, drei Bücher verschlungen werden sollten.

Reinhard Ebner

Jason Starr - Twisted City

ØØØ


Diogenes (Zürich 2006)

 

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