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Schmauchspuren #7

Überstürztes Kofferpacken, Taxi zum Flughafen, spät eingecheckt - und natürlich die Urlaubslektüre zu Hause vergessen. Da hilft nur der Airport-Krimi. Peter Hiess rät: Fly, Fire & Forget!    12.02.2014

Peter Hiess

Jeff Abbott - Panic

Onyx Books 2006

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Luftlektüre: Ein erfolgreicher junger Dokumentarfilmer erhält einen aufgeregten Anruf von seiner Mutter. Als er bei ihr ankommt, ist alles zu spät: Der Vater ist verschwunden, die Frau Mama ermordet, und er selbst wird überfallen. Damit beginnt die Panik, die Jeff Abott schon im Titel seines Thrillers ankündigt. Der Protagonist ist nämlich stets auf der Flucht, findet dabei heraus, daß seine Eltern Freelance-Spione waren, muß sich gegen irre Intriganten und CIA-Agenten zur Wehr setzen, ergreift erst spät selbst die Initiative. Aber dann richtig. "Panic" ist bis zum Schluß mitreißend, schreit geradezu nach einer Verfilmung und wird hoffentlich auch einmal auf deutsch erscheinen. Mit solchen Büchern vergeht der Flug wirklich ... äähhh ... wie im Fluge. Genau.

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David Hosp - Dark Harbor

Warner Books 2006

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Am Urlaubsort läßt man es dann ruhiger angehen und blättert zwischen den Sehenswürdigkeiten oder vor dem Einschlafen in gepflegter Spannungsliteratur - zum Beispiel im zweiten Airport-Krimi (natürlich ebenfalls in englischer Sprache, damit man wenigstens was lernt): "Dark Harbor" von David Hosp. Der Autor ist einer der vielen amerikanischen Anwälte, die mit der Rechtsverdreherei nicht mehr genug verdienen und daher schreiben. In diesem Fall geht es um einen jungen Anwalt (no na), dessen Exgeliebte scheinbar Opfer eines Serienmörders wird. Doch auch der Held steht unter Verdacht; eine hübsche Polizistin ist ihm auf den Fersen. Und als der Jack-the-Ripper-Verschnitt endlich gefaßt wird, geht die Geschichte trotzdem weiter, da hinter dem Mord eine großangelegte kriminelle Verschwörung steht, die auch mit der dunklen Vergangenheit des Anwalts als Straßenschläger zu tun hat. Das Ergebnis liest sich flott wie früher Grisham und schreckt auch vor blutiger Gewalt nicht zurück. Da könnte man glatt auf einige Sehenswürdigkeiten verzichten.

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Douglas Preston & Lincoln Child - Burn Case – Geruch des Teufels

Droemer/Knaur 2005

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Ähnliches gilt auch für das Abenteuer des völlig überzeichneten FBI-Dandys und genialen Ermittlers Aloysius Pendergast, bekannt seit "Das Relikt", der auch in "Brimstone" ("deutscher" Titel: "Burn Case") des Bestsellerduos Preston/Child einen Fall zu klären hat, der auf den ersten Blick übernatürlich anmutet: Prominente Männer mit zweifelhafter Moral kommen auf rätselhafte Art zu Tode. Der Mörder hinterläßt Schwefelgeruch und einen eingebrannten Hufabdruck - ist es wirklich der Teufel? Während Sektenanhänger gleich die bevorstehende Apokalypse herbeisehnen, setzen sich Pendergast und sein ebenfalls bekannter Mitermittler, Polizeidetektiv D’Agosta, auf die Spur genialer Bösewichte und verrückter Erfinder, die sie bis ins pittoresk gezeichnete Italien führt. Damit ist Aloysius vorerst rehabilitiert. Weitermachen!

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Richard Laymon - Rache / Die Insel

Heyne Hardcore Tb. 2006

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Dieses Motto gilt übrigens keineswegs für Richard Laymon (der aber eh schon 2001 verstorben ist), dessen Spannungsromane jetzt rätselhafterweise in der einst so vielversprechenden Reihe "Heyne Hardcore" erscheinen. Sowohl "Rache" - jugendliche Psychopathen aus L. A. an ein paar heißen Sommertagen - als auch "Die Insel" - Schiffbrüchige, die auf dem titelgebenden Eiland dahingemetzelt werden, was ein jugendlicher Psychopath in seinem Tagebuch festhält - kommen ungefähr auf demselben Niveau daher wie der x-te abgekupferte Teenie-Slasher auf DVD: Protagonisten mit dem intellektuellen und sprachlichen Niveau von Beavis & Butthead, keinerlei nachvollziehbare Motivation, Fixation auf pubertäre Sexualphantasien, idiotischer Plot von Anfang bis zum Schluß. Absoluter Dreck.

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Lawrence Block - The Girl With The Long Green Heart

Hard Case Crime (Dorchester Publ.) 2005

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Da trösten wir uns doch lieber mit einem weiteren Pulp-Taschenbuch aus der US-"Hard Case Crime"-Reihe. Diesmal ist Lawrence Blocks "The Girl With The Long Green Heart" dran - die 1965 von einem Meister des Genres verfaßte Story des Berufsbetrügers Johnny Hayden, der nach einem längeren Aufenthalt in San Quentin eigentlich ein anständiges Leben führen will. Doch das Verbrechen lockt. Ein feister, geldgieriger Provinz-Geschäftsmann soll um sein Geld gebracht werden - und natürlich spielt auch das titelgebende Mädchen eine noir-typische Rolle. Reines Lesevergnügen, zumal der moralische Zeigefinger hier nichts zu deuten hat ...

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Michael Koryta - Tödlicher Abschied

Knaur Tb. 2006

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Und weil wir vorher bei den Anwälten waren: Michael Koryta studiert zwar erst Jus, schrieb aber bereits mit 20 Jahren seinen Debütkrimi "Tödlicher Abschied", der erstaunlich routiniert wirkt und zur Abwechslung keine Gerichtsexeperten, sondern zwei abgebrühte Privatdetektive ins Rennen schickt. Sie sollen den angeblichen Selbstmord eines Kollegen und das Verschwinden seiner Frau und Tochter aufklären - und stechen in ein Wespennest aus reichen Männern, Russenmafia und FBI-Renegaten. Aus dem Kerl wird nicht was, der ist schon was. Ende.

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"Schmauchspuren"


... erscheint in gedruckter Form seit 2005 in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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