Cornelia Travnicek - Fütter mich
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(Verlag Skarabäus)
Wie er mir sagt, daß meine Liebe wahnsinnig wäre. Meine Liebe zu den Wörtern. Wie es nicht reicht. Wie alles auseinanderfällt.
Weihnachtszeit - Zeit der Süßigkeiten und des Süßigkeiten-Schenkens.Außer wenn es nach der österreichischen Autorin Cornelia Travnicek geht: da könnte Ihnen nämlich gehörig der Appetit vergehen. Allerdings nicht aufgrund mangelnder Qualität der im Erzählband Fütter mich enthaltenen Kurzgeschichten; die sind ganz im Gegenteil formal allesamt ein Lesegewinn. Auch inhaltlich - nur, daß es da mitunter direkt ans Eingemachte geht.
Da wird die Frau in der Titelgeschichte täglich mit Weißbrot, Käse, Biskuit und Eis vollgestopft, gleichsam von ihrem Freund gemästet, weil ja Liebe bekanntlich durch den Magen geht. Und die Webcam schaut zu. Da verspeist ein Kind mit Vorliebe bunte und spitze Gegenstände und treibt damit seine Mutter an den Rand des Wahnsinns. Da lädt ein junger Mann einen heruntergekommenen, verlausten Alten zu sich nach Hause zum Essen ein, wo diesen ein gedeckter Tisch und ... eine Tote in der Kühltruhe erwarten. Beinahe allen Protagonisten in "Fütter mich" ist eine verquere Art von Unschuld zueigen, die aber jene Katastrophen, die in scheinbar gesicherter Alltagsrealität entstehen, erst ermöglicht.
Die Autorin wurde mit ihren 22 Jahren schon mit diversen Literaturpreisen überhäuft (was zwar nicht immer ein Qualitätskriterium darstellt, in diesem Fall aber schon), hat einige Bücher veröffentlicht und arbeitet ziemlich sicher schon am nächsten. Laut Eigendiagnose ist sie süchtig nach dem geschriebenen Wort und tendiert dazu, die Frage "Warum schreiben Sie?" mit der Gegenfrage "Und warum schreiben Sie nicht?" zu beantworten. Ohne ein Wort zuviel zu verlieren, bietet Travnicek in "Fütter mich" von jedem unnötigen Wortballast befreite, überraschende und pointierte Storys, die - abgeschmeckt mit hinterfotzig-schwarzem Humor - für nachhaltige Verstörung beim Leser sorgen. Und ist das Unheimliche einmal eingesickert, helfen keine Zuckerglasur und keine Schokofüllung mehr. Einzig der Geruch bitterer Mandeln mag da bestehen bleiben - und die Gewißheit, daß es sowas wie Gewißheiten gar nicht gibt.
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