Thomas Enger: Sterblich
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Skinndod
Blanvalet (D 2011)
An Grausamkeit wieder einmal kaum zu übertreffen, aber trotzdem eine erfreuliche Ausnahme im skandinavischen Thriller-Einerlei. 09.06.2012
Gerade wenn man denkt, das war's jetzt, kommt garantiert ein Verlag daher und präsentiert noch einen weiteren, neuen, skandinavischen Krimiautor, der angeblich in der Tradition stehen soll von, nun ja, wahlweise Sjöwall/Wahlöö oder Mankell oder Larsson oder Dahl oder Adler-Olsen oder weiß Gott wem ... Doch inzwischen wissen wir: In den seltensten Fällen werden derart vollmundig angepriesene Debütanten den Erwartungen gerecht, stattdessen entpuppen sich ihre Romane oft als inhaltsarme Machwerke, die eigentlich nur einem Zweck dienen: nämlich sich rasch noch ein paar Anteile am gerade aktuellen Slasher-Markt zu sichern.
"Sterblich" von Thomas Enger gehört zum Glück nicht wirklich dazu, auch wenn sein Protagonist - wie so viele andere literarische Helden vor ihm schon - von schier übermächtigen Seelen- und Körperqualen gepeinigt wird, während er einem Killer auf die Spur zu kommen versucht, der an Grausamkeit kaum zu übertreffen ist.
Henning Juul, so der Name der Hauptfigur, hat bei einem Wohnungsbrand schwerste Gesichtsverbrennungen erlitten. Damit könnte er leben, wäre bei dem Feuer nicht auch sein Sohn Jonas ums Leben gekommen. Seine Frau gibt ihm die Schuld an Jonas' Tod, hat sich von ihm scheiden lassen und ist jetzt ausgerechnet mit einem von Hennings Kollegen liiert. Mit eben jenem Kollegen soll Henning nun zusammenarbeiten, nachdem er sich endlich wieder ins Leben zurückgekämpft hat und seinen Job beim Online-Magazin 123nyheter antreten möchte.
Die Recherchen in einem ziemlich brutalen Fall von Ehrenmord an einer jungen Studentin sind ihm deshalb ein willkommener Anlaß, um vor dem mißliebigen Kollegen in der Nachrichtenredaktion zu entfliehen. Als er bei seinen Gesprächen mit den Freunden und Angehörigen des Opfers Zeuge einer weiteren Hinrichtung wird, scheint er nicht nur selbst ins Visier des Mörders zu geraten, sondern ist fortan davon überzeugt, daß mehr als nur ein simples Rachemotiv hinter dem Tod des jungen Mädchens steckt.
Da im Präsens und obendrein mit nüchternen Worten erzählt, fällt es zu Beginn schwer, sich in die Geschichte einzufinden - oder überhaupt Zugang zur Hauptfigur zu finden. Henning Juul bleibt blaß und distanziert. Aber nach dem ersten Drittel hat man sich in den eigenwilligen Erzählstil eingelesen, was auch ein Verdienst der Handlung ist, die - kaum daß Henning als Mordzeuge Hals über Kopf die Flucht ergreifen muß - an Fahrt gewinnt. Plötzlich fährt der Autor eine überraschende Wendung nach der anderen auf, und es fällt schwer, sich dem Roman noch zu entziehen.
Nach 410 Seiten klappt man das Buch zu und freut sich: Es gibt also doch noch die eine oder andere Thriller-Überraschung aus dem hohen Norden.
Nur eines noch, ein Wort zum Titel nämlich: "Sterblich" reiht sich natürlich vortrefflich ein in die sattsam bekannten Erfolgstitel der Larssons und Adler-Olsens: "Verblendung", "Verdammnis", "Vergebung", "Erbarmen", "Schändung", "Erlösung". Nur daß es dort wie hier rein gar nichts mit dem Romaninhalt zu tun hat - und noch viel weniger vom großen Einfallsreichtum der Verlage zeugt. Ein Punkt Abzug.
Thomas Enger: Sterblich
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