Kristofer Åström & Hidden Truck - So Much For Staying Alive
Startracks/V2/edel (Schweden 2005)
Mit Fireside hat er sich dem Rock verschrieben. Solo gab er sich bislang zartbesaitet, doch das ist ihm nicht mehr genug. Warum das so ist und was sich geändert hat, erzählte er dem EVOLVER. 29.03.2005
Die Änderungen verlaufen nicht nur quer durch sein aktuelles Album, sondern bis in den Alltag abseits der Bühne. In Sachen Musik hat Kristofer Åström freilich nicht alles umgeworfen. Die Konstante liegt im Themenrepertoire, das sich weiterhin meist aus verunglückter Liebe in ihren unterschiedlichen Schattierungen und auf Resignation folgende Einsamkeit schöpft. Viele der auf "So Much For Staying Alive" befindlichen Songs haben jedoch im Rhythmus angezogen ("The Black Dog") oder wurden in den Arrangements auf schwungvoll getrimmt ("The Wild"). Privat hat der schwedische Songwriter hingegen das Tempo aus seiner Umgebung genommen und Stockholm den Rücken gekehrt. Er habe sich in der Stadt nicht mehr wohl gefühlt, notiert er in den Tagebucheinträgen seiner Homepage.
Ob er im Nachhinein einen Einfluss der Lebensumstände auf seine Musik sieht und die Stadtflucht vielleicht auch seine Art zu Arbeiten verändert hat, kommentiert Kristofer so: "Schon möglich, dass sich durch den Umzug etwas ändern wird. Auf "So Much For Staying Alive" hatte es jedenfalls noch keine Auswirkungen, denn das Album haben wir schon vorher eingespielt. Ich erkannte nur einfach, daß ich etwas tun musste, daß sich etwas für mich verändern mußte."
Als Reiseziel wird Skandinavien für Naturliebhaber und Städtetouristen immer attraktiver, Schwärmereien vom Stil und der Atmosphäre in Kopenhagen oder eben Stockholm als Andenken mitgebracht. Der Abwanderer versteht die Begeisterung: "Stockholm ist ja eine Stadt voller Leben. Ich selber wollte was anderes. Wahrscheinlich hab ich einfach zu beengt gewohnt zu dem Zeitpunkt. Für mich gab es zwei Möglichkeiten - entweder in eine große Wohnung ziehen, aber so einfach sind die auch nicht zu finden und das wäre wahrscheinlich auch teuer geworden. Die zweite Alternative war, aus Stockholm weg und in ein Haus aufs Land zu ziehen, was ich dann ja auch getan habe."
Åström veröffentlicht mit oder ohne Fireside bzw. Hidden Truck, doch wie sieht eigentlich die Schreibarbeit dahinter aus? Arbeitet der Schwede immer nur an den Texten und Melodien für ein bestimmtes Album oder kommen seine Tonträger dann zustande, wenn genug Stücke beisammen sind, die zueinander passen?
"Zufall, Zufall! Die Auswahl passierte bislang eher zufällig. Ich habe mich noch nie hingesetzt, um an einem Album zu schreiben. Man hat ja auch meistens mehr Material auf Lager, so wie es bei mir mal der Fall war. Bevor wir ein Album aufnehmen schicke ich sowieso Demoversionen von Songs an die anderen Musiker, die sie dann kommentieren und ihre Favoriten herauspicken. "The Burn" ist übrigens das erste Stück, das ich jemals für Hidden Truck geschrieben habe. Es ist also seit 1996/97 liegen geblieben. Jetzt habe ich aber auch keine Stücke mehr übrig, mal sehen, was kommt. Vielleicht werde ich mich jetzt tatsächlich mehr auf das gezielte Schreiben für einen Tonträger, eine EP, konzentrieren." Vor das aktuelle Album "So Much For Staying Alive" schiebt sich in der Diskographie "Loupita", ein sehr zurückhaltendes Album ohne Begleitband. "Zuerst hatte ich vor, "Loupita" so aufzunehmen, wie es auch veröffentlicht wurde. Dazwischen hatte ich den Plan, mit Hidden Truck an den Stücken arbeiten. Im Endeffekt hätte es also durchaus zwei Alben mit den gleichen Songs, nur unterschiedlicher Umsetzung, geben können. Dazu hatten die anderen aber keine Lust."
Eine Vorstellung davon, wie sich die Versionen voneinander unterschieden hätten, gibt "The Wild", das auf "Loupita" gezähmt wurde. Ein Album später kommt es seinem Namen indes näher. "Ja, das haben wir noch gemeinsam eingespielt, genauso wie ein weiteres Stück von "Loupita", "Walpurgis Night", das wohl die B-Seite zu einer Single werden wird. Nach diesen beiden Songs war dann aber Schluß mit den Neuaufnahmen."
Zu einem Richtungswechsel kam es auch auf einer anderen künstlerischen Ebene. Beim Artwork fehlte der gewohnte Weichzeichner. "Ich habe bewußt nach einem Cover gegriffen, das man von mir nicht erwartet. Meine Musik wird ja gern als gemütlich, feinfühlig oder schön beschrieben - das hab ich langsam satt. Darum habe ich auch bei den Aufnahmen keine akustische Gitarre angerührt, schließlich habe ich das bei "Loupita" und auf Tour zur Genüge getan. Ich wollte das einfach nicht mehr, weshalb es auch keine Akustikgitarre auf "So Much For Staying Alive" gibt. Mit Ausnahme von "Until Tomorrow", aber da bloß als verschwindender Zusatz. Das Album hat sich zu dem entwickelt, was es ist. Genaue Vorstellungen hatte ich vorher keine, ich wollte lediglich, daß es härter klingen sollte als meine vorhergehenden."
Im Vergleich zu den bisher von Åström gebrauchten Illustrationen ist die Deutlichkeit des Covers ein nicht zu geringer Stilbruch, weswegen man sich noch lange nicht den Kopf zerbrechen muß: "Den Titel hatte ich bereits parat und habe ihn meinem Pianisten verraten. Er meinte sofort, daß er ein Bild gemalt hätte, das wunderbar dazu passen würde. Das Cover interpretieren .... naja, es unterscheidet sich schon stark von früheren Motiven. Ich erhoffe mir dadurch nebenbei, die Erwartungen jener Leute zu brechen, die meine Arbeiten kennen, fände es aber natürlich auch gut, wenn sie es mögen."
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"Doch, doch, man hat es schon leichter als etwa in Österreich, kann ich mir denken. Speziell in jungen Jahren. Wenn du jung bist in Schweden, ist es sehr einfach, sich Instrumente zu leihen und einen Proberaum zu finden." Das hat aber mehr mit dem Stellenwert von Musikunterricht und der Förderung der musikalischen Entwicklung zu tun. Nach dem Erlernen der Instrumente "gibt eine ganze Reihe von staatlichen Fonds und Tourneebeihilfen, um die wir ansuchen können", erzählt Kristofer. "Das können wir tun. Mir wurden schon mehrere Male Beiträge bewilligt. Trotzdem muß man natürlich sehr hart arbeiten, doch in Skandinavien findet man sicher bessere Voraussetzungen für das Musikmachen vor." Wichtig dabei ist, an seinem eigenen, ursprünglichen Ausdruck festzuhalten und sich auch sprachlich nicht zu verfälschen. "Ich singe englisch, und zwar so, wie ich es spreche. Ich versuche erst gar nicht, mir einen besonderen Dialekt anzutrainieren. Viele schwedische Bands singen bewußt britisch oder amerikanisch, was auf mich ein wenig künstlich wirkt. Ähnliches werden sich wohl einige über mich denken. Da kommt einer aus Schweden und spielt eine Musik, die im Grunde genommen sehr amerikanisch ist." Jeder Song hat seine Wurzeln, wo immer sie auch liegen mögen. Der Unterschied liegt darin, ob man sich von einem Stil beeinflussen und inspirieren läßt oder ob man als Kopie enden will.
"Ich muss ja zugeben, daß ich mit Fireside zu kopieren versucht habe, was uns das aber nicht geglückt ist, weil wir uns dabei selbst in die Quere gekommen sind. Gefiel uns ein Song besonders gut, wollten wir ein Stück schreiben, das genauso klingt. Am Ende kam dabei aber immer wieder Fireside heraus. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß es uns doch schon einige Jährchen gibt und wir uns in dieser Zeit zusammengespielt haben."
Auf ein weiteres Beispiel der guten Zusammenarbeit muß man sich noch ein wenig gedulden. "Wir planen, ein neues Album aufzunehmen. Bislang haben wir zwei Stücke und versuchen, mehr zu schreiben. Mal sehen, wie und wie schnell das vorangeht. Vielleicht glückt es uns ja, noch heuer mit der Arbeit daran fertig zu werden, um es im nächsten Jahr zu veröffentlichen."
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Startracks/V2/edel (Schweden 2005)
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