Lewis Carroll - Alice im Wunderland
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Kein & Aber (Zürich 2006)
Eigentlich ist "Alice im Wunderland" für Erwachsene fast noch besser geeignet als für Kinder. Nur: Wenn Senta Berger das Carroll-Buch vorliest, schlafen Alt wie Jung die Füße ein. 20.10.2006
Hörbücher und -spiele mögen ein Popularitätshoch erleben - von der Machart her sind sie dennoch oft genug Schlaftabletten. Im (Schlaf und Nerven kostenden) Selbstversuch macht sich Reinhard Ebner daher auf die Suche nach Hörkunstwerken, die auch zu fortgeschrittener Stunde garantiert wachhalten.
Der Abend davor: Eigentlich hat Lewis Carroll (alias Charles Lutwidge Dodgson), britischer Mathematiker des vorletzten Jahrhunderts, mit seinen "Kinderbüchern" eine Entwicklung vorweggenommen, wie sie für erfolgreiche Animations- und Zeichentrick-Abenteuer heute charakteristisch ist: Über der - meist turbulenten - Handlungsebene für die kindliche Zielgruppe wird ein Zwischenstock eingezogen, in dem auch die erwachsenen Begleiter den Film unbeschadet durchschreiten können - die "Adult"-Variante eines Insider-Schmähs sozusagen. Das beste Beispiel dafür ist "Shrek", der klar für Erwachsene gemacht ist und bei Kindern mit seinem klassischen Märchenplot sowie Slapstick bis zum Abwinken dennoch funktioniert.
Ähnnlich, wenn auch auf anderem Level, spielt es sich bei Carroll ab, der sich mit seinem viktorianischen Anarcho-Humor (gemeinhin ein Widerspruch in sich) dem Literaturkanon eingeschrieben hat. Wobei nicht nur auf seine Kosten kommt, wer´s mit Sprachspielereien (unbedingt das Original lesen!) oder der Logik hat (die Kapitel der Fortsetzung "Through the Looking Glass" sind gemäß den Zügen eines Schachspiels aufgebaut): Wasserpfeife rauchende Raupen, psychedelische Schwammerln und ein Schweinebutzerl als Thronfolger - das hat doch bitteschön was! Entsprechend groß ist die Vorfreude auf die drei CDs von Kein & Aber Records, die knappe drei Stunden Unterhaltung versprechen.
Hörphase: Die Handlung kennt man: Alice langweilt sich, wird schläfrig. Ein weißer Hase mit Taschenuhr hoppelt vorbei, sie läuft ihm nach. Es folgt ein bodenlos scheinender Sturz in die vermeintliche Hasengrube ...
Und dann sollte es eigentlich rund gehen, eine entfesselte Phantasie fröhliche Urständ´ feiern. Aber wo Anarchie und Leichtigkeit herrschen müßten, kommt hier bloß Fadesse auf, nicht einmal "gepflegte" Langeweile wie im Fall der endlosen Teeparty von Hutmacher, Haselmaus und Märzhase. Die Schuldige ist schnell ausgemacht: Senta Berger als Vorleserin hat sowas von "Wiener Großbürgerin liest armen Arbeiterkindern aus der Vorstadt mal ein gutes Buch vor", daß einem die Grausbirnen aufsteigen.
Immerhin schaffe ich es bis zur Stelle, an der Alice nach rasanten Wachstums- und Schrumpfungsprozessen dank - vermutlich verschreibungspflichtiger - Saftln endlich aus dem Hasenloch ins Freie entkommt. Damit bin ich also noch am Beginn des Buchs, noch bevor der ganze Wahnsinn so richtig ins Rollen kommt. Dann entwische auch ich - bloß leider nicht in den Schlaf, sondern durch Drücken des "Stop"-Knopfes am Discman in eine verlängerte Wachphase mit dem Print-Original des Buches.
REM-Phase: Seit wann hat das Jefferson Airplane seine Einflugschneise genau über meinem Bett? Und sind das tatsächlich die Flugzeugturbinen, die da "White Rabbit" (Album: "Surrealistic Pillow") surren und summen? Um einzuschlafen, hilft da nur eines: die Flamingo-Schläger zählen, die die Herzkönigin nach einem verlorenen Krocket-Spiel um einen Kopf kürzer machen ließ.
Der Morgen danach: Also, nach meinem Dafürhalten kann man sich die Kein & Aber-Hörbuchfassung von "Alice im Wunderland" ja getrost sparen - zumal reine Vorleseübungen auf CD die Aufmerksamkeit von Kleinkindern ohnehin nicht lange fesseln. Und es gibt wesentlich Besseres: etwa die Hörspielfassung des HörVerlags unter der Regie von John Clark und Karin Hahn. Da wird gesungen, gegurrt und gegrunzt, daß es eine Art hat.
Im Sinne eines aussagekräftigen Samples (n=2) aus der potentiellen Hörerschaft lege ich die Ohrstöpsel tags darauf auch meinem sechsjährigen Sohn an. Zusammen kommen wir immerhin auf das werberelevante Durchschnittsalter von 19,5 Jahren.
Sein Kommentar nach dem zweifelhaften Vergnügen: "Die Alice brauchst mir nimmer geben. Die ist fad." Lieber zieht er sich zum hundertsten Mal Winnie the Pooh rein. Recht hat er.
Lewis Carroll - Alice im Wunderland
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Kein & Aber (Zürich 2006)
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