Stories_Sioen/Interview

Meister der rauhen Stimme

Sein Platz ist an Mikro und Konzertflügel. Der Singer/Songwriter aus Gent spielt aufregende Songs zwischen Rock und Jazz - und spricht nebenbei mit dem EVOLVER.    24.08.2004

In Belgien wird der 25jährige aus Gent, der sich den Künstlernamen Sioen zugelegt hat, für sein Debütalbum als neuer Fixstern am Musikhimmel gefeiert. Anläßlich der internationalen Veröffentlichung von "See You Naked" stand er dem EVOLVER Rede und Antwort.

 

EVOLVER: Die Songs von "See You Naked" haben etwas Konzertpianistisches. Wie sieht dein musikalischer Hintergrund eigentlich aus?

 

Sioen: Ich wurde lange Zeit von meinem Vater, einem Musiklehrer, unterrichtet, lernte Querflöte und Klavier. Durch ein paar Kumpels bin ich in eine Rockband geschlittert, deren Sänger ich dann sechs Jahre lang war. Zwischendurch arbeitete ich aber auch schon an eigenen Nummern, mit denen ich etwas später solo auftrat.

 

EVOLVER: Seit wann trittst du als Sioen in Erscheinung?

 

Sioen: Mein erstes Konzert hatte ich im Oktober 2000, und seither entwickelte hat sich alles sehr schnell weiter.

 

EVOLVER: Du mußtest also nicht lange warten, bevor Medien und Publikum dich entdeckten?

 

Sioen: Nein, eigentlich nicht. Ein bißchen Aufmerksamkeit bekam ich durch Nachwuchsbewerbe im Rock-Genre. Mit den Preisen in der Hand fiel es uns dann natürlich auch leichter, weitere Auftritte zu organisieren - nicht zuletzt deshalb, weil ich mit Band, aber auch als Solokünstler auftreten kann. Seit im Vorjahr "Cruisin" als Vorbote auf das Debütalbum ausgekoppelt wurde, hat sich das Tempo der Veränderungen ungemein erhöht. Alles dreht sich jetzt rasend schnell weiter. Ich erhielt beispielsweise auch das Angebot, den Soundtrack für einen belgischen Film zu komponieren, der bei uns mit großem Erfolg lief.

 

EVOLVER: Fühlst du dich durch die vielen, in relativ kurzer Zeit erwiesenen Lobesbezeugungen nicht etwas unter Druck gesetzt?

 

Sioen: Nein, ganz im Gegenteil. Daß ich und meine Arbeit anerkannt werden, erleichtert mich. Zwar wird dadurch die Latte ein wenig höhergelegt, aber Angst habe ich davor auf keinen Fall.

 

EVOLVER: Am Anfang bist du allein am Piano gesessen. Mittlerweile wirst du aber von mehreren Musikern begleitet. Ist das deine fixe Band, die dich auch künftig auf Tournee begleiten wird?

 

Sioen: Ich lasse mich jetzt fast immer von der Band begleiten - und ja, sie wird auch mit auf Tour gehen. Die Band besteht aus einem Gitarristen, einem Bassisten, einem Drummer und einem Violinisten. Wir sind richtige Freunde geworden und arbeiten jetzt auch enger zusammen, schreiben die Nummern fürs nächste Album gemeinsam. Trotzdem wird das Projekt weiterhin Sioen heißen.

 

EVOLVER: Welche Musik hörst du eigentlich? Wer hat dich beeinflußt?

 

Sioen: Vor allem die belgische Rock-Szene dürfte mich beeinflußt haben, denke ich. dEUS, Zita Swoon, Evil Superstars, Wizards Of Ooze, Arno ... Aber daneben höre ich allerlei Musik, von Pop über HipHop und Rock bis zu Klassik und Jazz. Von Miles Davis zu Bob Marley, Jimi Hendrix, Jeff Buckley, Tom Waits, Prince, The Beatles, D´Angelo ... Alle Großen halt.

 

EVOLVER: Wie willst du dann eigentlich deine Musik beschrieben wissen?

 

Sioen: Schwer zu sagen, aber Rock/Pop mit Einflüssen aus Jazz, Funk und Soul beschreibt es wohl ganz gut, obwohl ich mich selbst ja nicht in einem bestimmten Genre angesiedelt sehe. Für mich ist Musik ein sehr weit zu fassender Begriff.

 

EVOLVER: "See You Naked" erscheint jetzt auch außerhalb Belgiens. Was erwartest du dir von der Veröffentlichung jenseits der Landesgrenzen?

 

Sioen: Diesen Sommer spielen wir viele Festivals in Belgien und den Niederlanden, etwa bei "Rock Werchter", um uns danach für die Arbeit am zweiten Album ins Studio zu verziehen. Ich hoffe, daß wir im Anschluß daran vermehrt im Ausland auftreten können. Falls das nicht klappt, werde ich natürlich enttäuscht sein, aber in erster Linie deswegen, weil dann die ganzen Anstrengungen unseres eigenen Labels umsonst gewesen wären. Überraschen würde es mich nicht, wenn nix daraus wird - schließlich schreibe ich ja aus meiner eigenen kleinen Welt, in einem kleinen Land. Musik wird ja nicht in jedem Land gleich geschätzt und auf die selbe Weise interpretiert. Es würde mich also eher überraschen, wenn mir der Durchbruch auch international gelingen würde. Aber wir werden sehen ...

Bernadette Karner

Sioen - See You Naked


Keremos/MMS/Ixthuluh (Belgien 2003)

 

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