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Verleihung des Büchnerpreises : Leere Ränge, leerer Stream

Die Schriftstellerin Elke Erb hielt ihre Dankesrede bei der Verleihung des Georg-Büchner-Preises, während sie selbst im Publikum saß. Bild: dpa

Kulturlosigkeit ist auch eine Frage der medialen Darreichung: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht in Darmstadt ihre Preise, aber fast niemand schaut per Livestream zu.

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          Vor dreißig Jahren fragte Elke Erb in einem ihrer Gedichte: „Woher soll ein Sinn für Kultur kommen in einem Land, / das kulturlos wirtschaftete?“ Gemünzt war das damals auf die DDR, doch es wird bald ebenso passen auf die Bundesrepublik des Weiterwirtschaftens im Kulturlockdown. Der tritt heute in Kraft, doch vorgestern konnte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung noch den Büchnerpreis, die wichtigste Literaturauszeichnung des Landes, sowie ihre beiden Preise für Literaturkritik und Wissenschaftsprosa übergeben, wenn auch unter extrem eingeschränkten Bedingungen: mit etwa dreißig Teilnehmern im Großen Saal des Staatstheaters Darmstadt, der regulär knapp tausend Menschen Platz bietet. Unter den dreißig ist auch die Büchnerpreisträgerin Elke Erb, zweiundachtzig Jahre alt, Höchstrisikogruppe, aber unverdrossen angereist aus Berlin.

          Andreas Platthaus

          Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

          Und dann betritt sie die Bühne, ganz klein und etwas wackelig, am Arm des Akademiepräsidenten Ernst Osterkamp, unanständig unabständig in diesen Corona-Zeiten. Aber als sie da oben steht, lacht sie mädchenhaft hell auf bei der Verlesung der Preisurkunde, in der sie als „unverdrossene Aufklärerin“ charakterisiert wird. Wenige Minuten später wird sie Georg Büchner, den Namensgeber der Auszeichnung, gegen das gleiche Lob in Schutz nehmen: „Ich weiß nicht, wie ich diese Sprache nennen könnte“, sagt sie über Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“. „Es sind Gedichte, aber auch wieder nicht. Gewiss nicht Agitation, kein Überzeugenwollen. Am ehesten gleichen sie doch Gedichten, jedenfalls nicht Agitation oder gar Aufklärung.“ Und dann verliest Elke Erb über zwei Drittel ihrer Redezeit hinweg Zitate aus „Leonce und Lena“.

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