Bist im Leib gebacken, Rohhaut, wie andere auch:
weiche, durchblutete, wunde Schale.
Wohlbehütet von warmem Muttertreiben überdauerst du erste Jahre.
Irgendwann dann werden Händlerhände deiner habhaft in ursächlicher
Reinheit.
Um zu vermeiden, dass du Schaden nimmst, sagen sie, musst du schnell
gesalzen sein.
Trockengelegt, Rohhaut, damit du dich konservierst.
Überflüssiges, was den Prozess gefährdet, wird hurtig entfernt.
Dein Haar, Rohhaut, dessen Feinheit die Handhabung erschwert,
dein fäuleaffines,
nahrungsbedürftiges Gewebe, dein feines schmelzwilliges Fett:
Sie alle müssten zu sehr versorgt sein. Sie werden skalpiert.
Man hält dir den Mund, Rohhaut, lehrt dich das Schweigen.
Sie legen dich in eisiges Wasser, dass der Atem dir bricht, die Röte
sich steigert.
Die Weiche, sie reinigt, die Weiche, sie rehydriert:
auf kontrolliert aufschließende Weise.
Du wirst dich nicht wiedererkennen, Rohhaut, sie haben Großes mit dir vor:
Du badest in Kalkmilch bis dir der Flaum ausfällt, die Gefüge deiner Fasern
lockern sich,
Tage verbringst du in alkalischer Lösung, weich sollst du werden und
aufnahmebereit –
Was sie von dir wollen? Größtmögliche Blöße.
Aufgeschlossen ziehen sie dich aus den Sulfiden:
Jetzt bist du bereit, entfleischt wirst du, Rohhaut, am Gerberbaum ziehn sie
dein inneres Fell ab.
Sie trennen, was sie verwenden können, sie meinen es gut:
Die Reste selbst leimen und füttern, keine Substanz wird vergeudet.
Doch erreicht dich kein Trost.
Angeschwollen sind deine Poren, nichts geht mehr hinein.
So wird die Zeit der Entkälkung, danach schreien sie vor Durchlässigkeit:
und werden gebeizt und gefüttert.
Bald, Rohhaut, wirst du würdig, zum ältesten Stoff der Menschheit zu zählen.
Aus wilder, wahrloser Mitte genommen, bist Leder jetzt:
raffinierteste Matrix der Gerber.