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Karin Posth

* 1945
Marienbad (Tschechien)

Vita

Übersetzerin (FH Köln) und Versicherungsfachwirtin (IHK Köln).

Veröffentlichungen seit 2011 u.a. in der Anthologie zum Feldkircher Lyrikpreis 2012 und 2014, in Versnetze_sieben, Versnetze_acht, Lyrik im Verlag Ralf Liebe, in der Geburtstagsanthologie "Der Königin der Poesie" für Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag, Verlag Edition Art Science.

Auszeichungen und Preise (Auswahl)

2015 Preisträgerin Lyrikwettbewerb postpoetry.NRW
2016 Preisträgerin Schreibwettbewerb Ue70ch
2019 1. Nahbellförderpreis

Auswahlbibliografie

Ein Gefühl, das nicht trägt
Karin Posth
Ein Gefühl, das nicht trägt
Kid Verlag
2019
an diesem ort, wo alles rauscht..
Karin Posth
an diesem ort, wo alles rauscht..
edition art science
2018
der code der nächtlichen träume
Karin Posth
der code der nächtlichen träume
edition art science
2017
der himmel ist kein geschenk
Karin Posth
der himmel ist kein geschenk
edition art science
2013

Textfläche

sintflut

der himmel legt brennholz nach.

wir kriechen auf allen vieren

durchs haus und sehnen uns

nach der morgenfrühe zurück.

noch während wir den tau auf den

wiesen spüren, wird der tag schwarz.

wolken halten eine versammlung ab.

seite an seite türmen sie sich auf,

schrauben den deckel über uns

enger. der mond kommt früher

zur schicht. er spricht mit den

sternen und beklagt sich über die

finsternis. dann brechen die dämme

der wolkenmauer. flüsse und

meere steigen und füllen die

landschaft bis zum rand mit

schlammigen seen. außer

reichweite rettende inseln. niemand

hat uns gewarnt vor der sintflut.

01.04.2015  ·  Aus: DER HIMMEL IST KEIN GESCHENK, Karin Posth, Lyrik der Gegenwart 34, 2013, Edition Art Science

die pasterze

unter dem faltenwurf der gletscherzunge spuren
von klee. der geruch nach dung. speckiges weiß
öffnet dem licht den blick. glattes türkis blendet
das himmelsblau. am zungenrand halbwegs
verborgen: glasklare fäden. vom flüstern zum
klirren, wenn die talfahrt sie zu strängen spinnt.
der unheilschwangere see. das gefecht der
steine, sich wund reibend an schroffen wegen
hinunter zum rückzugsort, wo sie ihre
geschundenheit in wände ritzen. beim
kirchgang dachten die menschen an sie
wie an nichts.

01.04.2015  ·  Aus: DER CODE DER NÄCHTLICHEN TRÄUME, Karin Posth, Lyrik der Gegenwart 66, 2017, Edition Art Science

auch das hatte hier seine zeit (Zyklus)

I
ich nehme die route zum nordpol
not a big deal
wenn nicht im weiß die haut treibt
und nicht im eis mein schweigen
in the footprint of mankind führt mich
camille seamans kamera
zu den fundstücken vom ende der ewigkeit
at this time
zu form und form & klang und klang
ein anstieg von magisch verzaubernd und
faszinierend bewegend schafft ratzfatz
zugang wie zu einaudis musik
fundstücke atmen aus zwischen blau und blau
es treiben sie winde und ströme

01.04.2015  ·  Aus: AN DIESEM ORT, WO ALLES RAUSCHT UND SCHÄUMT, Karin Posth, Lyrik der Gegenwart 76, 2017, Edition Art Science

der hurrikan

zwischen ozean und himmel
verhöhnt der herrscher der luft
seit tagen die hafenstadt.
während er sich aufbaut
als einäugiger riese, nimmt er
dem horizont das durchsichtige und das helle,
trägt das dichte und dunkle an land.
er überlässt uns
der angst. wir verstummen und starren
in schwärze. von weitem hören wir
die schreie der möwen, die nicht
hinausfinden und vergebens löcher
in wände stanzen. an land
das paaren von sturm und regen.
sie stampfen über das rückgrat der
küste hinweg. wüten. wühlen.
reißen an dächern,
reißen an bäumen und büschen.
führen stur den befehl des
grimmigen herrschers aus.
tagsdrauf atmet die landschaft verlegen aus.
ausgeblutete farben. geröll, gestrüpp, gestein.
nach wochen hält der schoß neues
grün bereit. alles fängt
noch einmal an. wir
staunen, dass es weitergeht.

01.04.2015  ·  Aus: DER CODE DER NÄCHTLICHEN TRÄUME, Karin Posth, Lyrik der Gegenwart 66, 2017, Edition Art Science

auch das hatte hier seine zeit (Zyklus)

III
kommt das schlauchboot zum stillstand kommt
die schraffur zur ruhe ohne motor
tickt selbst in den köpfen nichts
der gewölbte bug öffnet im spiegelbild
weit sein maul
ein brüchiges schweigen ragt aus dem wasser
die form von
what will this world look like in future
es gibt kein wenn jeder berg wird einmal flach
& verschluckt mit einem rest an licht
körper lösen sich knarzend
aus der umklammerung
kristalle jahrtausendelang
in die knechtschaft geführt
von der kante stürzt eine ewigkeit
mit riesigen händen fing es an
auf ihrem weg über granit geleiten
steinschwarze streifen die blöcke zum meer
das wasser holt sich zurück was wasser war

01.04.2015  ·  Aus: AN DIESEM ORT, WO ALLES RAUSCHT UND SCHÄUMT, Karin Posth, Lyrik der Gegenwart 76, 2018, Edition Art Science