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ich denke an die zerbrechlichkeit aller körper ...
Liebe Monika Vasik, lieber Timo Brandt,
wenn Ihnen die einen oder anderen Gedichte nah gekommen sind, Sie berührt worden sind, so ist dies wunderbar, wie ich finde.
Ich selbst merke seit Jahren immer deutlicher, wie unängstlich oder geradezu angstfrei ich beim Schreiben bin/werde (obwohl ich im Leben ein eher ängstlicher Mensch bin), und wie diese Unängstlichkeit dazu führt, dass alle Gefühle zugelassen werden in den Gedichten, dass es schon lange keine Sorge mehr gibt, „zu viel von sich preiszugeben“ oder „zu oft ich zu sagen“ oder „zu privat“ zu werden oder dergleichen. Beim Letzteren ist mir die oft besagte Grenze zwischen persönlichen Texten (= gut, intensiv) und zu privaten Texten (= nicht so gut, …) ehrlich gesagt noch immer ein Rätsel. Ich habe zumindest noch keine Definition gehört, die mich überzeugt.
Meinem vorletzten Gedichtband (luxbooks, 2013) hatte ich ein Zitat von Robert Walser aus dem Jahr 1945 vorangestellt: „Finden Sie nicht auch, dass die jetzigen Lyriker zu malerisch empfinden? Sie haben geradezu Angst, ihre Gefühle zu zeigen. Da suchen sie denn als Ersatz nach originellen Bildern. Aber machen Bilder das Wesen eines guten Gedichtes aus? Gibt nicht erst die Empfindung jedem Gedicht seinen Herzschlag?“
Das ist ein Zitat, das im Grunde auf alle Gedichte des letzten Bandes, aber auch auf den neuen Band abstrahlt. Man kann auch sagen, die Gedichte der letzten beiden Bände wollen Walsers Behauptung vom gefühlsängstlichen Dichter möglichst widerlegen. Auch der Begriff „Herzschlag“ eines Gedichtes gefällt mir, drückt er doch aus, dass Gedichte, die so einen Herzschlag haben, lebendig sind, das heißt wirken können, berühren können. Für mich ist der Herzschlag eines Gedichtkörpers zunächst das Wichtigste, eine Art Schlüssel, wenn ich selbst Gedichte lese. Ohne diesen Schlüssel kann ich einen Gedichtraum nicht wirklich betreten, kann nur unberührt durchs Fenster gucken. Auch durchs Fenster kann ich natürlich Entdeckungen machen, aber ich stehe eben nicht im Raum und ich kann die Dinge dort nicht anfassen bzw. die Dinge dort können mich nicht anfassen. Umso schöner also, dass Sie die Räume betreten haben!
So, das war in gewisser Weise noch eine verlängerte Einleitung, Begrüßung, Vorstellung.
Mit besten Grüßen,
Carl-Christian Elze