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Porträt des Maulwurfs als desillusionierter digital native
Langsam kristallisiert sich, will mir scheinen, ein Themenkomplex heraus, der zumindest mir die Karte neu erschließt (und das, obwohl ich die Form hinter mir lassen wollte) – las ich sie zuvor noch als reale, physisch erfahrbare Welt (Wald), in der von Baum zu Baum, von einer Insel/Monade zur anderen gewandert werden kann (und die sich insofern entgrenzen), so »drift[et] entlang der bisher vermuteten linie« meine Sicht nun hin zum Virtuellen, Digitalen. Daher auch eine Revision des Wortes »Oberfläche«: Nicht surface, sondern interface, denn die Wechselbeziehungen, die Kommunikationsversuche, der Wunsch, die/den Andere/n im (sozialen) Netzwerk und vor allem darüber hinaus greifen zu können, also all die Dinge, die »wir im Internet erleben«, werden, wie Kristoffer schreibt, »nicht nur inhaltlich, sondern auch formal [als] Erfahrung aufs Papier« gebracht und erlebbar. Wie bei einem Hypertext wird die hierarchisch lineare Ordnung zugunsten einer Multilinearität aufgegeben[1], die assoziativ-sprunghafte Struktur dem Inhalt und der Form gleichermaßen eingeschrieben und die monadischen Einheiten gehen Verbindungen (Konnexionen) ein, werden zu Vielheiten (»wir treten in schwärmen auf«), werden Teil eines Rhizoms (überhaupt lässt Deleuze, so scheint mir, in vom wuchern häufig grüßen, sei es ob der rhizomatischen Struktur, der Prozesshaftigkeit, der Komposition des Chaos’, der Faltung und also der barocken Gattungsmischung sowie Regelhaftigkeit o.a.m.). Die Konnexion hat demnach die Konjunktion ersetzt, und so tritt in einem Liebesgedicht wie big data love anstelle einer wirklich emphatischen Verbindung zweier Körper bloß noch der Kontakt über virtuelle Sphären auf den Plan (»ich suche dich/ ich sporne die suchmaschinen an«). Zwar lässt sich auch in solchen Räumen verbunden sein, wie sich etwa in dem »wir« in den Fukushima-Gedichten block 7+8 zeigt (oder auch in wir sind in bewegung), aber wenn ich der linearen Leserichtung folge und die ersten beiden Pantumzeilen lese (»nach der nacht die hände in den taschen/ leises zwicken an der schädelkalotte«), lese ich darin nun eine Ernüchterung, ein Resignieren – der Traum vom allesverbindenden Internet hat sich ausgeträumt. Und auch der Maulwurf, der zwar an sich rhizomatisch lebt, »sieht nur mit den händen gut«, d.h. auch er verlangt nach dem Realen (oder um ihm einen Pollesch-Satz ins Maul zu legen: »Ich habe Nahweltbedarf.«).
[1] Diesem skizzenhaften Interpretationsansatz folgend könnten dann die Aphorismen u.a. als zu Schrift gewordene Katzenbilder gelesen werden.