Sechs synthetische Gedichte
José Juan Tablada
Das Vogelhaus
Gleichzeitig unterschiedliche Gesänge;
Das musikalische Vogelhaus
Ist ein Turm von Babel
Die Geier
Es regnete die ganze Nacht
Und sie schafften es nicht, in der Sonne
Die Federn zu kämmen, die Geier
Die Bienen
Ohne Unterlass tröpfelt
das Bienenhaus Honig;
Jeder Tropfen eine Biene...
Die Weide
Zarte Weide
Fast Gold, fast Bernstein
Fast Licht...
Trockene Blätter
Der Garten ist voller trockener Blätter;
Noch nie habe ich so viele Blätter in seinen grünen
Bäumen gesehen, im Frühling.
Das Pferd des Teufels
Pferd des Teufels:
Nagel aus Glas
Mit Schwingen aus Talk.
Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz.
Der 1919 veröffentlichte Gedichtband Un día ... poemas sintéticos, aus dem die Vorlagen stammen, wurde vom Autor selbst illustriert.
Der längere Zeit fast vergessene mexikanische Dichter José Juan Tablada (1871-1945) war auch Kunstkritiker und Diplomat. Unter anderem bereiste er Japan (1900) und übersetzte und verfasste später Haiku. Die Einführung dieser Gedichtform in die spanischsprachige Literaturwelt ist ihm zu verdanken. Wie diesen Kostproben zu entnehmen ist, setzte er sich mit Haiku formell und vor allem inhaltlich auf eine freie, eigenständige Weise auseinander.
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