Cross Over
Herausgeber: Johannes Beilharz

Und wenn nach so vielen Worten

César Vallejo  

 

Und wenn nach so vielen Worten
das Wort selbst erlischt?
Wenn nach dem Flügelschlag der Vögel
der stillstehende Vogel nicht überlebt?
Da wär’s doch wirklich besser,
ganz einfach alles hinzuschmeißen und damit basta!

Sind wir geboren, um vom eigenen Tod zu zehren?
Vom Himmel zur Erde aufzusteigen
kraft eigener Missgeschicke,
in Erwartung des Augenblicks, in dem der Schatten die eigene Dunkelheit löscht?
Da wär’s doch, offen gesagt, besser,
ganz einfach alles hinzuschmeißen, und das war’s dann!

Und wenn wir nach so viel Geschichte umkommen,
nicht etwa wegen der Ewigkeit,
sondern wegen einfacher Sachen, wie
zu Hause zu sein oder sich Grübeleien hinzugeben!
Und wenn wir dann feststellen,
aus heiterem Himmel, dass wir leben –
zu entnehmen der Höhe der Sterne,
dem Kamm und den Flecken auf dem Taschentuch!
Da wär’s doch, in Wahrheit, besser,
ganz einfach alles hinzuschmeißen, und zwar sofort!

Man wird sagen, dass uns
ein Auge schmerzt,
und auch das andere,
dass uns beide offenen Augen schmerzen.
Na und! ... Klar ... Also dann! ... Kein weiteres Wort!

(Y si después de tantas palabras)

Aus dem Spanischen übersetzt von Johannes Beilharz. Das Original stammt aus dem Band Poemas humanos, veröffentlicht 1939.

Eine argentinische Ausgabe der Poemos humanos aus dem Jahr 1961.

“Der peruanische Dichter César Vallejo, einer der größten des 20. Jahrhunderts überhaupt, starb Ostern 1938 (am Karfreitag) in Paris. Das Gedicht Y si después de tantas palabras ist eines seiner bekanntesten und wurde von Hans Magnus Enzensberger in einer 1963 bei Suhrkamp erschienenen Auswahl übersetzt. Inzwischen gibt es weitere Übersetzungen, u.a. auch von Curt Meyer-Clason (1998), die ich aber nicht gelesen habe. Meine Übersetzung ist kein Versuch, Enzensbergers Version zu verbessern, sondern bietet eine andere deutsche Variante an, die sich an manchen Stellen weniger Freiheit nimmt und an anderen mehr.”

Johannes Beilharz

Erinnerung an César Vallejo von Nicolás Guillén, übersetzt von Johannes Beilharz

 

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