hochroth [Heidelberg] - ein achtteiliges Verlagsportrait
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Teil 8: hochroth Heidelberg
Das jüngste hochroth-Familienmitglied ist hochroth Heidelberg, das es seit 2018 gibt. Hier findet man Lyrik und kurze Prosa. Der Schwerpunkt liegt dabei zum einen auf Lyrikübersetzungen aus dem Spanischen und zum anderen auf zeitgenössischer deutschsprachiger Lyrik. Von hochroth Heidelberg möchte ich daher gerne eine Übersetzung aus dem Spanischen vorstellen, und zwar Spiegel der Spione von Ángeles Mora.
Ángeles Mora: Spiegel der Spione. Espejo de los espías. Aus dem Spanischen von Geraldine Gutiérrez-Wienken und Martina Weber. hochroth Heidelberg 2019.
Der Gedichtband enthält 17 Gedichte von Ángeles Mora auf Spanisch und in deutscher Übersetzung von Geraldine Gutiérrez-Wienken und Martina Weber. Auf manafonistas.de kündigt Martina Weber das Buch an und Geraldine Gutiérrez-Wienken erzählt, wie harmonisch das gemeinsame Übersetzen für sie war:
Da es ein sonniger Nachtmittag war, schlug Martina vor, eine Radtour zu machen und die Arbeit im Park fortzusetzen. Sie sagte, sie hätte ein Fahrrad für mich, ihr Ersatzrad, ein Faltrad. Mir gefiel die Idee. […] Dort sprachen wir über (unsere) Kindheit, Kinderspiele, die Angst der Kinder sowie über die Siesta, Sitten und Bräuche der Spanier. Martina wollte genau wissen, wie der Wagen, der im Gedicht skizziert wurde, aussah und wie das lyrische Ich darauf stand. Ich führte Martina vor, wie sich das kleine Mädchen (das lyrische Ich) auf dem Holzwagen bergab bewegte. […] Und das schönste war ihr Vers „Ich bremste nie“ (nunca frené). Dieser Vers verwandelte sich nun in eine Art Pfad für unsere gemeinsam übersetzte Publikation
Die Erinnerung an die eigene Kindheit (die des schreibenden Ichs) ist ein wiederkehrendes Motiv in vielen der Gedichte. Mit der eigenen Geburt zur „Unzeit“ / „A destiempo“, wie der Titel des ersten Gedichts lautet, beginnt der Gedichtband ganz am Anfang eines Lebens, bzw. des Lebens.
Ich bin in einer Silvesternacht geboren,
in der Kälte des Dezember.
[…]
Ich bin zu spät ins Jahr gekommen, in ein Jahr,
das dabei war zu gehen.
Und das kommende hat mich im Schlaf gefunden.*
Nací una noche vieja
del frío de diciembre.
[…]
Llegué muy tarde al año que se iba
y el que venía me encontró dormida.
Ein Leben, das im Niemandsland zwischen zwei Jahren beginnt ist eine starke Setzung und Metapher für das ganze Leben dieses Kindes, das zu spät oder zu früh, in jedem Fall aber zur Unzeit, einer ungeheuerlichen Bezeichnung für eine Geburt, das Licht der Welt erblickte.
Das schreibende Ich ist durchgehend sehr präsent in den Gedichten, an einer anderen Stelle im Band in einem Gedicht mit dem Titel „Poetik“ / „Poética“ heißt es:
Ich weiß, dass ich hier bin,
um mein Leben zu schreiben. […]*
Yo sé que estoy aquí
para escribir mi vida. […]
Die Dichterin schreibt ihr Leben und nicht über ihr Leben. Das ist ein feiner aber ganz essentieller Unterschied, den man sich beim Lesen der Gedichte immer wieder in Erinnerung rufen sollte.
Der Band enthält eine Gedichtauswahl, gewährt also Einblicke in ein größeres Werk und weist damit über sich selbst hinaus, ist zugleich aber auch für sich genommen stimmig, weil es viele Bezüge zwischen den einzelnen Gedichten gibt. So gibt es beispielsweise nicht nur ein Gedicht mit dem Titel „Das Gestern“ / „El ayer“, sondern auch eines mit dem Titel „Zukunft“ / „El futuro“. Neben Kindheitserinnerungen thematisiert Ángeles Mora Sprache und Poesie in vielen ihrer Gedichte und findet ungewöhnliche Metaphern für beide. So ist Sprache in einem ihrer Gedichte ein verletzter Maulwurf, „der nicht gräbt, / der stumm bleibt“ während die Poesie in einem anderen Gedicht verletzend wie zwei kleine Kakteen auf dem Bücherregal sein kann. Und es geht in den Gedichten von Ángeles Mora auch um Glück und Liebe:
[…] Wenn du dem Herz,
das sich dir öffnet,
Wasser gibst,
kannst du glücklicher sein,
als wenn du es herausreißen würdest. […]*
[…] Regando el corazón
que se te ofrece
puedes ser más feliz
que si lo arrancas. […]
Womit ich nun am Ende meines Verlagsportraits angelangt wäre, in welchem ich je ein Buch aller derzeit acht hochroth Standorte vorgestellt habe. Ein kleiner Einblick in die ebenso vielfältige wie vielschichtige Welt von hochroth, in der es selbstverständlich noch viel, viel mehr zu entdecken gibt und auch in Zukunft noch geben wird.
hochroth Verlagsportrait (c) Astrid Nischkauer
So unterschiedlich die von mir vorgestellten acht Bücher auch sein mögen, so kommen sie doch alle acht aus einer Familie. Diese Familienzugehörigkeit erkennt man sofort an äußerlichen Merkmalen, wie dem Format und dem meist schwarzen Einband mit ausgestanztem Loch, etc. Aber auch inhaltlich lassen sich bei aller Unterschiedlichkeit und trotz der verschiedenen Schwerpunktsetzungen und der Unabhängigkeit der einzelnen Standorte doch gemeinsame Grundsätze und ein gemeinsames Streben nach höchster Qualität und Sorgfalt beobachten. Jeder einzelne Band ist daher auf seine eigene Art und Weise ganz einfach höchst hochroth, oder hochroth in höchsten Maßen.
***Ángeles Mora – Spiegel der Spione | Espejo de los espías
Aus dem Spanischen von Geraldine Gutiérrez–Wienken und Martina Weber
Satz und Design: Eddy Rafael Reinoso, eddyreinoso.grafico@gmail.com
Frontispitz: Josefina Wolf, www.josefinawolf.com
© Alle Rechte liegen bei den Urhebern
hochroth Verlag Heidelberg 2019
ISBN: 978–3–903182–29–5
8€,-
Fixpoetry 2019
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