Anzeige
Komm! Ins Offene haus für poesie
x
Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Wider einen bügelfreien Feminismus mit Zitronenduft

Hamburg

Andi Zeisler ist Amerikanerin. Sie ist Autorin, Publizistin und Kritikerin. Und sie ist Mitbegründerin von Bitch Media, einem feministischen Non-Profit-Medienprojekt, das u.a. das Magazin „Bitch: Feminist Response to Pop Culture“ publiziert. Zeisler schreibt dazu in ihrer Einleitung:

Wir konsumierten die Popkultur rauf und runter, und Bitch sollte sie als prägende Kraft würdigen, die sie für uns darstellte, und ihre Bedeutung als Schauplatz für feministischen Aktivismus und feministische Analyse herausstreichen.

Zur Zeit der Gründung von „Bitch“ sei die „feministische Stellungnahme zur Popkultur“ neu und ein Alleinstellungsmerkmal in der Medienlandschaft gewesen, während ein Jahrzehnt später zahlreiche andere Webseiten, Podcasts und Blogs ebenfalls die Schnittstellen von Feminismus und Popkultur ausloteten. Publiziert wurden und werden Essays über Film und Fernsehen, kritische Betrachtungen von Werbekampagnen sowie Interviews mit Feminist*innen jeden Geschlechts.

Zeisler stieß als Teenager Ende der 80er Jahre zur Frauenbewegung und rechnet sich der dritten Welle des amerikanischen Feminismus zu. Ihr Selbstverständnis als Pionierin ließ sie dieses Buch schreiben, in dem sie von den Veränderungen des Feminismus in den letzten 20 Jahren berichtet und diese kritisch kommentiert. Zeisler wendet sich engagiert gegen die Vereinnahmung und Kommerzialisierung des Feminismus. Ihr Buch, das 2016 erschien, greift u.a. Veröffentlichungen des Magazins „Bitch“ auf, das Zeisler werbetechnisch geschickt mehrfach erwähnt. Nun liegt es in der Übersetzung von Anne Emmert und Katrin Harlaß auch in deutscher Sprache vor.

Zwei Begriffe stehen im Mittelpunkt. Da ist zum einen jener des „Marktfeminismus“, den die Autorin mit zusätzlichen Etikettierungen wie „Markenfeminismus“, „Spaß-“, „Choice-“, „Wohlfühl-“ oder „Lippenstiftfeminismus“ belegt. Und da ist zum anderen die „Ermächtigung“, gegen die Zeisler eloquent zu Felde zieht, ein Wort, das zwar Teil des feministischen Diskurses sei, aber zudem zu einem der wichtigsten Worte im Verbrauchermarketing und in der Unternehmenskultur wurde und nichts anderes meint, als die alleinige Ermächtigung zum Konsum. Mehrfach erinnert die Autorin an die Kernthemen der feministischen Bewegung, die „alles andere als sexy“ seien und sich daher schwer verkaufen ließen, etwa Lohnungleichheit, geschlechtsspezifische Arbeitsteilungen, institutionalisierter Rassismus und Sexismus, strukturelle Gewalt, körperliche Autonomie und reproduktive Rechte. Grundlage des sogenannten Marktfeminismus jedoch seien elaborierte Verkaufstechniken, die niemals die realen Lohnlücken, Belästigung oder Diskriminierung innerhalb der Firmenkultur, sondern Absatzzahlen und den Gewinn eines Unternehmens im Blick haben. Die Sprache des Feminismus werde aus rein werbetechnischen Gründen übernommen, dabei dekontextualisiert, entpolitisiert und für die Zwecke des Kapitalismus eingesetzt. Dessen „zentraler Glaubenssatz“ verkaufe Konsum nun als „mutige Tat der Gleichberechtigung“ und preise Frauen den Erwerb von Konsumgütern als möglichen Weg in die Autonomie an. Feminismus sei heute

zu einer Art hipper Allzweckwürze geworden, mit dem Medien und Popkultur ihre Inhalte aufpeppten.

Zeisler blickt anhand zahlreicher Anekdoten kritisch hinter die Kulissen der amerikanischen Medien- und Werbeindustrie, zeigt Praktiken der Vereinnahmung feministischen Vokabulars, dessen Umwandlung in „leichtverdauliche Symbole“ sowie die stets geschmeidig vollzogenen Anpassungen eines feministischen Brandings, der Gesamtheit also der Storys, Bilder und Begrifflichkeiten, die mit einem Unternehmen und dessen Produkten assoziiert sind, an sich ändernde Marktgegebenheiten. So mutieren etwa Luxuskosmetika, Designerlabels und Trainingspläne von einfachen Konsumgütern zu emanzipatorischen Errungenschaften, werden feministische Slogans in der Textilindustrie oder Popmusik zum Zweck der Verkaufsförderung missbraucht. Ein Kapitel greift das „hartnäckige Frauenproblem Hollywoods“ auf und zeigt Beispiele für Diskriminierung wegen Hautfarbe und Geschlecht. Zeisler geht in ihrem Buch auch auf das Phänomen der rückschrittlichen Geschlechterdynamik etwa im Genre des Reality-TV ein, die oft als Ausdruck von Freiheit und Ermächtigung umgewertet werde, aber bloß jahrhundertealte, tief verwurzelte Auffassungen darüber, was Frauen wollen und Männer suchen, zementiere. Sie thematisiert das seit den 1990er Jahren boomende geschlechterspezifische Produktmarketing für Jungen und Mädchen, das mit der Betonung „natürlicher“ Unterschiede Erfolg hat. Und sie kritisiert den „weißen Schwerpunkt von Feminismus und Postfeminismus“. Gerade junge, weiße, karriereorientierte Frauen im städtischen Umfeld seien es, die sich gern vom Feminismus distanzierten und zugleich zu dessen größten Nutznießerinnen gehörten. Ihnen helfen bestehende Machtstrukturen und Wertesysteme, die kaum hinterfragt werden. Ausgeblendet wird, dass Feminismus eine soziale Bewegung ist, die für Gleichstellung und Repräsentanz eintritt und bislang für zahlreiche Frauen nichts erreicht hat, etwa Women of Color, die rassistischer und sexueller Gewalt ausgeliefert sind, oder indische Näherinnen, die unter widrigen Bedingungen die Kleidung jener Karrierefrauen herstellen, die ihre Erfolge allein den eigenen Fähigkeiten zu verdanken glauben.

„Wir waren doch mal Feministinnen“ bietet einen lesenswerten, manchmal etwas oberflächlichen Streifzug durch die Welt des Marktfeminismus. Zeisler schreibt flott, wählt zündende, zuweilen platte Titel für die neun Kapitel ihres Buchs, scheut auch Abgegriffenes nicht. Sie spricht uns Lesende immer wieder direkt an mit eingestreuten Halbsätzen wie: „Erinnert ihr euch noch“, „Seht ihr, was ich meine?“, „Ihr wisst schon“ oder „Vielleicht überzeugt euch ja das“. Zuweilen formuliert sie zu salopp und umgangssprachlich, bedient sich einer „Spaßvariante“ des Schreibens, was vielleicht angewandte Pop-Kultur sein soll, aber bloß nachlässig rüberkommt, wenn z.B. „wieder mal so richtig auf die Pauke“ gehaut, etwas „verwurstelt“ oder „ein gefundenes Fressen“ wird, „mit dem Arsch voran“ geschieht oder „die Kacke ja echt am Dampfen“ ist.

Und Zeisler bindet sich persönlich ein, ist stets mittendrin, nimmt Stellung, lässt Gesprächsbereitschaft erkennen und spricht den großen Diskussionsbedarf an. Zuweilen bekennt sie auch mit missionarischem Furor „Ich will“, etwa

dass Idealismus mehr ist als eine vorübergehende Modeerscheinung. Ich will, dass Feminismus auch dann noch Bedeutung hat, wenn niemand mehr darüber singt, auf dem roten Teppich darüber spricht oder ihn auf Omas Schlüpfer druckt.

Denn „die meisten Probleme, die feministische Bewegungen überhaupt erst nötig machten“, seien heute immer noch aktuell.

Andi Zeisler
Wir waren doch mal Feministinnen
Vom Riot Grrrl zum Covergirl – Der Ausverkauf einer politischen Bewegung
Aus dem Englischen von Anne Emmert und Katrin Harlaß
Rotpunkt Verlag
2017 · 304 Seiten · 25,00 Euro
ISBN:
978-3-85869-726-4

Fixpoetry 2018
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge