Quietschbunt und schnurrig
Korrespondenz als Flaschenpost aus der Phantasiewelt — so könnte man die einhundert Briefe und Postkarten von Christoph Meckel nennen, die in einem außergewöhnlich schönen Band im gutleut verlag erschienen sind. Nicht die große philosophische oder literaturtheoretische Diskussion steht im Vordergrund, sondern der biographische Moment, eingefangen in Bild und Wort, als individuell gestaltete, dem Empfänger angepaßte Nachricht mit bunten, ideensprühenden Zeichnungen. Diese Grafiken sind abstrakte oder zum Gegenständlichen neigende Ornamente, rätselhafte Figuren und Objekte, oder eine kuriose Mischung aus beidem. Nicht selten auch voller versteckter Ironie — so fragt Meckel in einem Brief an Oskar Pastior vom Juli 1995: „Vogelfüchschen? Spechtente? Schnabelmaus? Was noch?“ — Ja, was erfährt man noch? Liebeswürdige Details aus einem Schriftstellerleben, das zum Teil aus Genuß, zum Teil aus Arbeit bestand, in wechselnden Zusammensetzungen. Zehntägige Besäufnisse mit Günter Bruno Fuchs, selbstbewußte Ablehnungen einer Einladung zur Gruppe 47, Glück- & Genesungswünsche, Danksagungen usw. ... , man staunt über das dichte Netz literarischer Beziehungen und Bekanntschaften, die alle mit Kuriositäten — Meckel schreibt als Sekretär von Herrn Meckel, der zu schüchtern ist, um selbst bittstellig zu werden — drolligen Formulierungen (incl. Rechtschreibfehlern: „Athmosphäre“) und schnurrpfeiferischen Zeichnungen bedacht werden. Ein Buch zum Blättern, Betrachten, Schmökern von dem „Sonnenröster, Faulpelzlehrling und gemächlichen Spaziergänger“ Christoph Meckel. Die Meckelsche Flaschenpost, die Momente aufbewahrt, flüchtig und bedeutsam im Unbedeutenden, stimmt schwermütig so manches Mal —: „Ich weiss, was in der Branche los ist und finde das Hanser-Programm ganz ausserordentlich“, schreibt Meckel an Michael Krüger. Das war im August 2002, und weil man auch genau heute weiß, was in der Branche los ist, berührt einen der Wandel und stimmt traurig.
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