Kritik

Coole Jungs

Hamburg

Don Winslow spinnt an seiner Surfer- und Kiffergeschichte weiter. „Kings of Cool“ ist damit zwar politisch nicht perfekt, aber eine unterhaltsame Krimilektüre.

Amerikaner sind wirklich zu beneiden. Diese merkwürdige und in großen Teilen unliterarische Kultur bringt seit Jahrzehnten immer wieder aufs Neue Schreiber hervor, über die man nur staunen kann. Was soll man sie alle auflisten? Nun eben Don Winslow.

Woher Suhrkamp diesen Tipp hat und wieso kein anderer der großen Krimiverlage vorher auf Winslow gekommen ist, bleibt wohl immer einer Rätsel. Jedenfalls hat Suhrkamp mit dem Start seiner eigenen Krimiaktivitäten, denen der Verlag allerdings nicht einmal eine eigene Reihe gegönnt hat, gleich eine große Nummer gezogen. Winslow ist nicht nur ein guter Autor, er ist ein erfolgreicher dazu. Gratulation. So viel Glück oder Verstand muss man wohl haben.

Nachdem Suhrkamp schon eine Reihe von Winslow-Bänden herausgebracht hat und dabei wohl auch ein bisschen Geld verdient hat, ehrt der Verlag seinen Erfolgsautor mit einer besonderen Aufmachung. Vorbei für dieses Mal die lieblosen Allerweltscover, die Suhrkampbücher fürs breite Publikum heutzutage tragen, wenn sie auf den Markt geworfen werden. Oder wer würde sich auch nur ansatzweise an eine der Titelillustrationen erinnern, die die letzten Winslow-Bücher getragen haben? Und wenn es jemanden gibt, woran leidet er oder sie?

„Kings of Cool“ hingegen kommt im coolen Schwarz daher, mit weißen Rändchen und weißer Schrift, die durch eine kleine Palme ergänzt werden darf. Das Ganze im festen Pappband, schwarzem Schmutztitel und geschwärztem Schnitt. Dieses Buch wird man immer sehen, egal wo es liegt oder steht. Und man wird es immer wieder in die Hand nehmen. Und vielleicht sogar nochmal lesen. Solch eine Aufmachung kann sich sehen lassen und lässt sich sehen.

Obwohl „Kings of Cool“ nicht zu den stärksten Büchern Winslows gehört. Die Highlights sind und bleiben „Frankie Machine“ und „Tage der Toten“. Das eine der Roman eines Killers, der aufhören will, das andere eine Geschichte um den Kampf mit und gegen Drogen im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet. Insofern, schade, dass es keines der wirklich großen Bücher Winslows geschafft hat, sich so viel Aufmerksamkeit der Buchmacher zu verschaffen (sie sollten mal lesen oder dran glauben), aber immerhin danken sie ihm jetzt seinen und ihren Erfolg.

Wir befinden uns hier im Vorfeld der Geschichte von „Zeit des Zorns“ – 2011 erschienen -, die die drei Protagonisten Ben, Chon und O auf der Höhe ihres Erfolgs als Dopehändler und bei dessen Verteidigung zeigt. Das ging recht unverblümt zugange auf dem Weg dahin, und auch „Kings of Cool“ zeichnet sich nicht gerade durch mangelnde Gewaltbereitschaft seiner Helden aus.

Hier aber sind die heiligen drei Dope-Könige noch am Beginn ihrer Karriere. O muss  sich noch von ihrer geldgeilen Mutter befrein, Chon muss noch aus dem Irakkrieg heimkehren und Ben muss noch lernen, seinen besten Freunden und ihrer Solidarität zu vertrauen. Und alle drei müssen verstehen lernen, dass es keinen Zufall gibt. Und auch, dass man sich immer zweimal begegnet.

Das hat in diesem Roman, dessen Hauptlinie immer wieder von uralten Vorgeschichten durchbrochen wird, eine besondere Note: Denn „Kings of Cool“ erzählt nicht nur die Geschichte, wie sich Chon, Ben und O einer übermächtig erscheinende Dealergruppe zu erwehren versuchen, die der Meinung ist, dass es in ihrem Gebiet niemanden gibt der dealt, es sei denn, er oder sie zahlt Tribut ans Konsortium.

Der Roman erzählt auch die Vorgeschichte dieses Konsortiums, das nicht weniger cool begonnen hat als Ben, Chon und O. Eine Generationengeschichte also und eine Geschichte von der ewigen Wiederkehr des Gleichen, bis hin in die eigene Familie hinein. Denn die Geschichten von Chons Vater und Os Mutter werden nicht ohne Grund erzählt, was dann ruhig nachgelesen werden kann.

Das Ganze steuert naheliegend auf ein großes Showdown zu, das ist man sich immerhin schuldig im guten alten Amerika, auch wenn hier nicht der Western, sondern die 68er und deren Versprechen von der großen Befreiung des Selbst die Folie bilden. Worin das alles enden kann? Bekannt, und trotzdem unvermeidlich.

Keine Frage, Winslow ist ein routinierter und zugleich aufregender Erzähler. Er setzt aus vielen kleinen Erzähltableaus, die oft nur eine knappe Seite umfassen,  eine Reihe von Erzähllinien zusammen, die am Ende eine große Geschichte erkennen lassen. Nicht cliffhanger ist das Prinzip, sondern die langsame Montage von Geschichten und Geschichtsfragmenten, die erst einmal nicht zusammengehören und sich doch zusammenfügen.

Das wirkt gelegentlich ein bisschen schablonenhaft, und gelegentlich liest sich auch dieser Roman Winslows wie eine Einführung ins Dopebusiness (wie er überhaupt ein Faible dafür hat, sein Wissen vorzuführen).

Aber es gelingt Winslow immer wieder, seine Leser von den Fesseln zu befreien, die seine Schreibweise ihnen anzulegen scheinen. In ein einfaches Muster (oder mindestens, in ein so einfach erscheinendes Schreibmuster) so viel Unterhaltung und Spannung einzuflechten, wie dies Winslow gelingt, zeugt von großem Können. Da verzeiht man so manche aufgesetzte Gelehrsamkeit und das bisschen politische Unkorrektheit.

Don Winslow
KINGS OF COOL
Übersetzung:
Conny Lösch
Suhrkamp/Insel
2012 · 351 Seiten · 19,95 Euro
ISBN:
978-3-518464007

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