Anzeige
Komm! Ins Offene haus für poesie
x
Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Geschichten aus dem Schlachthaus

Hamburg

„And when they're shootin' at this loser / They'll be aiming at the demons in their lifes“, sang Johnny Cash in „Out Among The Stars“. Der Loser ist einer, der nachts einen Laden überfällt, aber er will gar nichts stehlen. Er will, dass die Polizei ihn erschießt. Er weiß nicht so recht, warum er das tut – nur, dass in seinem Leben so einiges schiefgelaufen ist.

Die US-Soldaten in Phil Klays Storysammlung „Wir erschossen auch Hunde“ (Suhrkamp, Deutsch von Hannes Meyer) sind sowohl der Loser als auch die Polizisten. Traurige Figuren, Verlorene, Verlierer, die sich einreden, sie würden ihrem Land dienen, indem sie im Irak Menschen töten und sich töten lassen. Die kaputten Männlichkeitsidealen hinterherhecheln, die wissen, dass man in der Ausgehuniform jede Frau in jeder abgefuckten Kneipe rumkriegt. Die zu verdrängen versuchen, dass unter der Uniform eine kaputte Persönlichkeit steckt, die im Grunde gar nicht weiß, warum sie in diesen völlig sinnlosen Krieg zieht, der am Ende auch sie selbst zerfetzt, egal ob sie überleben oder nicht.

Autor Klay war selbst bei den Marines, von Januar 2007 bis Februar 2009 diente er in Al-Anbar und hat die erlebten Absurditäten in ein Prosadebüt gepackt, das den Auftritt eines Schriftstellers ankündigt, der sich in wenigen Jahren bei den großen amerikanischen Erzählern der Gegenwart einreihen wird.

In einer klaren, zielstrebigen und lebendigen Sprache erzählen seine Figuren von den verschiedenen Seiten des Krieges. Von den Patrouillenfahrten, auf denen sie immer Angst haben, über einen Sprengsatz zu rollen. Von überstürzten Angriffen auf vermeintliche Al-Qaida-Stellungen, an deren Ende Zivilisten sterben, Frauen, Kinder. Von der Truppenmentalität, in der jedes irakische Leben wertlos ist und von den Einzelnen, die daran zerbrechen, ein Kind ermordet zu haben. Von jenen Artilleristen, die Zielkoordinaten in zehn Kilometer Entfernung eingeben in dem Wissen, dass ihre Geschosse alles in einem Umkreis von hundert Metern vernichten werden. Da sitzen sie nach so einem Einsatz beim Mittagessen und unterhalten sich darüber, dass es sich gar nicht so anfühlt, als hätten sie eben gerade Menschen getötet – und über die Frage, wer denn nun verantwortlich ist: Der Soldat am Abzug? Der, der die Waffe geladen hat? Der Befehlsgeber? Der Munitionslieferant? Der Steuerzahler, der das Ganze finanziert? Oder alle zusammen?

Es gibt die Schreibtischtäter, die irgendwann ebenso abstumpfen wie jene an den Kanonen, wenn sie Formschreiben für Gefallene aufsetzen, denen posthum Orden verliehen werden – als würde das Glitzerblech noch irgendwas ändern oder einem Tod Sinn verleihen. Andere haben den Auftrag, die Wirtschaft wieder aufzubauen, die ihre Kollegen zerbombt haben, und verzweifeln an Vorgesetzten, denen schnelle Erfolgsmeldungen wichtiger sind als echte Erfolge, und an Politikern, die die wirklich profitablen Geschichten an ihre Kumpels verschachern statt an die irakischen Unternehmen, denen man eigentlich auf die Beine helfen soll. Wenn der Unternehmer zu Hause ein wichtiger Wähler ist, wird sein Wunsch eben umgesetzt, und sei er noch so blöd. Irakischen Kindern Baseball beibringen, zum Beispiel. Als hätten die sonst keine Probleme.

Aber Phil Klay befasst sich auch mit den Heimkehrern. Den Versehrten und den Verzweifelten und jenen, die schon daran scheitern, in der zivilen Welt wieder Fuß zu fassen. Leben, wie geht das eigentlich? Geschichten vom Schlachtfeld zu erzählen ist das einzige, was vielen von ihnen bleibt. Sie wurden verheizt, so oder so.

Phil Klay
Wir erschossen auch Hunde
Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer
Suhrkamp
2014 · 300 Seiten · 16,99 Euro
ISBN:
978-3-518-46543-1

Fixpoetry 2014
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge