GANGAN Lit-Mag #50
Aus: Unfinished Memmoirs of a Hypocrit
Aus: Unfinished Memmoirs of a Hypocrit
MAMY ENTDECKT DEN DUTT
Maria Milz, besser bekannt als DJane Mamy Rock erfindet den dutt neu. das auch als vogelnest bekannte accessoire, das früher ausschliesslich damen um die siebzig heiss machte und als erinnerung an jugendlich langes, aus anstandsgründen zusammengebundenes haar galt, ist jetzt von der 100jährigen Mamy zum „geilsten outfit nach lady Pam’s blitzblauem paillettenbikini“ gekürt worden – vorausgesetzt, man trage es einigermaszen selbstbewusst und sehe auch sonst nicht aus wie eine oma. und beileibe, das tut die DJane, die vor ein paar jahren als einfacher roadie für die letzte Louie Austen-tour angefangen und dann eine steile karriere an den turntables hingelegt hat, keineswegs. im gegenteil: der Mamy-style ist inzwischen zum fashion-brand mutiert und man sieht den dutt als druck auf t-shirts und im vertrieb über skateshops. einige limitierte suisse-dutt varianten mit schweizerzopf waren im handumdrehen vergriffen, und die modewelt forderte lautstark nach einer fortsetzung. what’s next, Mamy?
PARTYCIPATE THE EARLY BIRD
feiern bis zum abendbrot
die zeiten, in denen der rave- und partygänger sich vor dem eigentlichen event daheim oder bei freunden einem „prevent“ hingab und stundenlang bequem auf seinem hintern sass, sich mit dutube und dunkelbier einstimmte, sind nun vorbei. der neueste schrei, den die DJ-szene beim letzten master rave ausstiess, lautete nämlich: „partycipate the early bird“ – was soviel bedeuten soll wie: feiern ist auch ohne langes einstimmen möglich. wer den rave in sich trägt, kann jederzeit party machen, egal ob am frühen morgen oder gleich nach der arbeit. eine der vorreiterinnen dieses trends ist Mamy Rock, die ihre sets teilweise schon um 18 uhr beginnt, oder, wenns spät wird, zumindest gleich nach der tagesschau. „ich guck die nachrichten im backstage, und nach dem wetter stürme ich die bühne.“ die 100jährige tut das aus nachvollziehbaren gründen: „erstens bin ich zu alt, um stundenlang vor einem set herumzulungern und vodka zu trinken, zweitens möchte ich selber gern feiern, nachdem ich es den kids gegeben habe.“ der trend schlägt ein, zumindest in der europäischen clubszene, und immer mehr DJs wie Tanzate oder DJ Düsseldorf folgen dem early bird beispiel.
zunächst hatten die feierabendsets bei veranstaltern und clubbetreibern zu irritationen sowie bei den ravern zu völliger verwirrung geführt, da man eine ordentliche garnitur frühestens um mitternacht erwartete und auf einmal viel zu spät zum event erschien, nämlich dann, wenn die show gerade gelaufen war. andererseits belegt eine jetzt veröffentlichte schweizer wirtschaftsstudie den vorteil und die konsequenz des frühen feierns in bezug auf den demographischen wandel unserer gesellschaft. auch andere veranstaltungen würden wieder zeitiger angesetzt und dadurch viel mehr partyenergie (dh: konsumbereitschaft) nutzbar gemacht, insbesondere, da sich laut statistik immer mehr ältere semester für vormals jugendlichen vorbehaltene gigs zu interessieren begännen. na dann: feiern bis zum abendbrot und zur afterparty im altenheim mit dem zehn uhr bus!
TOILET WORSHIP
RADIO-BOYKOTT GEGEN NEUESTEN MAMY RELEASE
wie die herald tribune am wochenende meldete, zeigen sich deutschsprachige radiosender unangenehm irritiert vom letzten release der international renommierten DJane Mamy Rock. die aktuelle single toilet worship sei ein ergebnis der letzten asien-tournee, so Rock. „a friend’s toilet recently greeted me with a beam of light emerging from the back of the bowl“, zitiert die tribune die 100jährige. das sei ihr zeichen genug gewesen, sich in einem neuen track mit der in asien alltäglichen wertschätzung servicestarker bedürfnismöbel auseinanderzusetzen. in japan beispielsweise sei man förmlich stolz auf technologisch hochgezüchtete wasserklosetts. „da kann man nicht nur sein geschäft rein machen, sondern sich gleich den allerwertesten spülen und fönen lassen, während eine zur dauer des bedürfnisses abgestimmte wassermusik ertönt und aus der schüssel heraus eine entsprechende lightshow an die kabinenwände projiziert wird. die reinste sitzdisko,“ begeistert sich Rock im interview.
während man in den usa wenigstens den in toilet worship propagierten luxus- und servicegedanken nachvollziehen könne, so die tribune, stosze der „klo-song“ in den europäischen ländern auf unverständnis und ablehnung. Rock habe sich von einer unappetitlichen japanischen besessenheit dahinspülen lassen, hiess es in einer begründung des bayerischen rundfunks, der den song genauso boykottiert wie Ö3 und polnische, britische oder französische stationen. zeilen wie „twenty buttons to clean your buttocks“ und „first’s a fart splish splash, squirt spurt, then’s a turd …“ könne man keinem noch so aufgeklärten hörer zumuten.
unterdessen hat sich massiver protest gegen den radio-boykott geregt: in alternativen diskotheken läuft der track rauf und runter, insbesondere die westeuropäische gay community sei laut herald tribune dafür verantwortlich, dass der von Mamy Rock schnell nachgeschobene urinal mix mit der hookline „don’t forget to use your tongue, too“ innert weniger tage die clubcharts gestürmt habe. die bundesprüfstellen in deutschland, österreich und der schweiz haben sich bislang noch nicht zu einer möglichen indizierung geäussert, jedoch bleibt fraglich, ob die single auf dem nächsten Mamy-album erscheinen wird. Mamy Rock selbst will sich den release zwar nicht verbieten lassen, das management von mariamilz records ist jedoch bemüht, schon vorab den schaden zu begrenzen: „wohlmöglich werden wir einzig den don’t drop your cellphone in it mix auf dem longplayer veröffentlichen – eine reine instrumentalfassung mit splash-geräuschen und der dauer, die ein durchschnittlich gebildeter tribune-leser fürs grosse geschäft braucht.“
ein Wrapup
FfaM 10.3.2019
Es gibt mehr Geld
Wir können mehr vom selben machen
und wir sind schon dort
igelhaft
yoshka v tumanje
Es ändert sich sonst nicht viel
wir sind schwach, wertvoll
ever entitled
und wir schauen nach oben:
wir sind nicht die schlechtesten!
menja zavut wowa,
ja znaju tri slowa
i eta clovarnik ja prishil iz doma
uu,
a ja sami modny
i vidimo sami krasivi
wir sind es gewohnt, beispielhaft zu sein
wir finden es ist der richtige weg, das MENSCHLICHE auf big stages zu stellen
mit viel Pathos,
denn das Humane ist nicht das Humanoide
sondern das Androide
schwaches Betriebssystem
meistens dienstbar
immer eigensinnig
Jawohl.
Unser 4. Reich ist nicht von Landesgrenzen abhängig
sondern nicht von dieser Welt
Es ist moderner und internationaler als die meisten Monotheismen
und traditionsbewusster als die AfD, in Wirklichkeit.
Es lässt sich nicht festlegen, sondern entzieht sich aller Zusammenhänge
Es ist der immaterielle Stoff der Freiheit, der Leichtheit
der einfach flattert mit abstrakten Sachen, ohne eine Landesfahne zu sein
völlig unabhängig von den unversicherten verstümmelten Schweissern in Bangalore
also nicht responsiv
nicht auf Gründe, Logik, Realzwänge angewiesen
denn es muss super flattern
per se flattern
wie ein Sommerkleid in den schönen Fünfzigerjahren in Frankfurt am Main
als die Kolonialstrukturen noch wirkten, aber nicht so wie jetzt,
als die Kolonialfiktionen noch unschuldiger waren
als wir vollkommen ahnungslos „Negermusik“ für Jazzmusik sagten
und niemand insinuierte, dass Ahnungslosigkeit auch eine Art Verbrechen
darstellen könnte
die faulste Art natürlich
Aber wir sind nicht faul wir sind fleißig
wir sind artige DJs und wir rocken voll ab
und nehmen den Goethe auch mit
und auch das Geld
wir sind junge deutsche Dichter
ni
wir sind die junge deutsche Lyrik
ni
und die Geflüchteten sind auch dabei
weil sie unsere Freunde sind!
nicht weil sie gute Lyrik schreiben
oder aus Mitleid oder Interesse
quatsch ich meine schon weil sie gute Lyrik schreiben
nicht weil sie gute Menschen sind
das können wir nicht beurteilen
dafür gibt es Kriterien
das ist diskriminierend
wir bewerten nicht
wir schauen gar nicht hin!
Wir lassen die Preise jetzt
von Callcentern in Bangalore kontrollieren
wir sind nicht faul wir sind nicht fleißig
wir rocken voll ab
wir sind in Netzwerken
wir lassen uns quatschen
lass uns später mehr quatschen
das hat schon deine Mutter zu Lebzeiten umgebracht
und sie hat es nie geschnallt
und das machte sie zu der kläglichen Figur, die sie ist,
ja ich schimpfe über deine Mutter
blind schimpfe ich über deine Mutter,
aus Wut gegen die unreine Situation der Naturgesetze des Markts
dass Frauen grad um so viel weniger Asche kriegen – im Schnitt, Lyriker sind natürlich ausgenommen, die kriegen so wenig wie Frauen – im Schnitt – und auch
und auch
und auch völlig ahnungslos und zufällig sind diese 貧乏な詩人 plötzlich in Akademien,
das sind die Netzwerke
weil Lyrik ist letztlich Netzwerktheorie.
Karrieristen
Karrieristen
Karrieristen haben eine merkwürdige Energie, langweilige und nutzlose Dinge gewichtig erscheinen zu lassen
in jeder Silbe
kann man es lernen
man kann es lernen
wenn man nur wollte
Du kannst es während es dich würgt, nicht einmal sehen
das sind die hochtechnologischen Stoffe aus
den Verträgen und Sicherheiten, die es eben nicht gibt
aber gibt, als Netzwerk von Turbinen
als Nachfragedynamik ohne Nachfrage
weswegen man nicht darüber sprechen kann und es flutscht
wie nur, was nicht besprochen wird, flutscht
das ist die Effizienz der Lyrik
ganz automatisch schon längst dort
mit ihren ewigen, kompakten Paketen von Selbst
und es endet im Kompaktus
wie das Toiletttascherl von deiner Mutter
in den Färbschlacken von Malaysien.
Ja ein Stück Lyrik ist wie ein Rollkoffer,
ein stilles und tödliches Wettrennen findet statt
wer hier am wenigsten weiß,
hat einen gewissen Schemel.
Er bleibt an den angenehmen,
den windstillen Orten
bescheiden und unterhaltsam
mit unauffälligen Renten ausgestattet
ein bisschen Kaffee und Vasen, ein bisschen Schönheit reicht
und daher ist die Poesie das wundervollste Wappentier
für einfach alles
Es gibt jetzt mehr Geld, Leute,
für Formen des Sprechens, die garantiert unkoordiniert bleiben
denn es ist die demokratisch-markttechnisch ermittelte mittlere westeuropäische Tradition,
seit der Entflechtung der Kombinate
Verquastheit als Zeichen der Freiheit zu deuten,
die der Kritik eine Form gibt
die niemanden zwingt, irgendwas zu tun
die Normen zerschlägt
5-jahrespläne umstößt
und uns vor Klarheit schützt
denn Massenbildung gefährdet die Pyramidenspiele
Warum gibt es mehr Geld?
Weil wir immer schon vorbildlich waren,
solange wir da waren
undiskriminierend und undiskriminiert
wir, im Sinne von Demokratie und Menschenrechte
haben so viel Geld verdient,
dass wir uns jetzt noch mehr verbessern können.
Mit Lyrik, ist beste Methode.
Man sieht es an den komplett durchgepflasterten Innenstädten.
Material:
https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2015/KAB2015_69_74_Hentschel_Fock.pdf
Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität von Kari-Maria Karliczek
1 Seufzer am Seeufer
2 Heisere Elstern
3 Fotokehlen
4 Hin (weiß)
1
in der Hand den Stift eines unbedeutenden Frischediensts
über allem stets: anstelle eines Einkaufszettels
vierzehnzeilig liegt die Gießkanne nur noch da
erschöpft sanken (sommers wie hier) die
Einköpfe mir/ krepiert im Trampolin
gediegen eine Wespe
gediegen einzelne Wortwahl
scharenweis gut entwickelte schwarz-gelbe
Koalitiönchen; Vögel schon morgens satt
––POESIE STATT FREIZEIT––
kühne Ventriloquisten mit ihren brutschelnden Hölderlinpuppen
halten’s Kratzen der Feder bereits für ihre Stimme
zwei Händen voll Wespen
in den Pantoffeln (jeder kann ja was)
ein schmutziger Film befestigte
eine jugendliche Büroklammer
\ am Stift
ein Wehrest Ichtee Leistungswasser
2
will zuhaus sein, wenn die
(Äcker schwänzten Bein itzt Reisig)
lächelnde Fläche des Sees welches Sees irgend erzittert
erster Vogel den ich sah war nicht der erste
Vogel den ich sah war ein Acker dem ich es
Acker Vogel den ich ein Acker Vögel dem ich es
ackerte ein Acker dem ich es viertelte das Kehlenfilet
möttscheln qu’est-ce que ça veut dire, le mot möttscheln
zweiter Vogel den ich Sarg war nicht weit und breit
1 These 1 These brat mir Rabenspeck
3
ins Gesichtsfeld der Jungsphilosophin stürzen
Inschriften. Mondneid, Oiejunges, Wüste Denn.
Auf dem Gesichtsfels Glatzenbachs zieht man
1 Gedankengebäude hoch. Los, hoch mit ihm!
Des großen directors Auge will sich weiden. Ein,
schalt ein! Schalt doch ein! Da ist der Auslöser!
Der Kran dreht sich nicht. Er schwebt. Seh’s genau.
Und was macht die sanfte Sau Vorfrühling, außer sich
aufschlitzen zu lassen?
4
zu verstehen
hör auf, anfange sehen
der Stör verschluckt salopp
la saloppe
écrits des oreilles de
l’écrivain du terroir
Terror, du
leichter Schweif des
Reptils von Anfang
das Gadamergame in der Ess-Str.
Schreiben ohne ’s zu bemerken
4 (Glücke)
3 (verlören)
2 (sich durch)
1 (Gewöhnung)
an