Werner Schandor

Peter Sterner – Das Geheimnis seines Erfolges

 


Zeichner: Roman Klug
Lucky me swimming in my ability – Red Hot Chili Pepper

Der letzte Akkord eines Songs verebbt im Abflauen der Bühnenlichter. Peter Sterner verneigt sich in den Saal hinein, und nach einer kurzen Pause der Ergriffenheit umbrandet ihn Applaus. Das Publikum erhebt sich von den Sitzplätzen. Der Moderator kommt quer über die Bühne auf Sterner zugeschritten, applaudiert demonstrativ, legt anerkennend seinen Arm um den Star und blickt verliebt in die Kamera. Der Mund des Talkmasters ist zu seinem unnachahmlichen Grinsen verzogen, dem Lächeln eines von Läusen befreiten Primaten. “Pitar Sdörna und sein Hit ‘Dancing Like a Pharao’, meine Damen und Herren!” versucht er, sich durch den brandenden Applaus hindurch Gehör zu verschaffen.

Nie hätte Sterner sechs Monate zuvor damit gerechnet, dass er je wirklich als Weltstar im gleißenden Scheinwerferlicht vor den Fernsehkameras stehen würde. Nie damit, dass er sich vor Bewunderern und Verehrern kaum retten können würde. Und während ihn der Talkmaster zum Interview auf die Couch bittet, damit er dem Millionenpublikum das Geheimnis seines Erfolges beichtet, blitzen in Sterners Gedächtnis schlaglichtartig jene Stationen seiner Karriere auf, die über ihn unvermittelt hereinbrach wie ein warmes, erfrischendes Sommergewitter.

“Wie kam es, Pitar, dass …?” – Auf diese Frage, schon tausend Mal gestellt, hat sich Sterner seine Antwort zurechtgelegt. Wir kennen sie aus dem Fernsehen und aus seinen Zeitungsinterviews: Wie er entdeckt wurde; wie sich “nach langer, harter Arbeit” sein Erfolg endlich mit einer unglaublichen Leichtigkeit einstellte. Wir kennen diese Geschichten, und wir können uns denken, dass sie erstunken und erlogen ist. Genauso, wie wir wissen, dass Sterner nur faselt, wenn er sagt: “Was mich am meisten beglückt, sind nicht die Millionen, die auf meine Konten einfließen. Nicht die Villen, Südseeinseln, Sportautos und all die anderen Kleinigkeiten, die mir das Leben versüßen. Nein, für mich zählt nur eines: Dass ich ein zutiefst zufriedener Mensch bin, und dass ich es trotz des Erfolges geblieben bin. Und ich meine, wie ich es sage: Zufriedenheit, das ist, wenn deine Seele Flügel bekommt und du weißt, alle Wege stehen dir offen, weil dein Herz dir jede Tür aufmacht.”

So ein Schmarren.

Was in den Medien nie erzählt wird, weil es von Sterners Management aus seinem Lebenslauf gestrichen wurde, sind jene zahllosen Tage, an denen er als verbissener, kleiner Immobilienmakler in unserer Stadt versuchte, seine dürftigen Wohnungen anzubringen. Hier hat unsere Geschichte einzusetzen. Denn hier hat alles seinen Ausgang genommen. Und Sterner kann sich noch genau an den Zeitpunkt erinnern, an dem alles anfing.

Rückblende: Es war einer dieser tristen Tage, an denen der Himmel wie aus Pappmaché über der Stadt hing. Peter Sterner hatte gerade eine seiner unsäglich durchschnittlichen Wohnungen an eines dieser unsäglich durchschnittlichen Akademikerpaare vercheckt. Nun saß er wieder in seinem Golf Cabriolet und blickte zum Ausparken in den Seitenspiegel, als er bemerkte, dass er seine Aktentasche in der Wohnung vergessen hatte. Und damit fing die ganze Sache an. Es hört sich lächerlich an, aber so war es: Dass er seine Tasche vergessen hatte, sollte ihn aus seiner kleinkarierten Bahn hinaus schleudern und in die höchsten Sphären befördern.

Während er erneut die drei Stockwerke hochstieg, um die vergessene Tasche zu holen, ahnte er noch nichts. Auch nicht, als er in der Wohnung war, seine Tasche bereits in Händen hielt und ein Geräusch aus der Küche vernahm, oder besser: etwas, das sich wie das Gackern eines Huhnes anhörte und aus dem Schrank zu kommen schien. Sterner ging in die Küche und öffnete alle Türen des Schrankes, um nach der Ursache des Geräusches zu forschen. Er wusste nicht, dass sein Glück die Ursache war. Es hatte ein bisschen gekrächzt, um ihm zu sagen: Hier stecke ich. Schau nach mir. Er hätte das Geräusch genauso gut ignorieren können, sich nichts denken, seine Tasche nehmen und verschwinden. Aber er tat es nicht. Zum Glück. Er forschte nach der Quelle des seltsamen Gackerns. Sterner klappte alle Türen der Kästchen auf und zu, blickte auf sauber staubgewischte, leere Regale. Nur im letzten Kästchen, das er öffnete, lag etwas: ein Kuvert. Und im Kuvert fand Sterner, als er es hektisch aufriss: ein Brieflos.

Und damit begannen sich die Dinge zu überschlagen. Draußen teilte sich der Pappmachéhimmel wie ein Vorhang und gab gleißenden Sonnenschein frei. Und in fernen Weiten stürzte ein böser Stern, der bisher Sterners Leben überschattet hatte, in den Abgrund eines unendlich leeren, unendlich schwarzen Loches. – Wie sonst erklärt man sich das Unerklärliche? Mit welchen anderen Metaphern als den geheimnisvollen Einwirkungen von Vorgängen in weiten Fernen kann man das Unfassbare, das sich direkt vor unseren Augen ereignet, fassen? Sterner wunderte sich. Woher kam das Los? Warum wurde es nicht gefunden, als sich das Akademikerpaar den Kasten ansah? Hatte es jemand vergessen? Hatte es – das war der noch viel unverständlichere Gedanke – jemand extra für ihn dort liegengelassen? Und wenn ja: Wer? Und übrigens: Wo war das Huhn, das er gehört hatte?

Sterner hatte keine Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, denn es klingelte. Er wickelte das Los in sein Taschentuch und steckte es in die Brusttasche seines Jacketts. Dann ging er in den Vorraum, um den Türöffner zu betätigen. Es klingelte nochmals. Die Person musste bereits vor der Tür stehen. Sterner schaute durch das Guckloch und sah eine Frau: Die schönste Frau, die ihm je unter die Augen gekommen war. Er öffnete. Sah sie fragend an. Ihre Blicke kreuzten sich. Sterners Herz stand für einen angehaltenen Atemzug lang still. Als ihm wieder einfiel Luft zu holen, merkte er, dass sie nicht nur die erste Person mit echten Designerkleidern war, die ihm an diesem Tag unterkam, sondern auch, dass sich seine Hose vorne wölbte.

“Ich komme wegen der Wohnung”, sagte die Frau.

“Das muss ein Irrtum sein. Aber treten Sie bitte ein!”

Sterner hatte keinen zweiten Termin zur Besichtigung der Wohnung vereinbart. Trotzdem fragte er die Frau nicht, woher sie von der Wohnung wusste. Er war von ihrer Schönheit überwältigt und zeigte ihr die Räume, ohne sich seine Aufregung anmerken zu lassen.

“Ich will ehrlich zu Ihnen sein,” sagte er gleich im ersten Zimmer: “Diese Wohnung ist nichts für Sie. Ich zeige Ihnen lieber ein besser gelegenes Objekt, das Sie ganz sicher entzücken wird.”

“Und ich will ehrlich zu dir sein,” hauchte sie als Entgegnung: “Die Wohnung interessiert mich eigentlich gar nicht, sondern ein ganz anderes Objekt, das mich ganz sicher entzücken wird!”

Und dabei drückte sie sich eng an Peter Sterner, fasste an seine Hose und zog ihn zu Boden. Es war wie im Film – eine dieser hocherotischen Szenen, wo zwei Menschen ihre perfekten, nackten Körper einander annähern, um sich schließlich in einer grenzmystischen Energieentladung zu vereinigen. Und diese Szene projizierte sich nun von der Leinwand herab auf Sterners Leben, mit ihm und der schönen Unbekannten in der Hauptrolle.

Die vormals noch öde Bleibe verwandelte sich unter Küssen und Umarmungen in einen Tempel der Liebe. Unter halb gestöhnten Bereitheitsbezeugungen, die seine Erregung nur noch steigerte, riss die Frau ihm und sich selbst die Kleider vom Leib.

“Ich heiße Uschi,” flüsterte sie. “Ich bin Palmers-Model. Als ich dich in der Tür sah, stellte ich dich mir in der neuen Männerunterhosenkollektion vor!”

Sterner seinerseits streifte atemlos Uschis dünnes Etwas von Höschen und Strümpfen von ihrer makellosen Haut und geriet in einen erotischen Taumel, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Seine Lust wuchs sich zum reinsten Liebesrausch aus, der sich ins Unendliche steigerte. Bald schon tauchten die beiden in ihren ersten Höhepunkt ein. Dabei war es, als würde der ganze Strahlehimmel draußen vor den Fenstern von riesigen roten Herzen überzogen sein, die zum Donauwalzer über den Dächern kreiselten. Es war einfach un-glaub-lich!

Eineinhalb Stunden später kehrte Sterner ins Büro zurück. Er war glücklich. Er pfiff – wie immer, wenn er bester Dinge war – die Melodie von “Deutschland, Deutschland über alles!” Daran änderte sich auch nichts, als ihm die Sekretärin entgegenstürzte und in Tränen aufgelöst mitteilte, dass der Chef mit einem schweren Herzinfarkt ins Spital eingeliefert worden war und es nicht gut für ihn ausschaue. Mit dieser Nachricht war der letzte Beweis erbracht. Peter Sterner wurde schlagartig klar, was er bereits geahnt hatte: Dieser Tag war sein unumstößlicher Glückstag. Alles Schwere war von ihm abgefallen, und nun purzelten die Ereignisse, eines beglückender als das andere, endlos auf ihn ein. Er nahm sich augenblicklich frei und fuhr nach Hause.

Auf den Gehsteigen erblickte er Leute, die sich wie Hunde nach ihrem Hinterteil reckten. Sie versuchten, sich selbst in den Allerwertesten zu beißen. Männer in Anzügen und Frauen in Geschäftskostümen standen vor Laternenmasten und schlugen mit dem Kopf dagegen. Sie torkelten den Gehsteig entlang, und ihre Gesichter flogen hin und her von den Ohrfeigen, die sie sich selbst verabreichten. Sterner winkte ihnen fröhlich aus seinem offenen Cabrio zu. Ein neues Leben hatte begonnen. Jahrelang hatte er uninteressante Menschen in Wohnungen aller Art und Größe geführt, um sie zu bedienen, sich bei ihnen anzudienen und sie hinters Licht zu führen. Er hatte gewusst, das konnte nicht alles sein. Sicher: Er hatte sein Cabrio, seine Stunden im Fitnesscenter, seine Clique im In-Lokal und seine liebste Herrenboutique. Aber bei all dem hatte er sich im Innersten immer übervorteilt gefühlt. Oft und oft hatte er sich gefragt, warum immer die anderen die großen Villen hatten und die Super-Models als Freundinnen, mit denen sie in den neuesten James-Bond-Gefährten spazieren fuhren. Warum die anderen, und nie er?! Und jetzt, auf einmal, spürte er, dass sich auch ihm diese Welt auf täte. Die Türen öffneten sich und dahinter warteten VIP-Lounges und Bars, in denen dienstfertige Chefober Martini Drys mit leichter Verbeugung überreichten. Eine Welt, in der sich die Rollen ändern sollten und er, Peter Sterner, derjenige war, den es zu hofieren galt. Ganz sicher! Und die Eintrittskarte in diese Welt war: Das Brieflos aus der Wohnung!!!

Zuhause fiel es ihm wieder ein. Er fischte es aus dem Sakko, wickelte es aus dem Taschentuch und sah es sich aus der Nähe an. Dabei kam er ins Philosophieren. Was war es, das Brieflos?! fragte sich Peter Sterner. Nichts! War die Antwort. Nichts als ein lausiges, bunt bedrucktes Stück Papier, an das viel zu viele Menschen magische Wünsche hefteten!

Sterner überlegte, sein Brieflos ungeöffnet wegzuwerfen, einfach, um sein Glück zu provozieren. Er würde, war er nach den Ereignissen der vergangenen Stunden überzeugt, noch jede Menge solcher Chancen bekommen. Er hatte es nicht nötig, wie ein Idiot auf eine Chance zu gieren, die es nicht wirklich gab. Ein Brieflos, dachte er, wäre unter seiner Würde. Kurzerhand zerfetzte er es in fünfzig kleine Stückchen.

Nein, natürlich nicht. Sterner kann zwar als Ungustl bezeichnet werden. Aber er war kein Trottel. Und es war ihm klar, dass er sich als solcher erwiesen hätte, wenn er das Brieflos in Stücke riss. Nein! Also riss er die Perforation des Briefloses auf. Was soll man sagen? – Dass sich in diesem Los “die Million” befand, der Tausende hinterher hecheln, und dass Peter Sterner derjenige war, dem das Los in die Hände geriet? – Ihn selbst überraschte es nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Er wusste von dem Moment an, da er das Brieflos gefunden hatte, dass im Feld, wo bisher jedes Mal “leider nicht” gestanden war, diesmal “1,000.000,— öS” zu lesen sein würde. Und als es dann wirklich so war, ließ es ihn kalt. Er zitterte nicht, machte keinen Luftsprung, er drehte nicht vor Freude durch, sondern faltete das Papierbriefchen wieder zusammen, steckte es in die Geldbörse, nippte vom Martini, den er sich bereitet hatte, und nahm sich vor, am nächsten Tag bei der Lottogesellschaft anzurufen, um seinen Gewinn einzufordern. Die Million würde ihm ein paar Monate sorglosen Lebens bescheren. Er rief Uschi an: “Pack die Koffer, Darling! Wir vertschüssen uns in Richtung Süden! Morgen geht es los.”

Die nächsten Monate waren die bis dahin schönsten in Sterners Leben. Er gab seinen Job auf und flog mit Uschi auf die Malediven. Sie verbrachten traumhafte Wochen unter der tropischen Sonne, tranken Bacardi-Rum an weißen Sandstränden und ließen sich von einheimischen Kellnern wie Fürsten bewirten. Zwischendurch hatten sie himmlischen Sex auf gemieteten Yachten und in vollklimatisierten Fünf-Sterne-Bungalows. Tagsüber gingen sie tauchen, oder sie ließen sich mit Fischerbooten auf unbewohnte Inseln bringen. Abends speisten sie in den Restaurants und Bars der besten Hotels, die sie im Lauf der Wochen auf den einzelnen Atolls kennerlernten. Und in der Nacht schauten sie sich den Sternenhimmel an, wenn sie nicht gerade wieder übereinander herfielen.

An einem dieser wunderbaren Tage klimperte Sterner in der Hängematte auf einer Gitarre herum, und Uschi meinte, das höre sich gut an; er solle doch Lieder schreiben und sie aufnehmen. “Tja, wenn du meinst …,” sagte Sterner und dachte schon nicht mehr daran. Doch nachdem sie nach Europa zurückgekehrt waren und sich Uschi in ein Sanatorium legte, um ihre Brüste noch einmal vergrößern zu lassen, mietete er sich ein Studio, wo er mit ein paar Musikern eine Handvoll Songs aufnahm, die er auf den Malediven geklimpert hatte. Es waren Liebeslieder, in denen er die zunehmende Schönheit von Uschi besang, tropische Sonnenuntergänge, die faszinierende Unterwasserwelt und schillernde Orgasmen. Sterner hatte nicht vor, irgendetwas mit diesen Songs zu machen. Er nahm die Lieder nur für sich und Uschi auf, damit sie im Autoradio etwas zum Anhören hätten, wenn sie mit ihrem frisch geleasten BMW auf Spritztour gingen.

Uschi sah umwerfend aus, als er sie vom Sanatorium abholte. Noch bezaubernder als bisher. “Oh, Baby”, stöhnte er, “wie soll ich mit so viel Schönheit nur fertig werden?”

“Trag es mit Fassung, du wirst dich daran gewöhnen”, meinte sie. Sterner hatte eine Überraschung für sie: Zwei Karten für die VIP-Tribüne beim aktuellen Stones-Konzert in Monaco. Sie machten sich auf den Weg. Ab ging es in Richtung Ruhm und Reichtum.

Wenige Kilometer vor Monte Carlo stand ein Bus mit eingeschalteten Warnblinkern am Pannenstreifen. Für gewöhnlich hielt Sterner nicht an, sondern stieg fest aufs Gas, wenn er eine Panne oder einen Unfall sah. Sterner kannte ein Buch, in dem stand, dass man sich seine Krankheiten gezielt zuziehe. Als Mangelerscheinung der Seele. Bestimmt zieht man sich auch seine Unfälle und Pannen zu, war er überzeugt. Was also sollte er mit anderer Leute Unfälle und Seelenmangel anfangen? Wenn man sich mit Verlierern abgibt, wird man am Ende nur selbst zum Verlierer, war seine Devise. Trotzdem hielt er an. Und wieder hatte er, wie am Tag, als er seine Aktentasche in der Altbauwohnung vergaß, den goldrichtigen Riecher: Was da am Straßenrand mit rauchendem Motor parkte, war der Tour-Bus der Rolling Stones auf dem Weg zu ihrem Konzert.

“Well”, sagte Sterner zu Mick Jagger, der neben dem Bus stand und fluchte, “I guess you’re on the way to the concert. Braucht’s an lift?”

Wenig später drängten sich Mick, Keith Richards und Charlie Watts auf der Rückbank des BMW. Ihre Laune hatte sich gebessert. Keith hatte sich sogar einen Joint, groß wie ein Pilsglas, angeraucht. Der Kelch machte die Runde und landete bald in den Händen des Fahrers. Nach nur einem Zug war Sterner vollkommen berauscht, seine Mundwinkel hoben sich in Richtung Augenbrauen. Als er in den Rückspiegel blickte, sah er, dass auch die Stones da saßen wie drei fette Grinsekatzen.

“Uschi”, lächelte er, “ist das nicht himmlisch?!”

Und Uschi antwortete mit einem Lachkrampf, der sie wie ein Huhn gackern ließ. Da fiel Sterner ein, er könnte jetzt das Band mit den Maledivensongs abspielen.

Gleich als erstes kam sein persönliches Lieblingslied, “Sucking like a Pharao”.

“Hey, what’s that? – That’s bloody great!” hörte er Keith Richards krächzen. Und auch Mick Jagger, der kurzfristig leicht weggetreten war, wachte wieder auf und wurde rot. “The song is fabulous!” war er begeistert. “Only the refrain might be a bit too rude.”

“Wie meint ihr das?” fragte Sterner, der einige von den schmutzigen Liedern der Stones besonders gerne mochte. Nun erfuhr er – unter der Bedingung allerstrengster Geheimhaltung –, dass sich die Band im Studio doubeln ließen, wenn zweideutige Texte aufgenommen wurden. Aber: Sein Lied hatte auf der Rückbank eingeschlagen, kein Zweifel. Selbst der stille Charlie Watts, der Keith Richards Wundertüte stoisch aufgesogen hatte und, abgesehen von einem feinen Leuchten in seinen Augen, als einziger keine Reaktion darauf zeigte, fing an, mit den Händen den Rhythmus von “Sucking Like a Pharao” zu trommeln.

“Hey, Mann, du musst das verdammte Lied unbedingt vor Publikum spielen!” krächzte Keith. “Die werden sich alle auf der Stelle anscheißen, das verspreche ich dir!”

Und Mick, der zwar voll bedröhnt war, aber nicht bedröhnt genug, um das Geschäftliche aus den Augen zu verlieren, hatte eine ziemlich gute Idee: “Sing doch ‘Dancing like a Pharao’ statt ‘Sucking like a Pharao’!”

“Hey, und wie wär’s, wenn du es gleich heute in unserer Show spielst”, sagte nun Keith.

“Yeah”. – Das war Charlie Watts’ Kommentar.

“… in unSeRerr Ssschoou schpielssst …” hörte Sterner aus galaktischer Entfernung. Im Geist sah er sich auf der Bühne stehen. Seine Augen waren zusammenkniffen wie die eines besoffenen Walrosses. Er grinste zwei Meter breit und blinzelte in das gleißende Irrlicht der stoneschen Laser-Show.

“We’d like to introduce…” hörte er Mick Jagger ins Publikum brüllen, “… a very special friend of ours. For the first time ever, here on stage: the future of Rock’n’Roll! Ladies and Gentlemen – please welcome:”

Und dann hörte er, Pitar Sdörna, seinen eigenen Namen, der sich mit einem frenetischen Schrei aus 70.000 Kehlen vermischte.

Sofort spielte Keith Richards das Riff von “Dancing like a Pharao” an, das er beim Soundcheck eingeübt hatte, Charlie Watts lieferte einen seiner unvergleichlich lässigen Einsätze und Mick betätigte sich hinter ihm als Bühnentänzer und Backgroundsänger. Sterner griff zum Mikrophon, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Und obwohl er ein klein wenig Angst hatte, vor lauter Nervosität könnte sein Schließmuskel vielleicht doch versagen, tat er es, als hätte er nie etwas Anderes getan: Er sang vor 70.000 Zuhörern. Und er erfasste die Menge wie ein Sturm.

Damit war das Wunder endgültig vollbracht, die Vorsehung des Pophimmels hatte sich erfüllt. Sterner war der Star des Abends, die Entdeckung des Jahres. Backstage stürmten Reporter auf ihn zu, und Fotografen ließen ein Blitzlichtgewitter auf ihn niedergehen. Die Bilder von seinem sagenhaften Auftritt landeten auf den Titelseiten der internationalen Musik-, Mode- und Zeitgeistmagazine. Sterner musste sich von einem Tag auf den anderen daran gewöhnen, sein Gesicht von allen Zeitungen und Zeitschriften lachen zu sehen. Er wurde von nun an von Schritt auf Tritt von Leuten bestürmt und um Autogramme und Interviews gebeten. Er konnte keinen Fuß mehr vor die Haustür setzen, ohne von einer Fan-Gemeinde umgeben zu sein, die vollkommen aus dem Häuschen war, nur weil sie ihn leibhaftig sehen durfte. Die 5-Sterne-Hotels, in denen er ab nun residierte, wurden belagert, seine Autos mit Liebeserklärungen mit rotem Lippenstift vollgeschmiert. Sterner legte sich Bodyguards zu, er heuerte eine Managementagentur an und überlegte sich, seinen Wohnsitz gänzlich nach Monaco zu verlegen, sowohl um den Steuern zu entgehen, als auch um dem Jet-Set, der ihn zu seinem Liebling erkoren hatte, näher sein zu können.

Jeden Tag trudelten tausende Fanbriefe bei ihm ein. Seine in- und ausländischen Konten explodierten förmlich. Im Büro seines Managers standen die Leute mit Koffern voller Geld Schlange, das sie Sterner am liebsten eigenhändig in den Hintern gesteckt hätten, nur um ihn als Werbeträger zu gewinnen. Er habe hart gearbeitet, sagte er, nach dem Geheimnis seines Erfolges befragt, immer wieder; und nun ernte er den Erfolg, zu dem er die besten Voraussetzungen hätte. Das Argument überzeugte seine Gesprächspartner. Die weiblichen Journalisten lechzten danach, von Sterner wenigstens berührt zu werden. Ihre männlichen Kollegen fühlten sich geehrt, wenn sie von Pitar Sdörna Superstar in der Hotelbar mit einem freundlichen Wort bedacht wurden. Erste Biographen gingen daran, seine Herkunft und seinen Werdegang in huldigenden Schriften nachzuzeichnen. Sie vernachlässigten keine noch so banale Äußerungen aus seinem Mund und gaben getreulich wieder, welchen Anzug aus der Kollektion wessen Cotouristen er bei welchem Antritt getragen hatte. Peter Sterner hatte den Überblick verloren, wer sich alles um seine Person riss. Sollte sich sein Management darum kümmern. Er stand im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. “Und doch ist mir bewusst”, pflegte er bei Interviews zu sagen: “Ich bin nur einer von Etlichen, die von den Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften lächeln und deren Namen jedes Kind auf der Welt kennt. Ich bin einer von den Auserwählten, die stark genug sind, dass sich in ihnen das Glück der Menschheit bündeln kann.”

Und so sehen wir ihn wieder in unserer Lieblingssendung, Samstag abends, im Showblock zwischen Madonna und Michael Jackson: als einen der Auserwählten, die das Glück der Menschheit in sich vereinen.

“Stimmt es, dass du von den Rolling Stones entdeckt wurdest?” fragt ihn der Showmaster, nachdem der Applaus endlich abgeflaut war und sie auf der Talk-Couch Platz genommen hatten.

“Ja, das war wie im Märchen”, antwortet Sterner. “Ich traf die Burschen vor ihrem Monte-Carlo-Konzert, konnte ihnen einen meiner Songs vorspielen und wurde sofort unter Vertrag genommen.”

“Da hast du unwahrscheinliches Glück gehabt.”

“Ja, aber vor allem war da eines: Ich habe einen Traum gehabt.”

Das war natürlich Blödsinn von vorn bis hinten. Aber so hatte er es vor der Show mit Tommi ausgemacht, weil beide wussten, das kommt beim Publikum gut an.

“Pitar Sdörna, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Pitar Sdörna!” Nochmals wurde sein Gesicht in Großaufnahme gezeigt. Dann der Schwenk, und die Sendung ging weiter: “In der nächsten Wette geht es um einen Geflügelzüchter aus Schleswig Holstein, der behauptet, er könne jedes einzelne seiner 500 Hühner an ihrem Gackern erkennen. Aber nicht nur an der Luft, sondern auch unter Wasser. Applaus für …”

Peter Sterner rekelte sich unbeobachtet auf der Talk-Couch. Ja. Er hatte es geschafft. Er war ganz oben. Er hatte es sich im Glück häuslich eingerichtet, mit einem unbefristeten Mietvertrag in der Tasche. Selbst wenn ihm die Stimme versagte, würde er noch als Kunstfurzer CDs aufnehmen können, die zur Nummer 1 würden. Ihm würde nichts mehr passieren können. Außer, patsch: He, das verdammte Huhn, das hoch über ihm auf dem technischen Gestänge zwischen den Scheinwerfern hockte und etwas fallen gelassen hatte, es hatte ihn genau auf die Stirn getroffen! Was soll dieser Scheiß!? Peter Sterner wischte sich die Stirn ärgerlich mit einem Taschentuch ab. Dann sah er, dass Uschi zu, die wie bei jedem wichtigen Auftritt am Bühnenrand stand, lachte. Er zwinkerte ihr zu, und sie antwortete mit einer Kusshand, die sie ihm mit weit ausholender Geste zuwarf, bevor sie einen Schritt zurücktrat und in den Kulissen verschwand.

“Peter Sterner – Das Geheimnis seines Erfolges” (incl. CD “Like a pharao” ) erscheint als Comicbuch (Zeichner: Roman Klug) als Band 19 in der edition kürbis (ISBN 3-900965-19-6 oder online bei kuerbis@kuerbis.at), ÖS 198.- / DM 29.- / sfr 29.-

Walter Hoelbling

Verse

difficult words

times are
when words seem
to have lost
their power
to be spoken

they stubbornly refuse
to form
on the same lips
from which they flowed
only a heartbeat
ago

difficult words
they have become

I love you

forgive me

I love you

 

mobile home

it travels without trucks
builds quickly
and undoes itself
with ease

its walls are just
my frames of thought
its bed
the conscience of a day
well lived
with few regrets

its gourmet restaurant
mostly beckons somewhere
from across the street
where people meet
keep company
and eat
and share
and talk

 

music

some music
makes you feel
so very old and wise
so full of aching joy
and knowledge of the world

it sums up
all your life
in sound

dew drops
brilliant in the morning sun

haunting your memory
beyond recall

 

revisioning

walking
the streets of Vienna
with you

venerable palaces
waltzing around St. Stephen’s

beautiful white horses
from the Spanish Riding School
galloping through the Schönbrunn Park

old Sigmund F.
ogling the Viennese Choir Boys

Timothy McNeal

Au Café Maure

Sitzen
da und rauchen,
schlürfen heißen
starken Kaffee,
süß.
Sitting,
smoking,
sipping
hot strong coffee,
sweet.

 

SonntagNachmittagTeich / SundayAfternoonPond

How come I
always associate
willow with widow?

Wir trinken Wein
unter den Weiden;
träges Wasser,
still;
doch der
Tanz der Insekten
kreiert
die Choreographie des
Libellenflugs.

Wine
under the willow
trees;
sluggish water,
still;
but
the insects’ dance
creates
the dragonfly’s choreography.

 

Zero

Unsere hoffnungsvollen
Seelen schweben ewig
über schwarzem Mond,
verloren.
All the spirits
of our hopes hover off moon,
forever dark,
forever doomed.

Nicole Jurosek

VOM PARKPLATZ (ATEMWEG)

Sein gekrümmter Schrei
durchdringt Bäume
deren Blätter schon braun
und im Flug
zerbrechend sind

Viele Pulsschläge
ist es
alles ist
als wiege sich die Welt
in heutiger Sintflut
von gestern
wo kein Herz mehr
in der Seele
brennt

Die neugeborene Stimme
inmitten voll Dornen
blüht auf
und plötzlich
ein Reisender
nimmt es mit

Später:

An Gott rätselt Kind

fern von zwei Menschen
die in ihrem Leben
nur einmal
einen Schatten hatten

Aus gekränktem Gesicht
fliesst sich ein Tropfen
als Bach
einen schweren Weg
zu einem Fluss
und dennoch sind
die Augen
dieses Menschen
mit Licht gefüllt

 

INS GESICHT GESAGT

Maske
ohne Maske
ein Lächeln von dir
will ich sehen
mein grösster Wunsch

hautnah
wortlos Zärtlichkeit trinken
eingesperrt sein
in deinem Käfig
mit der Tür
weit offen
durch dein Herz fliegen
Richtung Himmel und Erde
über das Wasser
im Wind gewogen
wie ein Vogel
mit ausgebreiteten Flügel
frei unter deinem Atem
durch den Nebel
von einem Licht ins andere
und ausruhen
in deinem kühlenden Schatten
um zu opfern dir

meinen grössten Wunsch:
Maske
ohne Maske
ein Lächeln von dir
will ich sehen

 

UNBEGABTE

Mit Kugel-
schreiber fleissig
als Hammer
schlagen sie Nägel
auf kariertes Papier
bis es schwarz
schwärzer als schwarz
aus ihren Augen trieft
die unbelesbar sind
in schattierten Worten

Ihre Tinte
ihr Blatt
getrennt wie
Wasser und
Öl
das lange
am Herd nicht kocht
nur raucht

Der Nagel Liebe
das einzige
unschuldige Wort
will sich lösen

Der Rest
der aus
gedachtem Eis sich formte
und als Eisen
so rostig glänzt
hält es zu-
rück, kreuzigt
ihr Erhirntes
mit aderlosen Blatt
das angenagelt, starr
ohne sich zu biegen
von fragenden,
rufenden Zeichen an
ihren
Tischen klebt

Es flüstert
nicht
auf Schreie

Kristine Greßhöner

12 Texte

Der Nachlass

Ich finde Sperma in meinem Bauchnabel. Ich hoffe, meine Mutter findet es nicht. Es hat dort überwintert, seit einem der letzten Dezember. Der Junge hatte damals gesagt, man wolle ihn bald zum Sänger kastrieren. Er sagte, er wolle es in zehn Jahren wieder abholen. Dann würde er mir damit ein Kind zeugen. Mittlerweile habe ich mich mit dem Sperma in meinem Bauchnabel angefreundet. Es kann reden und wir sprechen viel über Politik. Nun, zum Ende des 1000-Jährigen Reiches, bin ich alt geworden, von einem Tag auf den anderen. Mein Bauch ist seit gestern sehr faltig geworden und das Sperma ist unter einer Falte erstickt. Ich habe es nicht schreien gehört, das tut mir leid. Heute Morgen habe ich es nun in ein altes Marmeladeglas gefüllt und neben der Tanne im Garten begraben.

Miranda

Miranda, wie weit sind die Berge, fragte das kleine Mädchen. Miranda, wie tief ist das Meer? Miranda antwortete nicht. Sie saß schluchzend unter dem Birnbaum und die Tränen floßen an ihren schönen Brüste hinab auf den Boden. Miranda weinte. Das kleine Mädchen trocknete ihre Wangen und lief vergnügt hinunter zu den Apfelbäumen, an deren Ästen sich scharlachrote Kinderleichen im Wind wogen. Miranda stand nie wieder auf. Sie vertrocknete gemeinsam mit dem Birnbaum.

Küche
(–gelesen am Bielefelder Literaturtelefon–)

Am Tag. Er rinnt in meine Tasse. Schwarz, ja, schwarzer Kaffee, der Tisch ist gedeckt, gestern haben wir es auf dem Tisch gemacht. Deine Kratzspuren im Gesicht sind die Beweise. Belege der Nacht, die so schwarz war wie Kaffee. Im Zimmer hängt ein Duft von Geschlechtsverkehr und ich kraule deinen Nacken im Takt der Uhr. Du sitzt mit dem Rücken zu mir und liest die Tageszeitung. Ich trinke den Kaffee von gestern Abend, denn heute haben wir keinen mehr. Du hast letzte Nacht in die Kaffeedose uriniert und sie steht jetzt auf dem Abtropfbord der Spüle. Ich habe sie in heißem Wasser gebadet, während du auf dem Boden gekniet hast. Deine Zunge war warm und weich, meine Hände wurden faltig und Urin ist gut für die Haut.

Am Tag riecht es in unserer Küche nach Geschlechtsverkehr und jeden Besucher führen wir hinein. Alle sollen es wissen, dass wir es tun, das, worüber niemand spricht. Wir machen es auf dem Küchentisch, während dort noch die karierte Decke vom Frühstück liegt und auf den nächsten Morgen wartet. Du bist blind, darum machen wir es in der Nacht. Ich will nicht als einzige das Recht haben, dich zu sehen, darum – im Dunkel, in der Küche. Heute Nacht werden wir es wieder tun. Denn am Tag – sind alle Katzen grau.

Liebe mich

Die Falte meines Popos und die samtige Haut drücken an den rauen Untergrund. Ich sitze auf seiner Hand und er ist Schmied. Seine Haut ist ledern und faltig, und ich sitze mit gefalteten Beinen auf seiner linken Hand. Er isst ein duftendes Wurstbrot. Wenn er abbeißt, sehe ich hinein in seinen Rachen, die Krümel des Brotes verkleben den Gaumen und Spuckefäden glänzen im matten Licht. Er spricht, und ich wische mir die Brocken seines Mahles aus den Haaren. Ich möchte ihn lieben, denke ich, denn er ist ein großer Mann. Er ist Schmied, und ich sehe ihn jeden Tag die riesigen Hämmer schwingen. Sein rechter Daumen streicht mir unbeholfen über den Kopf. Es ist schade, dass ich ihn nicht befriedigen kann. Ich möchte ihn befriedigen, doch er ist Schmied und sehr stark, und eins passt nicht zum anderen. Ich spreize meine Beine ein wenig, rutsche von seinem linken Daumen und wandere zurück zum Weiher. Ich bin seine Lachsprinzessin, doch er weiß es noch nicht.

Immer

Ich bin der Mann, der morgen deine Wände einreißen wird. Ich möchte dich warnen. Denn Benn, ja, dem alten Cocker, nein, fass mich nicht an, deinem Benn habe ich gestern die Beine gebrochen. Es ist doch alles, ich meine, alles, alles, was kommt, was geht, ich meine, nein, ich will dich doch nicht heiraten! Es ist nur, ich will, also, ich will immer nur die Mäuse von einer Wand zur anderen laufen sehen. Lass uns den Weg zu Barbarossas Grab gehen! Du weißt doch, was man redet. Du erhältst die kleine Wahrheit dort. Und die Große? Ich weiß nicht, die kann ich dir verkaufen, fünf Gramm aus Amsterdam, das ist die große Wahrheit. Ich drehe mich auf dem alten, blauen Sofa der Bahnstation um. Mitten auf Gleis Sieben steht mein Sofa, es steht dort seit gestern Nacht, ich fand, es passe nicht mehr zu der grünen Tapete in meinem Zimmer, also habe ich es in Nachbars Bully gepackt, und wir haben es auf Gleis Sieben gestellt. Kein Zug ist hierhergefahren, ein Glück, ja, was für ein Glück, Marena, Magda, Mathilde, was für ein Glück, sonst wären wir überfahren worden, heidewitzka, das wäre eine Sauerei geworden. Ich steige wieder in den Bully, der gehört meinem Nachbarn, es ist früh um fünf, ich habe dich auf dem Sofa auf Gleis 7 gelassen. Sitzt da, wartest da, wartest, denn du bist meine Frau, also nicht verheiratet, aber du bist meine Frau, soweit alles klar. Bist beleidigt, habe deine Freundin angeguckt, letzte Nacht, du warst dabei, lagst aber mit dem Kopf in der Toilettenschüssel, ich habe drauf gepisst, weil ich so stoned war, ja, es tut mir immer noch leid, scheiße und heidewitzka. Ich schaue aus dem Fenster und die ersten Arbeiter fahren zu ihrer Arbeit, manche kommen jetzt erst nach Hause, haben letzte Nacht eine andere gevögelt, mehr war es nicht, ja, ich habe das auch mal getan. Meine Frau sitzt auf dem Sofa und neben ihr sitzt ihr Köter mit gebrochenen Beinen, beide warten auf mich, und ich warte auf den ersten Zug, der das Problem für mich erledigt, umfährt und so. Ich bin nicht brutal, bin nicht perverser als mein Nachbar, dessen Bully ich fahre, heidewitzka, ist der durchgerostet, naja, gestern war noch alles in Ordnung und so, und wir wollten, glaube ich, heiraten, aber das war gestern, und wer sagt schon von sich, dass er im Gestern lebt, ich tue das nicht. Man, jetzt merke ich doch den Hunger auf Brot, ich will dich küssen, nein, eher dich berühren, nein, einfach dich riechen, denn du riechst so gut. Ich habe gesehen, dass die Ampel auf Rot sprang, rot wie deine Lippen, ich habe gesehen, wie sie auf gelb sprang, lass uns bis ans Ende der Welt fahren, hast du gestern gesagt, aber ich fahre jetzt mit Nachbars Bully und dem sage ich so was auch immer wieder zärtlich, bitte, bitte fahre mich bis zur nächsten Tankstelle. Macht der auch brav, nur du lässt mich immer hängen, wenn du trocken gelaufen bist. Das Leben ist eine Mandarine und ich sitze im faulen Fruchtfleisch vergraben. Dann pellst du meine Mandarine und hopp, sitze ich, der Hiob, auf deinem Frühstückstisch. Alles Weiße in meinem Kaffe ist Mehl. Meine Euter gaben früher mal Milch, oder? Na, schon ausgeschlafen? Mathilde, das Wasser kocht! Oma Magda, aufstehen, die Neffen und Nichten, hallo, aus den Betten geschüttelt. Es sind 500, weißt du, 500 Nichten und Neffen an der Zahl.Amerika, dorthin werden die 500 Nichten und Neffen gehen, später mal, wenn sie groß sind, na denn, Hals und Beinbruch ihr alle. Ach, mein Herz ist so schwer, das Wasser ist mir ausgegangen auf meinem Weg, und morgen kaufe ich mir ein Boot. Heute reicht noch der Bully. Man überlege sich, gestern hatte ich nur ein Fahrrad. Was für Zeiten, Marena, was für Zeiten. Ich möchte den Kopf schütteln, muss in den Rückspiegel sehen. Es gibt Frühstück im Hause meiner Großmutter. Heidewitzka, unser Brot von gestern ist noch da, Teil der elenden Vergangenheit mit meiner Frau. In den Nachrichten höre ich, dass auf Gleis Sieben ein Sofa steht, es ist gelb und groß, und man musste es von den Gleisen schaffen. Morgen werde ich wieder die Nachrichten hören. Vorher werde ich den Bully meines Nachbarn ausleihen, das blaue Sofa, meine Frau und den Hund nehmen und alle auf Gleis Sieben zurücklassen.

Seidenwahn

Seidenstrumpfhäkeln. Nadeln, die führen den Faden zwischen die anderen. Jemand wartet. Wo ist meine Antwort? Ich sitze auf einem Stuhl und du musst an mir vorbei. Ein schmaler Gang ist es. Ich sehe in die Ferne. Eins links, eins rechts, eins zwo. Nein, ich gucke nicht. Nein, ich sehe nichts. Haare wandern. Etwas kommt näher. Olala, das bist du. Kommst aus deinem kleinen, dunklen Tal hier herauf an die Oberfläche. Dann. Der Moment, dass du an mir vorbeigehen musst. Ich sehe dich direkt an. Du siehst verstört hinweg. Irgendwohin. Ich weiß nicht, welches Objekt deine Augen mit ihren Blicken abtasten. Ich kann mich nicht mehr beherrschen. Es klappt nicht mehr. Hallo! Ich schreie, ich kreische, ich zeige mit meinem Finger auf dich. Auf deine Gestalt. Mit dem kleinsten Finger. Wir rocken das Haus und kommen niemals wieder raus. Mein Lachen übertönt euch alle. Weißt du, wie lächerlich du gucken kannst? Hoffentlich. Ganz toll. Dein Grinsen stirbt ab. Ich muss Luft holen. Irgendwo klingt mein Echo nach. Es klingt, es klingt, jemand holt einen Eimer Sand und erstickt es. Schade. Die Musik wird wieder lauter. In der Ferne sehe ich dich sitzen. In der Ferne scheinst du unantastbar. Völlig durchsichtig zu sein, doch einer Existenz entschwebt, in der man wieder Erde sieht, die zwischen den Köpfen der Andersdenkenden hindurchrieselt und sich hinabwendet und wieder vergeht und das bleibt, was sie ist. Erde. Weißt Du, ich habe dich gestern noch gekannt und dann nie wieder. Ja, ich habe dich noch vor 24 Stunden gekannt und hatte Vertrauen und hey, glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich dich noch vor 4 Stunden geliebt habe? Nein, wahrscheinlich nicht, wenn du es willst. Ich schweige. Du weißt es ja nicht. Dann sage ich tagelang nichts und gedenke. Gedanken an das Gedenken. Eine Ode an Leo. An Sarah. An Gott. Sie sind nicht tot, wie das Erkennen zwischen dir und mir und mir und dir und uns und jemandem, der zwischen uns steht und dem Tod und Sex und Flucht und Schindluder. Ich weiß jetzt, dass die Plexisglasscheibe sich verdickt haben muss. Die stand hier immer rum. Immer Undurchdringlichkeit. Kann mir mal jemand eine Spitzhacke leihen? Ich brauche eine Spitzhacke. Eine ziemlich stabile. Und jetzt denkt man nach und erkennt, dass diese Plexiglasscheibe von Anfang an zwischen uns stand und wir sie nicht durchbrechen konnten. Was denkst Du darüber? Du? Du kleines Individuum, dass du dich hinter diesen zwischenentwickelten Waberungen und Ablagerungen aufhälst. Na? Ich nehme die Spitzhacke und hacke deinen verdammten Schädel auf und die Gehirnflüssigkeit spritzt und die Augen quellen leicht heraus und ich nehme eine Nähnadel, nein, eine Stopfnadel und bohre deine Augen heraus und schneide die wenigen Haare auf deinem Kopf ab und dann… Was wollt ihr ? Lasst mich los! Ihr wollt das doch so, wie ich es sage. Ich wälze mich in dieser Lache und Guten Appetit. Ihr Dreckskerle! Meine Idee der Existenz einer Daseinsberechtigung, die vor allem anderen steht und auf euch spuckt, auf euch kotzt, sich die Gedärme aus dem verfluchten Leib schneidet und sie auf euch drauf schmeißt und dann sagt jemand in die Stille der Kälte hinein: “Suppe fassen!” Mario schreit es in die Welt. Dann kommen die verfluchten Geier und hacken an den Gedärmen rum. Das stinkt. Alles dampft. Das ist normal. Ich sitze knapp hinter ihnen und mache Fotos von der Völlerei. Immerhin sind die Fotos schwarzweiß und lassen sich gut als Massaker an einer zehnköpfigen Familie verkaufen. Die Zeitungen sind voll von meinen Fotos von Gedärmen, die von Geiern zerhackt werden und ich erfahre aus den Nachrichten, dass ich wohl im Jemen war und es roch wie aus Suppenkübeln. Suppenkübelgedärme. Nein, die Hypothese ist abgefahren, das stimmt doch nicht. Völliger Blödsinn. Ich bin beruhigt, lasse die Beine durch die Gitter baumeln, und hey, ich gehe heute Abend Abtanzen und Ablachen und Luft holen. Ein zweites Gedrehtes fliegt hoch, so hoch. Der Himmel ist noch zu niedrig.

Wer hält mich fest an meinen Schuhsohlen, dass sie abfallen mögen. Niemand, niemand. Ein Kleinkind lästert. Kriegst Du meine Sohlen zu fassen, dann möge die Nadel der Machetenwerfer dich durchbohren, bis aufs Blut. Bis aufs Knochenmark. Yes, Mister, ich komme wieder zum schmalen Gang zurück. Das Haus rockt. Rockt mich um. Nein, das schafft es nicht. Wieder dieses ich-bin-zufrieden-mit-der-Welt-aber-leider-gibt-es-keine-Welt-Lachen der Falten in meinem Gesicht. Verkauf dich nicht, sonst beräuber ich dich. I’m back in the Bunker with you. Hallo, wo bist du denn? Wo ist mein kleiner Kater? Miez,miez,miez. Ah, da kommt er aus den Boxen gekrochen. Na, mein Kleiner, Mama hat ein paar Leckereien für ihr Schätzchen. Na, komm Süßer, komm her. Die verkrampften Arme, zwei Linke und zwei Rechte, von zwei gestrandeten Trampern. Zwei Jungs mit T-Shirts, die waren vorher noch weiß, mit roten Schriftzügen. “I’m a lonesome traveller.”, sagte ich ihnen. Doch sie langweilten mich. Der Strahl aus der Wasserpistole traf sie exakt. Och, Katerchen. komm doch mal her. Schmatzend werden die mitgebrachten Stücke verdrückt. So ist’s fein. So möchte ich das sehen. Und der kleine Kater verdrückt die Arme bis auf die kleinste Sehne. Dann trollt sich der Süße wieder hinter die Boxen. Endlich bin ich die Tüten losgeworden. Wurde ja auch Zeit. Die Tanzfläche ist voll. Sie wissen, wer ich bin. Was ich bin. Mit wem ich bin. Wie weit sie gehen dürfen. Respekt von allen Seiten. Wo ist denn mein Ex? Ach, da ist er ja. Kommt auf mich zu. Geht fast an mir vorbei. Streift mich fast. So ein böser Junge. Kennst Du Tabus? Blicke aus Feuer. Du musst selbst die Matheaufgaben mit Leidenschaft machen. Saschas Aussage, Berlin. Jemand, guckt, beobachtet und möchte mal? Was? Er will was? Ne, Du hattest so viele Chancen, da geht nix mehr. Gar nichts. Aber trotzdem. Die Ehemaligen schmecken am besten. Der alten Weisheiten Taubheit wurde von mir verdrängt in die Zeit nach zwei nullnullnull. Siehst Du die Hörner auf meiner Stirn sich winden? Hörst Du die Schreie derer, denen man die Beine abschlug mit einem stumpfen Ding? Ja, womit? Mit PingPongSchlägern! Hilfiger? Ja, vor mir strahlt eine Jacke. Das Mädel hat sich noch nicht mal die Beine rasiert. Wer soll da denn wohl sein Nest bauen? Ach, der Rock ist aus Cord und echt zwei Inch lang. Socken, die rocken in Grün und Gelb und ein bisschen Orange. Und darunter trägt sie keine durchsichtige Strumpfhose. Sie kann nicht häkeln! Unter der dollen Jacke – wie viel die wohl gekostet haben mag? – trägt sie eine durchsichtige Chiffonbluse in schwarz und darunter einen schwarzen Spitzen-BH, der wahrscheinlich noch teurer als die Jacke war, weil an ihm so wenig Stoff ist, dass er einfach teurer gewesen sein muss. Man, sie kann keine Seidenstrümpfe häkeln, verfluchtes Weibsstück. Am nächsten Morgen wird mein Exfreund zwischen meinen Beinen liegen. Er hat sich übergeben müssen. Warum tue ich das meinem Leben jeden Abend an? Ich hasse ihn, denn Hass ist beständig.

Vergletschern

Sie hieß Meine Liebe, und ihr Atem stank nach Lebertran, und als ich ihre Scham berührte – nur mit der Zungenspitze –, dachte ich, es sei Winter, denn sie schmeckte wie das Eis, das morgens in den Gräsern der Wiese erstarrt. Meine Liebe war groß und stark, ja, wirklich, ihr Gemüt war eine Blumenwiese, in die ich meine Wurzeln hineinsprießen ließ, doch ich tat dies nur im Winter. Sie war eine Winterfrau und ich liebte sie an jedem Abend, doch nie am Tage, denn der Sonnenschein ließ ihre Scham schmelzen. Sie war hüftabwärts ein wenig aus Eis, doch ihr Atem stank nach Lebertran, und trotz allem war sie meine Winterfrau. Die Spitzen ihrer Brüste schmeckten nach Erdbeeren, und ihr Haar roch nach frischem Honig, und unter meinen Händen ward sie zur Sonne, doch ihr Atem stank nach Lebertran. Ich genoss die Sonne, wie sie es sich gefallen ließ, abends strahlte sie und zog mit ihrem wiegenden Leib zarte Linien und Biegungen und Ecken von Lichtstrahlen über mein Gesicht. Meine Liebe endete eines Morgens in einem Wassereimer, denn trunken von der Nacht fiel sie hinein, und ihr Eis ward eins mit dem Wasser. Ich goss das Wasser über die Gräser der Wiese und dachte, dass ihr Atem nie wieder nach Lebertran stinken würde, doch sie blieb für immer Meine Liebe.

Nymphe

Ich tanze auf einem schwelenden Boden und das Wehen am Morgen verwischt die Tränen auf meinen Wangen. Möchtest du die Nymphentänze mit mir tanzen? Enttäuschung ist mein zweiter Vorname, doch meine Flügelchen spreizen sich mutig gen Himmel, so dunkel er die Wolken auch spannt. Ich bin die Nymphentänzerin und will ohne ihn weiterschweben, doch die Federn hängen lose herab und meine Flügel sind schlaff. Ich brauche Flüssigkeit, dass ich nicht vertrockne, ich brauche Mut, dass ich nicht versinke in seinem Morast. Der Himmel scheint trügerisch eine Pfütze zu sein, doch dann, auf der Rückseite des Spiegels, watet man durch den Dreck. Lass mich gehen und fliegen, vielleicht direkt zu meiner Selbstzerstörung, vielleicht kommt der Absturz, denn Nymphen sind unvorsichtige Wesen. Ich will das, was ich schon vor tausenden Jahren kommen sah, ich will hinein in die Sonne und dort mit dir verschmilzen zu einem Klumpen, der irgendwann auf einem Regenbogen herabrutschen wird. Und dann? Platsch, hinab auf die Erde. Adieu, Nymphenfrau, die Zeit mit dir war wunderschön.

Eis

Ich will das Eis brechen, das aus meinen Armen wächst. Die riesigen Eisstangen, die dort, unterhalb der Ellbogen hervorluken. Ich will mir ein Feuer suchen und versuchen, die Löcher, aus denen die Stangen wachsen, zu verbrennen. Im Sommer tropft es auf den Boden, die Arme angewinkelt, merke ich, wie die Eisstangen, die dort hervorstechen, langsam und bedächtig schmilzen. Ich tropfe und alle wollen an mir lecken, denn ich bin unterhalb der Ellbogen so wunderbar kühl. Mein Leben begann in einem Kühlhaus. Sorgfältig putzte meine Mutter dieses und saß des öfteren betrunken auf den Kühlaggregaten. Sie verkühlte sich ihre Geschlechtsorgane. Mein Vater nahm sie eines Tages wohl auf der Kühltruhe. Nun bin ich ein Eiskind und im nächsten Winter werden die Eisstangen wieder anschwellen, so dass ich kaum meine Arme heben kann. Ich bin ein Kind des Kühlaggregats und mein Freund ist der Schnee.

Bettruhe

Sie ist die Frau seiner Schwester, flüsterte sie ihm zu. Er nickte und betrachtete verstohlen die Porträts seiner Frau an der Wand. Der Mann blickte auf und begann sich seinem Blickfeld zu nähern. Er starrte immer noch auf die Porträts seiner Frau, als jener Mann auf ihn zutrat, seine Hand nahm und ihn ins obere Stockwerk führte. Man sah zwei Männer, die verließen die Feier Hand in Hand. Jene Frau, die den einen der beiden Männer angesprochen hatte, nahm ihre Handtasche und folgte den beiden in die oberen Stockwerke. Sie wollte, dass die beiden ihre Brustwarzen abbissen. Es ist schön so, wie es ist, sagten ihr die Männer.

Perlen

Ich möchte mir Perlen kaufen in einem Geschäft, in dem die Endzeit mir einen Stuhl heranschiebt. Ich möchte aussehen wie die Frauen auf dem Catwalk. Ich möchte nicht mehr kotzen. Ich möchte mehr Koks hinter der Jesusfigur auf dem Altar verstecken. Ich möchte mir Perlen kaufen, sagte ich ihm. Er kam näher. Ich warf meine Bluse in den Gartenteich. Er kam näher. Ich will dich, sagte ich ihm. Ich warf meinen Rock über die Gartenstühle. Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn. Er kam näher. Du bist ein sehr attraktiver Mann, sagte ich ihm. Mein Slip flog auf die Gladiolen. Er kam näher. Ich hasse den Krieg zwischen uns, ich hasse mich, ich hasse die Liebe. Er war am Rasenmähen und dann kam er in mir. Ich ging, um mir Perlen zu kaufen, und kehrte nie wieder zurück.

Wasser

Du hast dir eine Wasserläuferin gekauft. Ich habe dich letzte Woche im Supermarkt um die Ecke gesehen, da hast du sie gekauft – für einen Blick und einen Kuss. Sie anstatt meiner wird dich über das Wasser führen. Ich weiß, ich bin verloren, eine arbeitslose Wasserläuferin, manchmal torkelnd, doch immer an der Oberfläche. Ja, ich weiß, morgen ist Sonntag, ich werde mich morgen ertränken, wenn die Kelche der Blüten mir einen Stuhl reichen. Auf diesem Stuhl werde ich auf den warten, der eine Wasserläuferin sucht, die ihn ans nächste Ufer bringt. Vielleicht bin ich verloren, doch jemand wird mich wiederfinden. Er wird mich finden und mich vor dem Sonntag retten.

Katarina Konkoly

Hungarian Gypsy, 1956

His music grips and rattles every bar

There is freedom to roam so long as you never want to budge very far from one foot always planted within a semi swivel of dust and left hand firmly on the neck of a violin

He could renounce his habitat but he could never leave his violin as if a tree could ever migrate unless prodded         HANDS UP         by the steel grey trunk of a revolver a tree feels at home simultaneously in ground and sky above the pack growling of tanks soars his harmony

His precision fingering a woman practised at masturbation blindfolded he knows by intuition and scent his violin a crumpled red flag and strums it gently at first until she replies and purrs her sensations resonating through scrolled spine

He had plucked as many women as were rings on his fingers as strings had adorned his violin now each one marched across the bridge between Buda and Pest while the moth-coloured wings of his bow hummed the rhythm of their step

His fingers like butterfly kisses suggest music they do not play it and so what if it happens to be a banned nationalistic folk song this is the rule of ensemble not solo

Swollen belly of his violin a chasm to swallow his tonguing vibrations she is his lover his homeland his freedom he hunches over her protectively a Jew counting notes a Russian would say that he had a choice in the music he played if not the instrument

He struck a rebel cord with the populace would later accuse his executioners.

Gerhard Ochs

3 Texte

Die Spur, der ich folge, sieht aus wie Samen von Sesam

Die Sonne der Schmerzen scheint unerbittlich. Soeben schmilzt
der Knochen meines aufrechten Ganges. Ich schleppe mich
noch bis zu der Plattform einer stattlichen Waage und blicke auf
noch eine Ebene, die aussieht wie gebrochenes Eis mit Linien so rot
wie das Blut eines Aals. Bis in die Ferne hat die Nähe den
Schwung von einem Fluß und das Gewicht von einem Gruß.

 

Es fällt auf, dass keine Schneeflocke meinen Augapfel trifft

Das goldene Ei im Stroh meines Kopfes kocht. Ich sprenge
mit einem Blick die Entfernung zu einer Frau mit einem Pelz-
tier. Während ich ihren Körper kommen höre, zeige ich ihr
den Hochmut meines Körpers. Als ihre Gliedmaßen bereits
meinen Atem erreichen, greift sie in ihre Tasche und holt ein
Drahtseil hervor. Damit haut sie auf meinen Kopf, als ob er
ein Rübenfeld wäre. Ich wäre am liebsten unter meine Mutter
gekrochen. Nachdem ich die erste Schande überstanden habe,
geht mir das Licht eines Trostes auf. Vielleicht kommt ein an-
derer Mann des Weges, und sie findet Gefallen an ihm. Dieser
Mann kann sogar mitunter ihrem Bären das Tanzen beibrin-
gen, und beide können von seinen Künsten leben.
Über solche Gedanken ist es dunkel geworden. Nach so vielen Tra-
gen meines Leibs ruht mich ein Stuhl aus.

 

Eine Neigung zum Gedenken

Es begab sich, dass ein Mann mit der Hand einer Frau ging. Er
staunte nicht schlecht, als diese nicht von seiner Seite wich,
zumal er schneller war, als die Schönheit jeder Blume. So gab
er nicht acht auf seine Füße, sondern stieß auf eine Blüte des
Stillstands. Als er sie da liegen sah, fackelte er nicht lange und
hob sie auf, denn inzwischen waren die Augen der Frau grün
geworden. Was wollte die Farbe ihm verheißen? Er setzte sich
in das nahliegende Gras. Ein Arm der Frau stieß überra-
schend einen Schrei aus. Damit ging der Tag zuende bis in die
tiefe Nacht.

 

Textauszug aus Gerhard Ochs: Wenn die Sonne die Lieblingsfarbe der Kinder hat.
Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien, 2001.

Christina Conrad

Some more  poems

“speak not in frozen tongue”

speak not in frozen tongue
of the lost child
of the slow stultified
bong
of hearts dread
mind’s
tearing torrents

speak not in frozen tongue
of the lost child
of
the rancid nest
stuffed
with falsified eggs
forced
into premature hatching
of
feet in suppurating
separation
from
the legal forging of
hands
plucking at realism’s
rot
gathering around
stationary matter

 

“long sharp type of stick”

when i was 7
i
sat
on
a long sharp type of stick

long sharp type of stick
thrusting
up
out of
dark earth

long sharp type of stick
penetrating
skin
hiding
entrance
to
labyrinth

skin penetrated
by
long sharp type of stick
alone
in
gone
to
seed
garden
i
lost
this skin

i was 16
when
i
was
taken
by
a
man
ah! ah!
stick was sharp

skin
that
hid
entrance
to
labyrinth
gone

man
cheated
by
long sharp type of stick
said
i
was
not
virgin

ah! ah!

stick was sharp
he
left
me
for
another
moaning
to her
i
was
not
virgin

ah! ah!

stick was sharp

he
kept
my
photograph
in her
cutlery
drawer

 

“Agony’s claw”

in the mirror
my mother’s
face
on
mine

ancestral
face
totemic
face
stares
into
the silver ice
of
mirror’s
thrall

ah! tear it off
tear it off
mask
face
my
mother’s
face
pressing close
pressing close
until
one
mask
one
mask

in the mirror
my mother’s
face
on
mine
staring
into
the silver ice
of
mirror’s
thrall

blood
mask
ash
mask
black
hood
of
ancestor’s
jungle
tear it off
tear it off

 

“glutinous bag”

bones of memory
cradling
yellow skulls

in soul’s chamber
desire woven
into a glutinous bag
of
bloody threads

bones of memory
cradling
yellow skulls

 

“ruby eyed moths”
(to stoneking)

i am armadillo
running between
pillars of salt

once the world had less people
it was better off then
you
say
fingering your computer

what happens to the droves of souls
without bodies
i
ask
thinking of the ruby eyed moths
who press their fleshly bodies
against lighted windows

 

“cerebral trimmings”

i have
no
belief
in
Yours truly, cerebral
trimmings

between
left
&
right
i
survey
no
meaning

i
know
only
that
water
runs
in a circle

 

“seed rattle”
(for stoneking)

laid out under the shadow of a wicker hood
you bang your giant seed rattle
kick up your white perambulator legs

your face
under scrutiny
is
subject
to
tides
floods

your eyes of a changeling
behind a wall of mist
nose
plunging
into
illusion
forehead
assuming
a
stone
egg
your mouth
a
volcano
behind
a
corruption
of
fur

 

“straw broom”

before
you
bathe
Yours truly, body
i ask you
to
place
the straw broom
with the long red handle
outside
the bathroom
door

i must sweep
Love’s
naked floor
so many
crumbs
become
lodged
in
her
cracks

 

“mandala baskets”

in late childhood
i pissed
into baskets

i tried to mop it up
with balls of cotton
fearful as flood raged

the mandala baskets
could not hold it

 

“manacles”

everything was spinning
everything was made
of particles of light.

it was always there – the eye
in its bloody socket saw thru
that which was solidly presented
my love Obsession & his brother Torment
took me at an early age
a cloak of gleaming stuff hang around my vehicles
blood red rivers ran down my arms
bloody manacles bound my wrists
goading me into a vortex of incoherence

i fell to the floor
screaming
slamming my head
the family gathered to view the spectacle
whispering loudly
in
judgement

i got migraines
my sister said i was weak in the head
the bit in the center of my head
was soft
my head possessed a lid
my eye blew up into a bubble
everything possessed a double
casting gigantic shadows in the torture chamber
of my mind
i could not learn
i could not understand what they were talking about
knowledge possessed a dangerous sound
i made no attempt to decipher

Alexandra Ekkelenkamp

Integration: Youth (1984-1987)
(for Stoneking)

The wings of this symbol,
bronze Eagle of the Republik,
are the seal
of a childhood lost,
spent in khaki, singing
“Indonesia Raya” –
not with gamelan, but Western trumpet…
Children learn this:
sing not Nina Bobo – that is for mothers –,
sing national anthem
let no kite fly through dessa-sky,
reach heights in Army
love no more, control lust,
ideal families have two children:
1 boy
1 girl
after one, maybe two
years, children
will know no more,
will dress march sing think
write in unison –
will be ignorant…

Is it then a sin that I,
white flower on foreign Island
should think and write and
know
of these things?

He says “you’re too young
to write this – go write Joy, Youth, Ignorance”
–      I cannot.

For the wings of this symbol,
bronze Eagle of Maturity,
sealed off my childhood,
spent in summer dresses
with babu and mommy,
gamelan and Western trumpet…
I learned this:
be not ignorant,
guard Feeling,
think freely,
do not be mislead,
Know of Life,
know
of Bronze Eagles
and the ideals behind them.

“no man lived more profoundly enamoured of music and poetry”

deep down in the night
it must be Dusty Morning again
no more party rumours
the dancing has gone.
on the floor a
curled pink serpentine
broken glass
champagne on tiles
air lifts through the apartment
carrying scents
that remind of women
muses trading
lectures for sex
water running out of chrome taps
unshaven face in mirror
cracks where his smile should have been
no hesitating
no morning piano this time

no hangover greater than this
loss of love, and muses lost


title is quote from The Domain of Arnheim, E.A. Poe