Carmen Caputo

  Overload #30

Gedichte

Stadtmensch

Der Morgen
als Dampfbad erwacht
teert er die Rinnen der Dächer
die Bögen der Regen
legen sich nackt auf das Pflaster
die Büste der Künstler ertränken
in fliessenden Pigmenten
das aufrechte Bild der Lügen
flieht mit den Stunden dahin
auch der Tag und die Häuser
die Menschen der Gärten
weben die Jahre in Falten
und die Straßen erwachen
menschenerwärmt.

Träumer

Seht Ihr die Träumer
Milieu der Pfennigabsätze
wie Laternen strecken
sie ihre Brüste heraus
wo Nachtfalterblicke
den Tag entjungfern nur die Nacht
ihr Frühstück einnimmt
sie werfen das Heute
über Bord auf das Grasland
die Anzüge schmecken den Deal
in der Gosse verenden die Sehnsucht
nach mehr hört ihr den Lärm nicht
der ziehenden Träume nach Übersee?

Regentag

Das Meer liebte den Tang
die Alge den Frieden
der Wagen bündelte
die Sterne zu Licht
die Brandung
die Schatten wiegte
Scherenschnitte
und ich lief ihnen nach
der Heiterkeit der Solen
als es draußen begann
Fliederbeeren zu fallen
und die Welt
ihren Blick auf sie legte
nur ich

Ist ein Jahr noch ein Jahr?

Wie falsch das Wetter war ich wusste
es würde die Blüten erwachen die ersten
die rehbraunen, die es gar nicht geben konnte
sagst du es gibt viel was es nicht geben kann
und nicht darf wie die Raben schwitzen
auf den Dächern es ist Winter
nur die Reiher frieren es kann nicht sein
hoffst du wie die Hagebutten am Fluss
zur richtigen Zeit erblühen wollen
eine Frage des Willens ich weiß es nicht
vielleicht sollten wir unsere Hände
zuknöpfen dass sie geschlossen bleiben
unfähig sein werden an geschaffenen
Werken zu holzen, zu zerstören ich will
es nicht fast gebe ich auf doch in mir
ganz tief in mir ist die Hoffnung
auf den Schnee den unsere Schritte signieren
und wir laufen werden durch ein Jahr.

Die guten Zeiten

Wie Gewänder wallten
ihre Schreie herab
im Wind das Korn des Sandes
die Burgen die Fahnen
gebückt auch das Riedgras
das Schilf auf den Wegen
Staub der Erinnerung
meine Lider begann zu fluten
ertränkten die Dünen
einen Flügelschlag nur entfernt
schrieben aufrichtige Möwen
die guten Zeiten ins Land.

Hoffen

dort wo Steine
die Ströme aufhalten
ihr Schweigen
ins Taglicht tragen
dort wo Ammern
ihren Flug formatieren
die Schatten der Brote
auf Kieswege fallen
ihre Krallen den fließenden
Wolken gleichen in Scharen
die Länder bevölkern
wird der Tag
gütiger im Geben
und verliebt sich in die Nacht.

Marj Busby

Overload #30

Always English

A WINTER’S TALE

The song says “Blue Skies around the Corner”
But our sky has no corners.
Just a mass of gray and black clouds,
Taking away our feelings of a tomorrow.
Sun where have you gone?
You that used to burn our skin,
Make us warm and tanned,
Will you ever return to lighten us?

Dull the leaden sky, drab look the houses.
No sun at all for simply ages.
What can make us feel happy?
Can we look forward to anything?
Apart from pulled curtain, lights on, television,
Blaring, night time, is this our only relief?
Sun bring us some of our former feelings
Please, lighten our weary hearts and bodies.

The End

A Spiritual Dream?

From out of the blackness came a face
It looked at me lying there,
I smiled, it responded.
Gradually a body appeared.

Is it a dream, I thought,
as a hand caressed my face.
Then as the whole body lay by my side
I just let things happen.

I lay there being gently caressed,
I felt a love, as I had felt no other.
Then I slept, peaceful, no insomnia,
Awakening, I felt refreshed.

I was alone once more
but my thoughts were calm.
My heart felt light,
Happiness as never felt before.

Could this have been a dream?
Could this have been my need?
Could this have been imagination?
I prefer to think, it was a visit from a spirit.

The End

THE LAKE

Raindrops, falling as tears
pouring down her face
as she walks towards the lake.
Trying hard to allay her fears.
Nearing the water, her steps falter
looks back at the house behind
no sign of anyone following.
She wades into the cold water.
Gradually it covers her head
One last panic, shall she succumb
into those murky depths, deciding.
Bubbles, choking, she sinks, like lead.

The End

Gerd Berghofer

Overload #30

Aktuelle lyrische Texte

GEDANKENGEFLÜSTER, ERSTE MEINUNG

münder
die sich öffnen
gegen morgen

körper
im ersten licht
noch grau

lider
die sich heben
den stunden zu

netz
aus halbem und
wahrem halbwahren

gedanken
erste erheben sich
die schreiten voran

die bleiben
nicht liegen
die schleichen nicht

in die nischen
hinter den bleiliderwänden
zurück

BEGIERDE

wir schälen die lust
aus dem fleisch wenn
wir uns am abend begegnen

wenn wir den linien der hände
folgen auf unseren körpern
im dunkel im hunger

nach hellem in uns dem
weißen in unseren augen folgend
schwankend voreinander

erblindend geblendete geschöpfe
wortlos bebend dann wieder
worte ineinander sagend

finster und schön und wir fallen
fallen und fallen dabei
fallen hinab

hinunter den weg
den wir kamen versunken in
gedanken an uns

wundgehofft, wundgedacht

KATHEDRALE DER NACHT

so spannten wir
die tage
vor unsere kutsche

und legten uns
gewänder an
die uns erhoben

über das
was wir niemals
besaßen

so trieben wir
die tage vorwärts
in die ferne

streunten durch
die fremde
rissen die sterne

vom himmel
wo wir sie
zu fassen bekamen

und gruben sie ein
in unsere spuren
so wurde es dunkel

und dunkler und
nacht doch wir
wußten einander

im ruf der eulen
und trieben trotzdem
die verdunkelten tage voran

um uns herum
formte sich die nacht
zu stein

für jeden stern
wuchs ein kiesel
heran an der wand

der kathedrale der nacht
fuhren wir blindlings
unsere kutsche

zuschanden dann stille
und ein flügelschlag
einer uns fremden eule

SOMMERLICHE BILDSTÖRUNG

himmelsäugig geöffneter tag
die blaue vorstellung vergrellt
verlichtet federstrichverdichtet darin

gas, wölkisch, weiß
augenkreise wandern
windrosenwärts

rastern das rund den
grün bebaumten rand
plötzlich: das oben

ohne vorwarnung jetgeteilt:
die hemisphäre
großspurig weiß durchstrichen

unsere kreise
beinahe archimedial
gestört

KREUZRITTER ZWISCHEN
EUPHRAT UND TIGRIS

breit die worte vom namen
gottes in dessen
sie knochen schlagen wie holz

breit die worte die
sie um sich werfen:
warum sie das tun

breit die worte die
sie treten von freiheit
die sie bringen

aus

gebreitet die fahne
über den särgen
in denen

die knochen
die worte liegen und
die freiheit

GEDANKENGEFLÜSTER, ZWEITE MEINUNG

morgens eingehaucht
nach öffungszeit des körpers
zum bewußtsein hin

ein paar vermischte gedankenknäuel
wie wolle entwirren
knoten die sich bilden sich lösen

graue wolle übrigens
oder doch eher blau
ich begreife:

sie färbt der himmel
der durch den lid
spalt
tropft

GEDANKENGEFLÜSTER, DRITTE MEINUNG

sehnerv, graviert
mit deinem
nächtlichen bild

mondgrau auf
weißem tuch
zweisam atmend

das schweigen
zwischen uns
aufrecht haltend

das sprachorgan fest
verschlossen niemand
nimmt die pille

gegen wortwachstum
nur die schmiegsamkeit
eines leibes spricht für sich

ACHTZIGERMELANGE

so gingen wir
durch die straßen
im dunkel vor zeiten:

in der engschmiege
schlangengleich im
domestizierten kamasutra

am ende ihrer schwarzen zweige
sagten wir uns helles
in der welt zwischen

zwei laternen deren licht
klatschte fern von uns
auf den asphalt

und eine melange aus
scirocco und barclay james
harvest schrie auf von hinten

von der straße her wo man
uns beneidete belächelte war alles
dabei und nichts am anfang

hielten sich zwei hände
um sich nie zu verlieren
am ende blieb ich ich und du

du wir vergaßen uns
darüber schneller als uns
die straße vergaß durch die

wir gingen vor zeiten
deren namen ich noch weiß
doch nicht deinen

JOSE KEHRT NACH HAUSE

hitzland
leergeschwitzte erde
dörrkrumen pulverisiert

olivenbaum
filigraner fächerbogen
umstaubter schattenspender

luft
lustlos
steht abseits

haus
ziegelknisternd
weiß umstrahlend

hügel verflimmert
silhouette luftgekocht:

jose kehrt heim

Thilo Bachmann

Overload #30

Wahnsinn oder nicht

Eines Morgens blieb die Zeit einfach stehen. oder kam es mir nur so vor? Ich saß am Frühstückstisch und begann zu schwitzen, obwohl die Zimmertemperatur kaum über 13 Grad war. Ein ähnliches Gefühl hatte ich vor einem Jahr schon einmal; es war während eines Spazierganges in der Lobau gewesen. Das andere Mal befiel mich dieses Gefühl während eines Urlaubes am Fuschlsee vor zwei Jahren mit meiner Freundin Susanne Ussel; ich schwamm im See alleine, hatte plötzlich ein ungutes Gefühl der Machtlosigkeit des Menschen; ich dachte, wenn jetzt die Welt unterginge, wäre das für viele Menschen sehr schlecht, am übelsten aber für mich. Für einige wäre es vielleicht sogar vorteilhaft.

Was heißt Weltuntergang? Wenn ich jetzt sterben müßte, hätte ich das Gefühl der Unausgefülltheit und großer Versäumnis nicht vollbrachter Leistungen. Damals wurde mir im Wasser fast schwindelig, und ich hatte Mühe an Land zu kommen.

Ein Jahr später in der Lobau lief es mir heiß und kalt den Rücken herunter, als mich wieder dieses sonderbare Gefühl beschlich. Ich wusste nicht woher es kam; ich konnte es nicht verscheuchen. Ich liebte das Leben trotz seiner Ärgernisse.

Ich erhob mich langsam vom Frühstückstisch, sah auf die Wanduhr; sie war stehen geblieben.

Es war schon sehr licht draußen. Wie spät mochte es sein? Meine Armbanduhr ging zwei Stunden zurück. Ich machte einen Blick auf sie. Kein Ticken war zu hören.

Zu dumm, wenn ich nicht solche Kopfschmerzen hätte; ich ließ mich auf die Couch fallen, legte mich auf den Rücken und schlummerte ein und träumte, ich schwämme alleine im Fuschlsee weit vom Ufer entfernt, bekomme einen Krampf im rechten Bein; eine größere Welle überrollt mich; ich drohe zu versinken; das eine Bein wird immer schwerer; ich will schreien, bringe aber keinen Ton heraus; das Bein zieht mich unweigerlich in die Tiefe; es ist aus mit mir. Ich war aufgewacht, schnappte nach Luft; mich fror. Wie lange hatte ich geschlafen? Warum brauchen wir eigentlich so unbedingt das Zeitgefühl, welches das Tier nicht besitzt? Ich hatte keine Ahnung, ob es Mittag war oder später; ich dachte, wenn ich im Wald leben würde, bräuchte ich keine Uhr.

Ich begann wieder an die Unbeständigkeit der Menschen zu denken. Der Kreis hatte sich wieder geschlossen bzw. meine Gedanken kreisten in weite Fernen; stoßweise kehrten sie wieder zurück.

Ich verzog verächtlich die Lippen, denn der Kleinmut der Menschen, ihr Neid und ihr Unvermögen für sie unerklärliche Verhaltungsweisen und Tatbestände richtig zu deuten. So waren sie leider schon immer das wird sich nicht ändern, selbstzerstörerisch und jederzeit bereit dem anderen die Schuld seiner eigenen Unzulänglichkeit zu geben. Aber was solls.

Aber es gibt auch lichte Seiten des Lebens, daran dachte ich ebenfalls in diesem Augenblick.