Glanz@Elend
Magazin für Literatur und Zeitkritik
© by Herbert Debes & Kurt Otterbacher

 

Volk ohne Traum III

 


Nightmare USA und wir Schäfchenzähler
Ein Statement von Uve Schmidt








Im Gegensatz zum tv- kompatiblen Durchschnittsdeutschen, der immer wieder auf die Freudsche Fangfrage reinfällt „Was haben Sie empfunden angesichts der schrecklichen Bilder (aus Bagdad oder Bitterfeld)?“, sehen Amerikaner im Reporter ihre große Chance für große Gefühle oder einen coolen Auftritt. Während bei uns gegrübelt, gestottert oder nachgeplappert wird, bemüht sich der Ami gleich gar nicht um einen staatsbürgerlichen Eindruck, den unsereins hinterlassen möchte, sondern offenbart sein Innerstes als patriotischen Mageninhalt und so konnten wir am 3. November jede Menge Stimmen hören, die im einzelnen O-Ton wie im allgemeinen Tenor lauteten: „Dies ist nicht mehr unser Land!“

Natürlich sprachen so die Wahlkampfverlierer, Menschen im Hotel „de la Campagne“, Schwarze, Schwule, Intellektuelle, Muslime, weiße bewegte Frauen und braune bewegte Sozialarbeiter, und die Journalisten und Analysten stimmten überein, das Kerry die Wahl als einen „Kulturkampf“ verloren habe gegen die konservative religiöse Rechte. Dies ist nicht mehr unser Land meint freilich nicht, die USA hätten sich über Nacht (von uns aus gesehen) verwandelt wie weiland das Deutsche Reich am 30. Januar 1933, aber auch wenn viele Minderheiten nun nicht um ihr Leben fürchten müssen, so müssen sie doch mit weiteren Rechtsunsicherheiten, Repressionen, Benachteiligungen und wirtschaftlichen Verschlechterungen aller Art rechnen, was seit den ersten Stunden der Niederlage schon sich auswirkt, da die Legion demokratischer Wahlhelfer im Regen steht, d.h. individuell ohne Job und Perspektive.

Dies ist nicht mehr mein Land, befand vor Jahresfrist eine afghanische Hausfrau und Mutter (3) in Hamburg-Bergedorf, gegen deren Ehemann wegen Sozialhilfebetrugs ermittelt wurde, und beantragte in den USA politisches Asyl, was sie mit einer Sammlung von Zeitungsausschnitten über rassistische Vorfälle in HH dokumentierte, ohne tatsächlich involviert zu sein. Da die Familie mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, entfiel der Verdacht auf Aufenthaltserschleichung und das Asyl wurde gewährt, wovon wiederum Otto Schily erfuhr und beim US-Justizminister um Aufklärung nachsuchte. Und weil es sich um eine höchstrichterliche Entscheidung handelte, welche obendrein eine moralische Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland einschloss, darf man füglich von einem Propagandaurteil sprechen. Man tritt uns vors Schienbein und bemuttert eine afghanische Mrs. Schlitzohr, während die nordamerikanischen Muslime beginnen ihre Glaubensbrüder in Guantanamo zu beneiden, welche die Sorgenfreiheit von Staatsgästen genießen.

Seither habe ich nichts Neues mehr gehört und denke deshalb, daß im Halbdunkel  der Nachrichtensperre an einer Retourkutsche geschraubt wird. Wie wäre es mit einer Einladung an Bushs präsumtive Opfer? Ein paar Großanzeigen in der VILLAGE VOICE o.ä. würden genügen. Schon viele schwule Neger, die mit der Army nach Deutschland kamen, haben festgestellt, daß Homophobie und Rassismus auch hier virulent sind, doch die sozialen Aufstiegschancen für mittelmäßige Talente ungleich größer als in den USA. Also, wie wärs!? Daß drüben gescheiterte deutsche Auswanderer zu spät kämen, um hier die staatlichen Wohltaten einzustecken, ist traurig, weil sie gut zu den fleißigen deutsch-russischen Spätaussiedlern gepasst hätten, aber eine komplette originale Indianerreservation im Elbsandsteingebirge würde womöglich die oberelbische Naziszene entkrampfen.

Im Ernst: Wieso begegnen uns Asylanten leibhaftig und statistisch immer nur als Menschen aus Schwellen- und Entwicklungsländern sowie aus ehemaligen Volksdemokratien? Die Welt ist doch überall böse! Leider können wir einem russischen Softie, der nicht zur Armee mag, kein Asyl gewähren, jedoch jedem Juden. Welchen Schutz etc. können flüchtige Freiheitskämpfer in der BRD erwarten, falls sie nicht gerade Kurden sind? Mit dem Etikett Terrorist werden Ausländer ausnahmsweise nicht bedacht, wenn sie nur unsere Schulhöfe, Sozialämter, Tanzlokale & Wohnviertel terrorisieren. Weshalb hat man noch nicht daran gedacht, daß auch die Deutschen gute Gründe und bessere Motive haben könnten, ihr Vaterland zu verlassen, als jene Heerscharen junger Afrikaner, denen wir glauben sollen, daß ein jeder sofort sein Dorf ernährte, sobald wir ihn hereinlassen? Seit Jahrzehnten wächst die Zahl dieser illegalen Einwanderer mit den Problemen ihrer Herkunftsländer, doch ein Entwicklungstransfer, eine regenerative Rückwirkung bleibt aus, der Exodus leert nur die Agrarbasen ganzer Landstriche und reizt zur Nachahmung.

Es ist an der Zeit, unsere Beziehungen zu Washington zu rationalisieren: Die Geschichte der Vereinigten Staaten ist eine Geschichte der Landungen und Landnahmen, des Genozids und des Gunspeaking, der Sklaverei und der Selektion, aber auch der Abolition und vieler frommer Hilfswerke – gründen wir die Nordatlantische Agentur für Völkerwanderung! Wieso kompromittieren sich Lincolns Urenkel in ihren militärischen Interventionsräumen als Folterknechte, wenn sie Schilys Anhaltelager in Nordafrika übernehmen könnten, oder ein paar Minengürtel in den magnetischen Meerengen? Im Gegenzug garantieren wir die Abnahme von vorerst 3500 lesbischen farbigen Barpianistinnen, fein verteilt zwischen Etsch und Belt... Uve Schmidt


 
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