Glanz@Elend |
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Volk ohne Traum XXX |
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Übern Damm
Als ich noch Deutschland retten wollte – vom Beginn meiner Pubertät an bis zum ersten Parteiaustritt – hatte ich als angedachter Staatslenker so gut wie keine aussenpolitische Arbeitsvorstellung, denn im Vaterland gab es genug zu tun und das cäsarische Vergnügen an militärischen Schaustellungen sowie meine pharaonische Baulust ließen mir weder Zeit zum Aktenstudium, noch wäre es mir eingefallen, zwischen Paraden und Richtfesten die Agenda einer Weltvisite abzuhaken, zumal ich die Fernflüge europäischer Staatsoberhäupter immer als getarntes Faulenzen empfunden hatte, denn je weiter weg man ein Treffen anberaumt, um so länger kann man schlafen in den Luxuskojen der Nr. 1 und um so ferner rückt das eigene Volk. Daß es den privaten Nobelgästen des Kempinski in Heiligendamm schmeichelt, von den Feldstechern minderbemittelter Voyeurs verfolgt zu werden („Ganze Busladungen aus dem Ruhrpott!“), ist eher unwahrscheinlich; ob sie aus solchen Konfrontationen politischen und psychologischen Nutzen ziehen, hängt von der individuellen Sicht ab. Für Anno August Jagdfeldts liebste und gefährdeteste Immobilie muß sich seit dem G 8 - Gipfel erweisen, ob und wie das eh historisch herausragende „älteste Seebad Deutschlands“ sich nunmehr einreihen kann in den Reigen der berühmten Bäder, Kurorte und Ausflugsziele, deren weltpolitische Namhaftigkeit sich einer einzigen Tagung verdankt: Karlsbad und Rapallo, Jalta und Schengen u.v.a.m. Ich habe zwar meine Zweifel, doch der Glaube versetzt bekanntlich auch Sandburgen, solange über die altneuen Länder und ganz besonders über Mecklenburg-Vorpommern nachgedacht werden muß. Falls nach dem Werftensterben auch noch Fischerei und Fischverarbeitung untergehen, bleibt nur der Fremdenverkehr, d.h. das, was ihn so anziehend macht: Eine wunderschöne Landschaft, eine einzigartige Natur und Kultur bis zum Abwinken hinter Ahlbeck oder kurz vor Kaliningrad. Rechte Prolls gibt es überall, in Rostock-Lichtenhagen wütete seinerzeit ein Mob, der mitnichten aus der gotischen Backsteinkirche kam. Doch was soll werden, wenn man die Zimmermädchen aus dem Ausland, bzw. vom Schwarzarbeiterinnenstrich holen muß, da die Stadt- und Landflucht ostdeutscher Mädels in den Westen anhält? Als ich noch ein Oberschüler in der DDR war (bis 1956), türmten tatsächlich mehr Mitschülerinnen als Geschlechtsgenossen in die BRD. Indes, sie flohen zumeist mit ihren Familien oder auf den Fersen ihrer Freunde. Ledige junge Männer gingen in den Westen als unqualifizierte Abenteurer oder nach Abschluß einer Ausbildung bzw. eines Studiums. Damals wie heute spielt also für weibliche Nestflüchter der Hafen der Ehe eine grössere Rolle als heutzutage vermutet wird: Nicht nur Jobmangel vertreibt die Weiber, sondern primär der Mangel an geeigneten Gefährten. Versteht sich, daß die meisten der jüngeren Frauen, welche jenseits der alten Staatsgrenzen auch eine familiale Karriere anstreben, keine Miss Usedom gewesen sein müssen, um auf Sylt bei einer Bademodenschau zu reüssieren. Es droht vor allem das rohe Faktum, daß in agrarisch geprägten, dünn besiedelten und/oder überalterten Regionen plus dem Exodus potentieller Ehefrauen die dadurch gehemmte Familienbildung ein demographisches Desaster vorhersagen lässt. Land ohne Volk, das ist das Dilemma vieler kleiner Nationen und Stämme in schönen Gegenden ohne Bodenschätze und sie alle suchen die Rettung im Tourismus. Why not?! Solange sich in D noch eine deutsche Schraube drehen lässt, sollten wir uns erinnern, daß die italienischen Autobauer und Schuhmacher ihre Welterfolge nicht etwa billigen somalischen Hirten verdanken, sondern ihren südlichsten Landsleuten. Nationen sterben nirgendwo an Abwanderung, sondern an Selbstaufgabe. Oder durch Feinde in mannigfacher Gestalt, z.B. als Busennattern und Heuschreckenschwärme. Unsere Neuen Länder kommen m.E. mit einem festen Bestand gut geschulter Fremdenführer aus, ein Beruf von bemerkenswerter Bedeutung: Führer der Fremden, Anleiter der Ausländer. Sollten diverse Knuts, Kevins und Saschas die mitteldeutsche Bevölkerung ergänzen durch Begattung koreanischer Krankenschwestern und ukrainischer Spargelstecherinnen, dürfte das der nordischen Rasse nicht den Todesstoß versetzen. Es sei denn, wir legten es darauf an, die ehemalige Soffjetzone (Adenauer) qua touristischem Liebesentzug büßen zu lassen für Absonderlichkeiten und Schönheitsfehler, welche wir am Schwarzen Meer oder auf Kuba kleinlaut hinnehmen als Kinderkrankheiten des realen Sozialismus oder der ungelernten parlamentarischen Demokratie plus den Nebenwirkungen der freien Marktwirtschaft. An letzterer leiden wir permanent und nicht wenige Wessis machen unsere blutsverwandten Neubürger dafür verantwortlich, zumindest für die gigantischen Vereinigungskosten und die himmelschreienden Investitionsruinen. Daß für die touristisch verwöhnten, international renommierten Regionen und Städte Westdeutschlands der Osten nunmehr eine Konkurrenz als Fremdenbettenanbieter darstellt, muß nicht befürchtet werden, darf aber erwünscht sein in gerechter Relation zu fehlenden Erfahrungen und ungenügenden Erfolgserlebnissen. Immerhin handelt es sich um eine Natur- und Denkmalslandschaft abendländischer Traditionen und deutscher Geschichte, deren früheste Spuren, eindrucksvollste Monumente und lebendigste Angebote wir nur vor Ort begreifen, bestaunen und genießen können. Also „Nüscht wie hinne / im jutesten Sinne!“ (Flämingsch), sofort oder im nächsten Nullwinter.
P.S.: Vom
Sommerurlaub auf Rügen heimgekehrt, muß ich bekräftigen, daß
Fernfreizeit immer ein Wagnis darstellt, welches selbst optimaler Luxus
niemals soweit zu vermindern vermag, als daß Wetterwechsel und
Naturkatastrophen, technisches oder menschliches Versagen (vom Ehekrach
bis zum Amoklauf) den bestens gepolsterten Reisenden nichts anhaben
könnten. Andererseits wissen selbstkritische Zeitgenossen, daß von dem
Moment an, da wir unser trautes Heim verlassen, nicht nur
Handtaschenräuber und Hundekothäufchen uns auflauern, sondern schon der
erste Blick über die Hoftorschwelle diverse Klagen provoziert: Müll auf
dem Gehsteig, ein frisches Graffito vis-à-vis, eine junge Nachbarin, die
unseren Gruß nicht erwidert, und unser zugeparktes Auto. Dergleichen
begegnet Ihnen auch in der Ex-DDR und ich kann es nicht verhindern, daß
Sie und sonst wer sich all das dort mit ethnischer Prädisposition (56%
slawische Blutslinie) und 44 Jahre realem Sozialismus erklären.
Tatsächlich gibt es drüben Bier & Bockwurst immer noch unter 2,-€
frisch vom Faß, bzw. Kessel, und es gibt viel weniger Hunde, Graffiti
und so gut wie keine Türken als hier in Frankfurt am Main. Paßt Ihnen
das nicht?? |
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